Kreis Segeberg hat kein Mittel gegen volle Busse in der Corona-Pandemie

Kampf um einen Sitzplatz in dem einen Bus: An den Bushaltestellen am Bad Segeberger Zob wird von wartenden Schülern gedrängelt, als hätte es nie Corona gegeben. In den Bad Segeberger Schulen wird auf „Kohorten“ geachtet, auf Abstände und „Social Distancing“. Hier am Bad Segeberger Zob, Mittwoch 13 Uhr, ist davon nichts mehr zu spüren. Mehr als 300 000 Schüler und bis zu 30 000 Lehrer befinden sich derzeit nach Angaben des Deutschen Lehrerverbandes bundesweit in Quarantäne. Die Folge sind immer mehr Schulschließungen, veranlasst von örtlichen Gesundheitsämtern. Die Ida-Ehre-Schule mit rund 1300 Schülern und nun 55 infizierten Personen ist die erste Schule in Hamburg, die coronabedingt den Präsenzunterricht komplett einstellen musste. Pläne in den Schubladen für Kleingruppen-Unterricht: Es mehren sich jetzt die Stimmen, die angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen fordern, in Schulen nur noch kleinere Gruppen im Wechsel zu unterrichten. Damit könnte man leichter auch bei insgesamt steigenden Infektionszahlen den Präsenzunterricht aufrechterhalten. Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken forderte, die Schulen offen zu halten. Deswegen seien kleinere Gruppen „sinnvoll.“ Einige Schulen in Schleswig-Holstein bereiten sich nach LN-Informationen schon darauf vor, es gibt hier schon Pläne in den Schubladen, welche Schüler zu welcher Gruppe gehören. Doch wie würde das im Kreis Segeberg beim ÖPNV funktionieren? Selbst wenn die Schulen im Kreis täglichen Schicht-Präsenz-Unterricht mit kleinen Gruppen einführen würden, es dürfte schwierig sein, dafür den Schulbusverkehr in ländlichen Raum anzupassen, zumal auch ältere Fahrgäste mitfahren, die sich auf die Fahrpläne verließen. Irgendwelche Pläne dazu gibt es bei den ÖPNV-Planern nicht. Die Südwestholstein ÖPNV-Verwaltungsgemeinschaft der Kreise Dithmarschen, Pinneberg und Segeberg, (SVG) die im Auftrag des Kreises den öffentlichen Busverkehr organisiert, sei bislang nicht beauftragt worden, so etwas zu prüfen, teilt SVG-Sprecher Claudius Mozer den LN auf Anfrage mit. Schichtunterricht hätte die Herausforderung zur Folge, dass die Bus-Betreiberfirmen ihre Dienstpläne komplett umstellen müssten. In ganz Schleswig-Holstein sei „keine wesentliche Kapazitätssteigerung möglich“. Um zum Beispiel dafür zu sorgen, dass alle Fahrgäste den Corona-Abstand im Bus einhalten können, „würden wir viermal so viele Busse benötigen“, sagt Mozer. Das sei völlig utopisch. Wenn überhaupt, könnten „nur punktuelle Maßnahmen greifen“. „Flächendeckende Maßnahmen sind nicht drin.“ Im Kreis Stormarn werden mehr Busse eingesetzt: Anderorts versucht man es wenigstens punktuell: Anders als im Kreis Segeberg hat man in Stormarn auf hoch frequentierten Strecken inzwischen mehr Busse eingesetzt. Die zusätzlichen Kosten dafür hat der Kreis übernommen. Mozer indes fordert, hier landesweit koordiniert vorzugehen. Egal was die Schulen planten, sie sollten „die Fahrpläne im ÖPNV bei ihren Planungen berücksichtigen“, sagt er den LN. Viele Busfahrer sind in Kurzarbeit: Reisebusse stehen sich jetzt zwar reichlich auf den Höfen die Reifen platt, sie dürfen aber nicht ohne weiteres im Öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden, weil sie zum Beispiel nicht barrierefrei seien und vor allem nicht durch die verengten Dorfstraßen passten, berichtet Busunternehmer Marc Berg. „Wenn die Gemeinden Hindernisse auf die Wege bauen, kommen wir da mit unseren Reisebussen gar nicht durch.“ Der Chef der Bad Segeberger Firma „mit-Reisen“ hat 36 Busse, davon neun Reisebusse. Acht davon würden jetzt nur herumstehen, weil selbst Ausflugsfahrten der Schulen nicht genehmigt würden. Seine Fahrer seien teils in Kurzarbeit. Arne Hansen (Grüne), Vorsitzender des Kreis-Ausschusses für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, sieht keine Chance, dass man im ÖPNV die Abstände von 1,5 Metern einhalten kann. Es fehlten Busse und Fahrer für eine Entzerrung, „es sind nach meiner Kenntnis so gut wie keine freien Bus-Kapazitäten vorhanden“. Es gebe zwar eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts zur Halbierung der Klassen, dem folgten die Länder aber nicht, weil das unrealistisch sei. Konzepte mit einem sogenannten hybriden Wechselunterricht – abwechselnd im Präsenz- und im Fernunterricht – wären zwar hilfreich. Aber gleichzeitig wäre hier die Betreuung der Kinder zu Hause nicht mehr gewährleistet, wendet Arne Hansen ein. Und der ÖPNV könne bei wechselnden Schul-Schlusszeiten nicht reagieren. Hansen: „Unsere Beförderungskonzepte sind nicht Pandemie-geeignet.“ Busse häufiger pendeln zu lassen, könnte schon an den unbedingt einzuhaltenden Ruhezeiten der Busfahrer scheitern. Hansen gesteht aber trotz aller Bedenken ein: „Die Explosion der Coronazahlen ist eine neue Situation, die jetzt Schritte erfordert.“ Von Wolfgang Glombik