Karl-May-Spiele in Bad Segeberg droht die erneute Absage

Es ist womöglich eine trügerische Hoffnung, die Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im Landtag bei den Segebergern geweckt hat. „Eutiner Festspiele, Schleswig-Holstein Musik-Festival, Wacken-Open-Air: Das ist in weiter Zukunft. Ich glaube, dass wir im Sommer diese Veranstaltungen unter klaren Hygienekonzepten in Schleswig-Holstein realisieren“, sagte Günther vor wenigen Tagen – und meinte damit auch die Karl-May-Spiele. Das stimmte auch den zukünftigen Bad Segeberger Bürgermeister Toni Köppen optimistisch. „Wenn der Ministerpräsident glaubt, dass Veranstaltungen wie das Wacken-Open-Air stattfinden können, wo soll dann das Problem mit den Karl-May-Spielen sein?“, fragt Köppen. Er gehe davon aus, dass man am Kalkberg viel bessere Hygienekonzepte auf den Weg bringen könne, als das bei dem Heavy-Metal-Festival in Wacken möglich sei. Er selbst sei an der Entscheidung allerdings nicht beteiligt, da er erst ab Juni sein Amt antrete. Lesen Sie auch Kommentar von Oliver Vogt: Erneute Absage der Kar-May-Spiele ist nicht hinnehmbar Nur noch wenig Hoffnung am Kalkberg: Dort, wo die Entscheidung gefällt wird, am Kalkberg, stellt sich die Lage anders dar. „Die Hoffnung ist da, aber sie ist nicht sonderlich groß“, bringt Ute Thienel, Geschäftsführerin der Kalkberg GmbH es auf den Punkt. In den aktuellen Plänen zu Lockerungen und Perspektiven komme man als Großveranstaltung nicht vor. Man habe zwar diverse Szenarien erarbeitet, das Grundproblem sei aber, „dass uns niemand sagt, was konkret wir erfüllen müssten, um spielen zu dürfen. Weder wissen wir, wie viele Plätze wir vergeben dürfen, noch wie die Abstandsregelungen bei den Zuschauern sein müssen. Schwierig ist für uns auch, dass die Politik in Schritten von zwei bis drei Wochen denken muss und dann die sehr dynamische Infektionslage neu bewertet. So kann man keine Großveranstaltung planen.“ Keine finanziellen Hilfen für die Karl-May-Spiele: Man sei zwar mit Entscheidungsträgern der Politik in Kiel und Berlin seit Monaten im Gespräch, „aber bei Hilfsprogrammen fallen wir durch nahezu jedes Raster. Das ist sehr frustrierend. Finanzielle Hilfen sind uns von Land und Bund bisher nicht signalisiert worden – außer Krediten. Eine Beteiligung an unseren Fixkosten, die auf jeden Fall entstehen, wäre aber eine große Hilfe“, so Thienel. Bühnenbauten könne man erst starten, wenn man sicher wisse, dass es losgehen könne. Thienel: „Das gilt auch für das Casting der Komparsen. Denn wenn wir konkrete Vorbereitungen beginnen, lösen wir erhebliche Produktionskosten aus.“ Die gesamten Produktionskosten für die Karl-May-Spiele liegen bei rund fünf Millionen Euro. Fast die Hälfte der Plätze müsste belegt werden dürfen: Wirtschaftlich brauchen die Karl-May-Spiele zum Einspielen der Produktionskosten etwa 200 000 verkaufte Karten. Bei 73 Vorstellungen sind das gut 2700 Gäste in jeder einzelnen Aufführung. „Erfahrungsgemäß kommen zu manchen Vorstellungen außerhalb der Ferien aber weniger Zuschauer. Um das auszugleichen, müssten wir von unseren 7700 Plätzen mindestens 3500 besetzen dürfen“, erklärt Thienel. Corona-Fall im Ensemble ist die größte Gefahr: Für Bad Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD), der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Kalkberg GmbH ist, sind die Zuschauerzahlen zudem nur das eine Problem. „Die Karl-May-Spiele sind nicht vergleichbar mit einer Veranstaltung wie dem Schleswig-Holstein Musik-Festival, bei dem viele kleine Konzerte verteilt über das Land stattfinden. Dort gibt es auch ein Risiko, aber das ist beherrschbar. Wenn dort jemand in einem Ensemble Corona hat, ist das zwar nicht einsatzfähig, aber die anderen Veranstaltungen gehen weiter.“ Aber was sei, wenn es zu einem Corona-Fall im Karl-May-Ensemble komme, wenn ein Darsteller plötzlich positiv getestet werde? Schönfeld: „Das ist für mich ein noch weitaus größeres Problem als die Frage, ob wir nur vor einem Drittel der Zuschauer antreten. Wir können die fünf Millionen Euro Produktionskosten ja nicht investieren – und dann können die Aufführungen plötzlich nicht stattfinden.“ Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Lockdown verlängert, Lockerungen beschlossen: Das gilt in SH ab 8. März Lockdown-Verlängerung bis 7. März: Das gilt jetzt in Schleswig-Holstein für Schule, Friseur, Einzelhandel Eingeschränkter Bewegungsradius: Das bedeutet eine 5- oder 15-Kilometer-Regelung Schleswig-Holstein kündigt weitere Lockerungen an Noch keine endgültige Entscheidung: Es gebe aber noch keine endgültige Entscheidung, betont auch Schönfeld. Ende März sei ein Aufsichtsratssitzung, da werde man sich weiter abstimmen. „Die Sorgen sind aber nicht kleiner geworden“, sagt Schönfeld. „Es würde aber eine Entscheidung leichter machen, wenn das Land uns vielleicht die wirtschaftlichen Risiken zumindest teilweise abnehmen würde.“ Großbetrieben sei ja auch geholfen worden, wenn man den Karl-May-Spielen ebenfalls helfen würde, wenn etwas schief gehe, wäre das natürlich ein Vorteil. Doch genau solche Zusagen gibt es bisher eben nicht. Den Karl-May-Spielen läuft die Zeit davon: Lange warten kann die Kalkberg GmbH aber auch nicht mehr. „Wir müssen bis Ende März oder allerspätestens Mitte April eine endgültige Entscheidung treffen. Ansonsten sind all die logistischen und personellen Vorbereitungen bis zur Premiere am 25. Juni nicht mehr zu schaffen“, sagt Geschäftsführerin Thienel. Für eine Entscheidung würden aber „keine vagen Versprechungen helfen, die später nicht eingehalten werden können. Oder Vorgaben, die rein theoretisch eine Öffnung erlauben, aber im Alltag nicht einzuhalten sind oder wirtschaftlich keinen Sinn ergeben. Das Risiko, den Betrieb eines Theaters an Inzidenzwerte zu koppeln, wäre auf alle Fälle gewaltig.“ Winnetou-Darsteller kritisiert Politik: Am Wochenende hatte bereits Winnetou-Darsteller Alexander Klaws auf Facebook von einem drohenden Ausfall der Karl-May-Spiele gesprochen und die Politik scharf kritisiert. Er forderte die Politiker auf dringend zu handeln. Es gehe „um eine komplette Region, die mehr oder weniger Pleite geht, weil ihr in der Nase bohrt, anstatt Konzepte anzubieten“, schrieb er verärgert. „Die Kritik an der Politik war ein persönliches Statement von Alexander Klaws. Er ist ein emotionaler Künstler, der seit Monaten nicht das tun kann, was er liebt und wofür er lebt: sein Publikum unterhalten“, sagte Ute Thienel zu dem Post und weiter: „Wir hoffen gemeinsam, dass die Politik dazu beiträgt, dass auch die Karl-May-Spiele diese Krise gut überstehen.“ Von Sven Wehde