„Extinction Rebellion“: Klima-Aktivisten wollen Verkehr auf der B 206 in Bad Segeberg stoppen

An diesem Freitag sollen Autofahrer in Bad Segeberg rot sehen. Knallig gekleidete Klima-Aktivisten wollen auf Höhe des Busbahnhofs still demonstrieren – und zusammen mit den Protestlern von Extinction Rebellion (XR) die Bundesstraße dichtmachen. Der Grund: Bad Segeberg tut nach Ansicht der Demonstranten zu wenig fürs Klima. Pendler und Brummifahrer müssen sich auf kurze Auszeiten einstellen. Für fünf mal fünf Minuten soll der Verkehr gestoppt werden – zwischen 15.30 und 17.30 Uhr. Das sogenannte „Swarming“ dürfte kein Zufall sein, denn damit trifft es reichlich Wochenendpendler und den Feierabendverkehr. Die Blockade soll reichlich Symbolik herüberbringen. Rote Gestalten auf weißem Schnee, ein abgestorbener Wald soll installiert werden, dazu gibt es Musik und Gespräche. Bekenntnis zum Klimanotstand fast zwei Jahre her: „Die Sonne soll scheinen. Das ist ein großes Geschenk, dass wir das so darstellen können“, sagt Tom Wilderland, einer der XR-Rebellen. „Wir wollen die Menschen wachrütteln. Die Politik trifft sich zurzeit nur eingeschränkt, weil es angeblich nichts Wichtiges zu besprechen gibt“, kritisiert er. Extinction Rebellion sieht das anders. Im Mai sei es zwei Jahre ist es her, dass Bad Segeberg den Klimanotstand ausgerufen hatte. „Bisher ist jedoch nicht zu erkennen, was konkret unternommen werden soll. Offensichtlich ist die Dringlichkeit des Handelns noch nicht in den Köpfen angekommen“, teilt der Bad Segeberger Ableger der internationalen Umweltschutzbewegung mit. „Die Klimakrise wartet nicht auf die Politik. Bad Segeberg muss jetzt handeln.“ Extinction Rebellion startet ins Aktionsjahr 2021: Ganz konkret gebe es Projekte, die vor Ort vorangetrieben werden könnten. „ Die Grünen bringen immer wieder Anträge ein, bei denen die anderen Fraktionen dichtmachen. Es gibt nur lapidare Antworten“, sagt Wilderland. Wenn es zum Beispiel um den „Ausverkauf“ des Ihlwaldes geht. Oder ein Verkehrskonzept, das schon vor Jahren angestrebt, doch wieder im Sande verlaufen sei. „Auch bei den Klimazielen heißt es, man wolle nicht mehr machen, als die Bundesregierung vorgibt“, sagt er. „Das zeigt ja schon das Grundproblem.“ Bis 2050 klimaneutral zu werden, reiche aus Sicht der „Rebellen“ nicht. Extinction Rebellion fordert dieses Ziel bereits für die kommenden Jahre. Als Swarming wird eine moderne Demonstrationsform bezeichnet, bei der wiederholt für mehrere Minuten Straßen blockiert werden. Man könnte auch sagen: „Ausschwärmen“ zum Protest. Entwickelt wurde die Methode im Vereinigten Königreich, die Geburtsstube von „Extinction Rebellion“ (XR) sowie den „Red Rebels“. Diese Aktionen werden offiziell angemeldet, entsprechen also einer Demo. Wie aus Foren zu entnehmen ist, können sich die Level der Klima-Aktivisten von XR, die ihren Themen aufmüpfig und ungehorsam Aufmerksamkeit verschaffen wollen, aber auch steigern. Das reicht bis zu bewusst zu erwartenden polizeilichen Gegenmaßnahmen und gravierenden rechtlichen Konsequenzen – also tendenziell kriminellen Machenschaften. In Bad Segeberg hat es etwa bereits Ärger wegen Hausfriedensbruchs im Rathaus und Sachbeschädigung durch Schmierereien in der Innenstadt gegeben. Die Idee der „Red Rebels“ (Rote Rebellen) entstand 2019 in London und geht laut XR aus Zeitlupen-Pantomimen der 90er Jahre hervor. Damals begleiteten geisterhafte Darsteller in Weiß Friedensproteste, etwa gegen den Irak-Krieg Anfang der Nullerjahre. Das Rot soll bewusst das sonst eher chaotische Gewühl einer Demo durchbrechen. Die auffälligen Gestalten schreiten langsam, leise und künstlerisch dahin. Das Rot soll stehen für Rebellion, aber auch für das Leben, Leidenschaft, Gefahr. Für die Protestler ist der Fall klar: Sie wollen den allgemeinen Stillstand nutzen, um ins Aktionsjahr 2021 zu starten. Jetzt erst recht. Corona sei ein deutliches Zeichen der kränkelnden Umwelt, behauptet Tom Wilderland. „Die Einschläge durch Pandemien oder Epidemien kommen immer dichter. Manchmal sind wir nur knapp daran vorbeigeschrammt.“ Auch die Flüchtlingsströme, glaubt er, werden im Sommer wieder deutlich wachsen. Die Demo am Freitag solle jedoch „wie immer friedlich und liebevoll“ verlaufen, aber „mit dem Ziel klar vor Augen“. Und mit Klimaschützern in Knallrot. Die Corona-Regeln sollen mit Mundschutz und Abstand eingehalten werden. Es werden rund 50 Teilnehmer erwartet. Erste Straßen-Blockade gab es im Mai 2020: Den ersten „Swarming“-Protest auf der B 206 hatte es am vergangenen 19. Mai gegeben – dem Jahrestag des beschlossenen Klimanotstandes in der Stadt. Dabei gingen die Klimaaktivisten bei Grün auf den Fußgängerüberweg am Bahnhof, wollten die Fahrbahn dann aber minutenlang nicht mehr verlassen. Wenn auch nicht das Wohlwollen der meisten Autofahrer, hatte es den Demonstranten immerhin eine Einladung ins Rathaus eingebracht. Im Oktober sprachen Naturschützer und Fachleute auf einer Podiumsdiskussion über weltweite Extreme, grenzenloses Wachstum und die Ausbeutung der Ressourcen. Von Irene Burow