Kreis Segeberg nimmt fast 800 Fahrverbote zurück

Die Mitarbeiter des Kreises Segeberg sind während des Sommers nicht nur wegen hoher Temperaturen mächtig ins Schwitzen gekommen. Erst war der Infektionsschutz wegen der Corona-Krise nahezu im Dauereinsatz, dann erwischte es die Verkehrsbußgeldstelle. Nachdem Anfang Juli klar wurde, dass der erst im April verschärfte Bußgeldkatalog erstmal wieder einkassiert werden muss, weil Formfehler bei der Formulierung der Fahrverbotsregeln zu Klagen hätten führen können, stand die Abteilung im Kreishaus unter Stress. Arbeit von zwei Monaten wiederholen: „Die Bußgeldstelle musste quasi die Arbeit von rund zwei Monaten noch einmal prüfen, das sind bislang zirka 6900 Fälle“, sagt Kreissprecher Robert Tschuschke. Eben die Fälle der Personen, die nach dem Inkrafttreten der Änderung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften am 28. April und vor der Aufhebung am 3. Juli zum Beispiel wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt wurden. Nicht alle Entscheidungen seien von der Neuregelung betroffen gewesen, aber die Bußgeldstelle habe die Fälle eben genauer anschauen müssen. „Betroffen waren am Ende rund 3500 Personen“, sagt Tschuschke. Rechtskräftige Bußgeldbescheide und bezahlte Verwarnungsgeldangebote seien laut Bundesentscheidung von der Bußgeldstelle jedoch nicht neu bewertet worden. „Nur in laufenden, also noch nicht rechtskräftigen Verfahren gab es neue Entscheidungen“, erklärt der Kreissprecher. Daher konnte es auch nur bei einer korrigierten Entscheidung der Bußgeldstelle in laufenden Verfahren zu einer Rückzahlung der zu viel gezahlten Beträge kommen. „Bisher wurden insgesamt zirka 30 000 Euro an Überzahlungen erstattet“, sagt Tschuschke. Ein Bußgeldbescheid ist immer erst 14 Tage nach der Zustellung rechtskräftig, da erst dann die Einspruchsfrist endet. Der Kreis Segeberg versucht gemeinsam mit der Polizei, stichprobenartig die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten bezogen auf das gesamte Kreisgebiet zu überwachen. Hauptmesspunkte gibt es nicht. Insgesamt existieren zirka 300 Messpunkte, an denen bisher Geschwindigkeitskontrollen stattgefunden haben. Dabei betreibt der Kreis gemeinsam mit der Polizei aktuell zwei mobile Messanlagen sowie sechs feste Messplätze. Mitarbeiter arbeiteten zusätzlich: Während andere Kreise noch unter Hochdruck an der Überarbeitung der Bescheide sitzen, um eine Verjährung der Bußgelder zu verhindern, die immer nach drei Monaten eintritt, ist man in Segeberg weitgehend durch mit der Arbeit. „Die geänderten Entscheidungen sollten die Betroffenen bereits erreicht haben“, teilt der Kreissprecher mit. Für die derzeit neun Sachbearbeiter in der Verkehrsbußgeldstelle bedeutete das viel Arbeit. „Die Zahl der Mitarbeiter wurde aufgrund der Kurzfristigkeit nicht aufgestockt, sondern die Zusatzarbeit wurde unter besonderem Einsatz aller Kollegen bewältigt“, sagt Tschuschke. Fast 800 Fahrverbote rückgängig gemacht: Belohnt wurde das mit etwas, was es in der Bußgeldstelle selten gibt: glückliche Bürger. „Die Betroffenen waren überwiegend dankbar, wenn die Rechtsfolge für sie weniger einschneidend ausgefallen ist“, berichtet Tschuschke. Viele konnten sich sogar richtig glücklich schätzen. Nach der neuen Regelung hätte es im Mai und Juni eigentlich 876 Fahrverbote geben müssen. „Nach Überprüfung der Vorgänge blieben nur noch 89 Fahrverbote übrig. 25 Führerscheine wurden in laufenden Verfahren an Betroffene zurückgesandt. Insgesamt 50 Fahrverbote wurden im Gnadenweg durch das Verkehrsministerium erlassen“, sagt Tschuschke. Von Sven Wehde