Große Schnelltest-Aktion für alle Segeberger droht am Kreis zu scheitern

Und plötzlich gab es mächtig Gegenwind: Eine Idee zur Eindämmung von Corona droht womöglich am Widerstand des Kreises zu scheitern. In Bad Segeberg hat sich eine Initiative um den Gynäkologen Andreas Lenhard gebildet. Der plant, zusammen mit medizinischem Fachpersonal und einem Bad Segeberger Apotheker – insgesamt mit 40 Leuten – in den Tagen vor Weihnachten möglichst viele Segeberger mit Schnelltests auf Corona prüfen zu lassen. Alles ist organisiert, ein Pharma-Unternehmen stellt reichlich Schnelltests zur Verfügung, die Logistik steht. Doch der Kreis bezweifelt die Zuverlässigkeit dieser Antigen-Tests. Lenhard hat festgestellt, dass in Süddeutschland zahlreiche Städte solch ein Schnelltest-Zentrum organisierten. Bekanntes Beispiel ist Tübingen, das die Menschen sogar kostenlos auf Staatskosten testet, damit sie beruhigt ihre Verwandten besuchen können. Mit Erfolg: Dort gibt es bei Älteren kaum Corona-Kranke. Lenhard: „Wir möchten auch hier die Tests in drei Tagen vor Weihnachten durchziehen, damit möglichst viele Menschen Weihnachten ihre Verwandten und Freunde besuchen können.“ Die hätten nach einer fünftägigen Quarantäne und dem Schnelltest dann eine große Sicherheit, dass sie ihre Freunde und Verwandte nicht anstecken. Lenhard, der seine Praxis ganz in der Nähe eines Altenheims hat, weiß von vielen todtraurigen alten Menschen, die seit März ihre Enkel nicht gesehen haben. Die Aktion ist komplett durchgeplant: „Was können wir tun?“, fragte sich der Arzt und entwickelte zusammen mit Freunden ein „Buchungs-Tool“, über das sich Bürger einen Termin für den Schnelltest holen können. Das Ergebnis werde per Mail zugestellt oder die Leute warteten vor Ort, bis sie das Ergebnis nach 20 Minuten haben. Auch Bad Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld habe das „als tolle Idee empfunden“ und der Initiative sofort die Halle an der Burgfeldschule für die Aktion zur Verfügung gestellt. „Dort kann man die Abstandsregeln einhalten, damit das alles vorbildlich abläuft.“ Lenhard hat auch genügend medizinisches Personal gefunden, das die Testung durchführen könnte. An 20 Teststationen könnte man in der Halle 2500 Menschen am Tag testen, schätzt Lenhard. Die Veranstaltung sei durchorganisiert. Der Test soll die Teilnehmer 35 Euro kosten. Das medizinische Fachpersonal stehe bereit, die Bad Segeberger Apotheken hätten Schutzkleidung zur Verfügung gestellt, alles sei vorbereitet. Initiatoren wurden von Gegenwehr des Kreises überrascht: Doch nun funkt das Kreis-Gesundheitsamt dazwischen, soll gegenüber den Organisatoren angekündigt haben, die Testung zu verbieten, sagt Lenhard. Der Kreis habe sogar angekündigt, die Zufahrt zur Halle zu sperren, damit die Veranstaltung ja nicht stattfinde. Lenhard: „Das klang für mich schon bedrohlich, schließlich ist das unsere Aufsichtsbehörde.“ „Ich wollte eigentlich nur etwas Gutes tun.“ Der Arzt hätte eher erwartet, dass der Kreis dabei helfe. Stattdessen habe das Gesundheitsamt den Organisatoren Vorwürfe gemacht, dass sie für die ohnehin gestresste Behörde „das jetzt alles komplizierter machen“. Für den Arzt ist das völlig unverständlich. Er würde bei einem positiv Getesteten in seiner Praxis sofort den üblichen PCR-Test durchführen. „Die Leute sollen doch möglichst schnell Gewissheit haben.“ Kommende Woche sollen noch einmal Gespräche mit dem Kreis stattfinden. Kreis befürchtet Mehraufwand durch mehr positiv Getestete: Auf LN-Nachfrage teilte Segebergs Landrat Jan Peter Schröder mit, dass die Infektionsschutzbehörde die geplante Schnelltest-Aktion „mit Skepsis“ sehe. So hätten Schnelltests eine deutlich höhere Anfälligkeit für falsch-positive Ergebnisse als PCR-Tests. „Aus diesem Grund müssen positive Schnelltest-Ergebnisse immer durch einen weiteren PCR-Test bestätigt werden. Bis das zweite Ergebnis der PCR-Testung vorliegt, ist der/die Getestete rechtlich zunächst wie eine positive Person zu behandeln, das heißt eigene Absonderung und Quarantäne für sämtliche enge Kontaktpersonen inklusive Ermittlungen durch den Infektionsschutz.“ Andreas Lenhard hat indes gegenüber den LN angekündigt, den PCR-Test selbst durchzuführen und das Ergebnis sofort zum Labor zu bringen. Doch Schröder glaubt nicht, dass der PCR-Test über Weihnachten überhaupt ausgewertet werden könne. Da die Zuverlässigkeit der Antigen-Tests nicht mit der eines PCR-Testes vergleichbar sei, entstehe für die Mitarbeiter des Infektionsschutzes durch „eine vorhersehbare Häufung an falsch-positiven Testergebnissen“ ein Mehraufwand, der personelle Ressourcen bindet, die an anderer Stelle fehlten. Neue Testverordnung in SH: Wer jetzt nur noch getestet wird Kürzere Quarantäne: Das sind die neuen Regeln für Reiserückkehrer So verhalten Sie sich, wenn Sie keinen Corona-Test bekommen Das sind die neuen Corona-Schnelltests – und so werden sie eingesetzt Positiv auf Corona getestet worden, aber nicht ansteckend? Was der Ct-Wert über die Infektiosität verrät Drosten: PCR-Corona-Tests sind „zweifelsfrei“ Was unterscheidet den Corona-Schnelltest vom PCR-Nachweis? Wie entscheidend sind „falsch positive“ Testergebnisse? Landrat Schröder kritisiert „blinden Aktionismus“: Ohne Anlass, also ohne Symptome oder Kontakt zu einer infizierten Person zu testen, ist aus Sicht des Kreises „blinder Aktionismus, der vermutlich gut gemeint ist, aber mehr Risiken als Chancen birgt“. Denn auch die Gefahr falsch-negativer Testergebnisse sei bei den Schnelltests höher als bei der PCR-Testung. Jemand könne also ansteckend sein, obwohl es der Schnelltest nicht anzeige. Der Organisator der Aktion sage zwar, dem Infektionsschutz helfen zu wollen, indem er den Personen das Testergebnis selber mitteilt. Aber für die Mitarbeiter des Kreises sei dann viel zu tun: Es gehe um telefonische Kontaktaufnahme, das Aussprechen der Quarantäne (diese darf rechtlich nur die Behörde aussprechen) für die Betroffenen und Familienmitglieder, schriftliche Verfügung, Kontrollanrufe und Aufheben der Isolierung. Von Wolfgang Glombik