Kriminalfälle, Prozesse und Unfälle in Segeberg 2020

Mit der umfassenden polizeilichen Kriminalstatistik ist üblicherweise im kommenden Frühjahr zu rechnen. Doch wir werfen schon mal einen Blick zurück. Betrug, Panzerknacker oder versuchter Mord, schwere Brandstiftung, SEK-Einsätze und Schlägereien: Obwohl Bad Segebergs Polizei für 2020 insgesamt mit weniger Straftaten rechnet, tat die Pandemie der Arbeit von Sicherheitsbeamten und Gerichten, Behörden und Institutionen keinen Abbruch. Zu tun gab es weiterhin, trotz Hygienekonzepten allerorten. Urteile, Unglücke, Kriminalfälle: das passierte 2020: „Gerade nach dem Frühjahrs-Lockdown waren wir gefordert, den inneren Dienstbetrieb umzustellen, um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Und damit wir innerhalb der Polizeidirektion Bad Segeberg funktionsfähig und einsatzbereit bleiben“, sagt beispielsweise Polizeisprecher Lars Brockmann. Neben den üblichen Maßnahmen wurden Kohorten gebildet; spezielle Stufenkonzepte gewährleisten, dass keine Dienststellen ausfallen. Diese Vorfälle stechen in der Region Segeberg 2020 besonders heraus: Im Januar werden mehrere Personen vom Vorwurf freigesprochen, für den Tod des sechsjährigen Yad bei einem Kita-Ausflug im Bad Bramstedter Freibad verantwortlich zu sein. Für die Richter war nicht nachweisbar, dass Erzieherinnen und Bademeister ihre Aufsichtspflicht verletzt hatten. Die Nebenkläger gehen in Berufung, der Prozess muss offenbar erneut aufgerollt werden. Der Junge war 2016 im Nichtschwimmerbereich ertrunken. Im Februar wird eine Mutter wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Sie hatte ihren gewalttätigen Lebensgefährten in Schmalfeld mit einem Messerstich tödlich verletzt. Das Kieler Landgericht wertete den blutigen Vorfall vor zwei Jahren als Notwehr. Unbekannte versprühen Reizgas in der Poul-Due-Jensen-Gemeinschaftsschule in Wahlstedt. Gut 30 Schüler und Lehrkräfte klagen über Husten und Kopfschmerzen. Der Rettungsdienst ist mit 17 Fahrzeugen vor Ort. Intensive Ermittlungen: SEK stürmt Wohnungen: Im März stürmen Spezialeinsatzkommandos der Polizei Wohnungen in Bad Segeberg, Sülfeld und anderen Orten im Bundesgebiet. Ermittler in Flensburg wollen prüfen, ob es Verbindungen der rechtsextremen Vereinigung „Aryan Circle“ zu anderen rechtsextremen Gewalttätern oder gar Rechtsterroristen in Deutschland gibt. Im April wird ein 23-jähriger Neonazi nach einem medienträchtigen Prozess im Amtsgericht Neumünster wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und anderen Taten zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt. Er hatte 2019 einen Gesinnungsgenossen mit Stiefeltritten gegen den Kopf traktiert und Sülfelder Anwohner angegriffen, die Aufkleber des „Aryan Circle“ entfernten. Initiativen warnen später jedoch vor trügerischer Ruhe. In Högersdorf brennt ein Flüchtlingsheim. Brandstifter ist ein Bewohner der Unterkunft; der junge Afghane wird im Dezember zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Mai liefern sich in der Landesunterkunft in Boostedt zwei Flüchtlinge eine folgenschwere Auseinandersetzung. Beim Streit sticht ein Georgier auf einen Iraker ein. Ermittelt wird wegen des Verdachts des versuchten Totschlags. Im Juni wird ein 43-Jähriger wegen versuchten Mordes, Vergewaltigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er hatte eine Lübecker Studentin 2019 in seinen Transporter gezerrt, sie bei Mönkhagen vergewaltigt und gefesselt zurückgelassen. Im gleichen Monat wird der Veranstalter des geplatzten „Spring-Breaks“ verhaftet. Ein Jahr nach der kurzfristigen Absage des Festivals in Bornhöved lautet der Vorwurf: gewerbsmäßiger Betrug. Ganze Reihe von Automaten wird gesprengt: In der Eutiner Straße in Bad Segeberg kommt es zu einer merkwürdigen Keilerei zwischen rund einem Dutzend Männern. An der Ecke Marienstraße gibt es an verschiedenen Stellen Rangeleien, die Polizei spricht Platzverweise aus. In zwei Bankfilialen werden Geldautomaten in die Luft gejagt. Zuerst in Wahlstedt, die Täter entkommen. Wenig später in Kaltenkirchen, zwei Täter verlieren rund 230 000 Euro auf der Flucht. Ein 26-jähriger Niederländer wird im Dezember zu rund drei Jahren Haft verurteilt. Im Sommer fasst das BKA zudem die mutmaßlichen Postbank-Automatensprenger von Bad Segeberg. Die Tat ereignete sich ein Jahr zuvor, die Beute war mit 390 Euro gering. Im Sommer wurde zudem ein Geldautomat in Bad Bramstedt – zwei mutmaßliche Bankräuber wurden verhaftet – sowie im September ein Fahrkartenautomat in Bad Segeberg gesprengt. Im Juli schnappt die Polizei den Kern einer äußerst gewaltbereiten Jugendgang. Die jungen Männer hatten im Stadtgebiet jahrelang Bürger schikaniert sowie durch Drohungen und Prügel für Schrecken gesorgt. Drei von ihnen wandern ins Gefängnis. Im November nimmt die Kripo zudem zwei weitere junge Intensivtäter fest. Der Verdacht: räuberische Erpressung von vier Jugendlichen in Wahlstedt. Offenbar gehörten die beiden auch zur Jugendgang. Im Sommer kommt es zu mehreren groß angelegten Suchaktionen im Bezug auf den vermissten Baris Karabulut. Ermittler vermuten, dass der junge Mann aus Bad Bramstedt ermordet wurde. Eine Leiche wird nicht gefunden. Im August warnt die Polizei zunehmend vor Taschendieben im Kreisgebiet. Teils mehrere Fälle pro Tag werden angezeigt, bis in den November summieren sich die Taten auf 250. Betrüger erbeuten mit dem Enkeltrick 55 000 Euro von Senioren in Itzstedt. Nur Tage später verliert eine 80-jährige Norderstedterin mit der gleichen Masche 15 000 Euro an Unbekannte. Kurz darauf werden in Norderstedt Enkeltrick und Polizeitrick kombiniert. Eine 93-Jährige fiel aber nicht darauf herein. Senioren am Steuer: Urteile sorgen für großes Medieninteresse: Ebenfalls im August wird eine 79-jährige Segebergerin wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt. Ihren Führerschein bekommt sie später zurück. Sie hatte 2019 in Bornhöved zwei E-Biker übersehen, die bei dem Unfall starben. Die Polizei zieht einen besonders aggressiven BMW-Fahrer aus dem Straßenverkehr: Auf der Autobahn 21 zwischen Nettelsee und Schwissel bedroht der 28-Jährige Bad Segeberger beim Überholmanöver einen anderen Fahrer mit einer Schusswaffe. Die Polizei findet später eine Schreckschusswaffe und einen Fahrer unter Drogen. Die Folge: eine ganze Reihe von Strafverfahren. Im Oktober werden bei einer Anti-AfD-Demo in Henstedt-Ulzburg drei Demonstranten von einem Auto angefahren und verletzt. Der Staatsschutz ermittelt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Demonstranten vermuten eine rassistisch motivierte Tat, da eine der Verletzten eine schwarze Frau ist. Es ereignet sich ein besonders tragischer Unfall. Auf der B432 zwischen Leezen und Mözen kommt ein Auto von der Fahrbahn ab und wird in einen Linienbus geschleudert. Dabei kommt eine 16-jährige Schülerin ums Leben. Gegen einen 20-Jährigen wird unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Unfallflucht ermittelt. Eine Zugbegleiterin der Nordbahn wird von einem Fahrgast bepöbelt und bedroht. Ein Großaufgebot von Landes- und Bundespolizei ist im Einsatz – zunächst erfolglos. Im November fasst die Polizei einen 78-Jährigen, der als „Autokratzer“ in der Großen Seestraße für Wirbel gesorgt hatte. Ein Foto verbreitet sich im Internet wie ein Lauffeuer. Der Mann gesteht jedoch nur die jüngste Sachbeschädigung. Bereits seit Monaten wurden Autos in der Straße zerkratzt. Ein Segeberger Zollbeamter wird unter anderem wegen Nötigung und Unfallflucht zu einer Geldstrafe von 6400 Euro verurteilt. Er hatte sich ein Jahr zuvor sowie wiederholt im Straßenverkehr rüpelhaft verhalten – und war den Führerschein los. Im Dezember wird ein 86-jähriger Segeberger wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 23 400 Euro verurteilt. Auch er darf seinen Führerschein behalten. Er hatte 2019 mit seinem SUV in Kisdorf eine Elfjährige tödlich verletzt. Von Irene Burow