Greensill-Pleite: Wahlstedts Bürgermeister erklärt umstrittene Anlage

Diese Sondersitzung der Stadtvertretung wurde mit Spannung erwartet, standen doch jede Menge Antworten aus der Verwaltung zur Drei-Millionen-Euro-Anlage bei der bankrotten Bremer Greensill Bank an. Die Liste der Fragen aus den Reihen der FDP, der Grünen und der Wählergemeinschaft WfW zum Greensill-Debakel, das Wahlstedt unter Umständen drei Millionen Euro kosten könnte, war lang: Warum hat Wahlstedts Kämmerei das Termingeld ausgerechnet bei dem mittlerweile wegen drohender Überschuldung geschlossenen und unter Betrugsverdacht stehenden Geldinstitut angelegt? Wie wurde die Bank überprüft? Kann jemand haftbar gemacht werden, wenn die so geparkten Gewerbesteuereinnahmen verloren sind? Warum lief das Geschäft nicht über den Schreibtisch des Bürgermeisters? Welches sind die weiteren Schritte und Konsequenzen? Eine machte Wahlstedts Bürgermeister Matthias Bonse (CDU) klar, als er Rede und Antwort stand: „Wir sind nicht Verursacher, wir sind Opfer.“ Das von der Bankenaufsicht Bafin über die Bremer Privatbank verhängte Moratorium am 3. März sei auch für die Stadt völlig überraschend gekommen, verteidigt der Verwaltungschef das Handeln der Kämmerei. Schon am selben Tag sei die Sparkasse mit der Auflösung der Anlage beauftragt worden – erfolglos. Am 8. März seien der Landrat, die Kommunalaufsicht und die Stadtvertreter informiert worden. Die Verwaltung habe also alle Vorgänge offen und transparent dargelegt. So lief die Prüfung: Erneut betonte Wahlstedts Bürgermeister, dass die Kämmerei mit dem Sechs-Augen-Prinzip, gemeinsam mit einem Finanzdienstleister, mit dem seit 2009 zusammengearbeitet werde, korrekt vorgegangen sei. Der Stadt seien verschiedene Angebote unterbreitet worden, auch das von Greensill. „Wir haben uns die Bilanzen und den Wirtschaftsbericht angesehen und auf die Bewertung geguckt“, beschrieb Stadtkämmerer Christian Strak. Der Umstand dass andere Kommunen viel mehr Geld angelegt hätten, sei ebenfalls ein Indiz für eine sichere Anlage gewesen. Die Bankenaufsicht Bafin wirft der Greensill Bank Bilanzbetrug vor. Das Geldhaus hat inzwischen Insolvenz angemeldet. Neben vielen anderen haben etwa 50 Kommunen und Institutionen bei ihr vermeidlich sicher Gelder angelegt und sind von der Banken-Pleite betroffen. Darunter ist unter anderem das Bundesland Thüringen mit 50 Millionen Euro. In Schleswig-Holstein ist neben Wahlstedt das Amt Mitteldithmarschen (17 Millionen Euro) betroffen. Anders als Privatanleger sind Städte und Gemeinden aus Sicherungen, die über 100 000 Euro hinaus gehen, ausgeschlossen. Der Grund: Hier werden Fachkenntnisse vorausgesetzt. Nachdrücklich betonte Bonse, dass es sich nicht um Spekulationsgeschäfte gehandelt habe. „Fest- oder Termingeld, das ist wie ein Sparbuch die langweiligste Anlage – null Risiko“, ergänzte Stadtvertreter Matthias Malassa (CDU). Zudem, so Bonse weiter, sei die Verwaltung zu solchen Schritte, etwa um Negativzinsen zu verhindern, gemäß der Gemeindeordnung sogar angehalten. „Bei Geldanlagen ist auf eine ausreichende Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessenen Ertrag bringen“, heißt es unter anderem dort. Versichert sei die Stadt gegen drohenden Verlust nicht, denn die bestehende Vermögensschadensversicherung trete nur bei Pflichtverletzung und lediglich in Höhe von 250 000 Euro ein. Die Stadt habe Kontakt zu weiteren betroffenen 35 Kommunen, „mit denen wir unser juristisches Vorgehen abstimmen“, so Bonse. Dabei gehe es insgesamt um 286,25 Millionen Euro. „Wir wollen eine gemeinsame Interessenvertretung.“ Unter anderem solle ein Gläubigerausschuss bestellt werden. Zudem halte man engen Kontakt zur Kommunalaufsicht und dem Finanzministerium des Landes. Geprüft werden müsse, ob die Wirtschaftsprüfer beim Greensill-Jahresabschluss grob fahrlässig gehandelt oder ob gar die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) versagt habe, was womöglich zu Schadensersatzansprüchen führen könnte. Keine Anlagen mehr bei Privatbanken: Eine Konsequenz aus der Banken-Pleite gibt es bereits: Die Verwaltung werde restriktiv handeln und liquide Mittel nach einer neuen Dienstanweisung zukünftig nicht mehr bei privaten Geldinstituten, sondern nur noch bei Sparkassen und Volksbanken anlegen, kündigte Verwaltungschef Matthias Bonse an: „Und wenn wir dann Negativzinsen zahlen müssen, dann ist das eben so, Punkt.“ Von Heike Hiltrop