Klaus Bittner holte im legendären Ruder-Achter von 1960 Gold

Da liegen sie auf den Wohnzimmertisch, die vielgeküssten Medaillen. Gold und Silber. Als er mit dem Ruder-Achter bei Olympischen Spielen Gold und später Silber holte, stand die Nation Kopf. Klaus Bittner, heute lebt er in Wittenborn bei Bad Segeberg, war als Jüngster in Rom 1960 und vier Jahre später in Japan dabei. Auch für ihn ist gerade jetzt Zeit, sich zu erinnern. Denn die Olympischen Sommerspiele werden in diesem Jahr vom 24. Juli bis 9. August 2020 in Tokio gefeiert. Dort, wo Bittner vor 56 Jahren Jahren Silber mit dem Ruder-Achter holte. Ein wahrer Sportler hört nie auf. Der fitte 81-Jährige trainiert noch heute alle drei Tage regelmäßig im Bad Segeberger im Vitalia Fitness-Studio Kraft und Ausdauer. Ernsthaft mit einem festen Programm an kräftezehrenden Geräten. Dieser Kraftsport sei „zielgerichtet“, sagt er heute. Zielgerichtet war auch seine Karriere beim Rudern. Blick zurück: Bittner war nicht nur in Tokio, sondern auch in Rom 1960 dabei. Im Ruder-Flaggschiff von Deutschland. Die Heimat erkämpfte sich als Demokratie und vor allem als Sportnation wieder weltweites Ansehen. 15 Jahre nach Kriegsende hatten internationale sportliche Erfolge einen größeren Stellenwert als heute. Am 3. September 1960 überschlug sich fast die begeisterte Stimme des Reporters, als Deutschland gegen die favorisierten US-Amerikaner in Rom den Schlussspurt „herauspeitschten“. Erst „eine halbe Länge – dreiviertel Länge – eine Länge – und Deutschland hat den Achter gewonnen. Gold für den deutschen Achter .“ Es war damals eine Sensation gegen die hochfavorisierten Amerikaner, die seit 40 Jahren immer als Sieger im Achter gesetzt waren. Karl Adam sah seine Jungs nicht als Rudersklaven: „Ich war in Rom einer der jüngsten Ruderer.“ Klaus Bittner, damals Student in Kiel, war aus Westfalen auch in den Norden gekommen, um in der Trainings-Schmiede des bewunderten Ruderprofessors Karl Adam dabei zu sein. Die Ruder-Recken gaben sich bei dem sagenhaften Trainer die Klinke in die Hand. Denn der Physik-Lehrer Adam kam aus der Leichtathletik, übertrug von dort Trainingsmethoden auf die 1,90-Hünen. Beim Rudern wurde bis dahin eher traditionsbewusst altbacken trainiert. Nun gab es zum Beispiel ein ausgeklügeltes Intervalltraining. Karl Adam habe zwar selbst nie gerudert, hatte aber als Trainer phänomenale Fähigkeiten. Bittner: „Er war eine Ausnahmeerscheinung, eher öffentlichkeitsscheu, ein Mensch der sein Wissen, seine Training-Rezepte mit der Konkurrenz teilte. „Er sah uns Sportler nicht als Rudersklaven, sondern als mitdenkende Athleten“, sagt Bittner rückblickend. „Wir waren nicht acht Freunde, eher eine Leistungsgemeinschaft im Boot.“ Adam scheuchte den Achter immer wieder über eine bestimmte Strecke, 500 Meter auf dem Ratzeburger See. Wichtig sei es gewesen, die Kraft richtig zu dosieren, das lernte man im Achter. Bittner: „Das Tempo, der Krafteinsatz, alles ist trainiert worden, 100-mal, 1000-mal. Man weiß bei jedem Rennen, dass es weh tut.“ Wenn ihr so weiter macht, könnt ihr gewinnen, versprach der Ruder-Papst immer wieder mit Blick auf die Stoppuhr. „So ein Achter ist wie ein Uhrwerk“, erfuhr Bittner damals. Nur mit kurzen Erholungspausen immer wieder und wieder. Mit Erfolg: Der Adam-Achter war in der Wettkampf-Saison so überlegen, dass er bei den Europameisterschaften 1959 mit drei Längen Vorsprung gewann. Und auf der ganz großen Bühne durchbrach der Achter die Siegesserie der US-Amerikaner, die seit 40 Jahren olympisches Gold gewonnen hatten. „Für mich waren die olympischen Spiele in Rom der absolute Traum. Die ganze Nation fieberte mit, denn der Ruderverband war damals gleich nach dem Fußball der zweitgrößte deutsche Verband. Der Lago Albano von Bergen umgeben, die Wasserfläche spiegelglatt. Es waren optimale Bedingungen. Die Amerikaner waren siegesgewohnt“, erinnert sich Bittner. Die Anfeuerungsrufe der 20 000 Zuschauer hat er noch im Ohr. Als die Männer nach dem Rennen völlig geschafft über ihren Riemen hingen und nach Luft schnappten, war die Sensation perfekt. Gold für den deutschen Achter! 1963 reiste der legendäre Achter in die USA und gewann dort alle Universitätsrennen. „Die Amerikaner hatten daran mächtig zu knabbern.“ Die Deutschen wurden sogar vom Präsidenten John F. Kennedy im Weißen Haus empfangen. „Ein einmaliges Erlebnis“, erinnert sich Bittner. Mit seinem Freunde Moritz von Groddeck ruderte Bittner im sonst völlig neuformierten Achter bei den Olympischen Spielen in Tokio 1964 weiter. Warum gab es dort „nur“ Silber? „Wir hatten die Amis im Vorlauf locker geschlagen. Beim Endlauf bekamen die Amerikaner die beste, windgeschützte Bahn direkt am Ufer.“ Da hatte es nicht gereicht. „Ich hatte mir etwas anderes vorgestellt in Tokio als Silber, aber so habe ich wenigstens zwei verschiedene Medaillen“, sagt Bittner schmunzelnd. Lupenreine Amateure im Boot: Er hörte nach den Olympischen Tokio auf, musste sich auf sein Studium konzentrieren und unterrichtete später am Städtischen Gymnasium. Heutzutage wäre es undenkbar, als erfolgreicher Athlet einfach mittendrin aufzuhören. Damals war es auch eine Existenzfrage: Man könne sich heute kaum noch vorstellen, wie es im Leistungssport zuging. Keine Unterstützung, kein bisschen Geld. „Wir waren reine Amateure, wir mussten betteln gehen, wenn etwas am Rennboot gemacht werden musste.“ Er ruderte später noch auf dem Großen Segeberger See, unterrichtete auch seine Schüler in Bad Segeberg im Rudern. Bei den Olympischen Spielen in Tokio wird Klaus Bittner per TV dabei sein, an seine Zeit im Achter zurückdenken und an den Mann mit der Schiebermütze, Karl Adam. Und er wird seinen Briefkasten in Wittenborn leeren und in ihm wieder viele Autogrammwünsche aus aller Welt finden. Ihm bleibe „das stolze Gefühl“, dabei gewesen zu sein. Von Wolfgang Glombik

Fit im Alter - Ruder-Legende Klaus Bittner gewann Gold in Rom und Silber in Tokio