Mobilfunk 5G in Bad Segeberg: Fledermäuse in Gefahr?

Schnelles WLan, große Datenmengen, daddeln wo immer es geht: Kaum jemand möchte die Verbindung zum Internet missen. Mobilfunkanbieter treiben deshalb derzeit den Netzausbau der fünften Generation, kurz 5G, massiv voran. So auch im Kreis Segeberg. In der Kreisstadt will Baubiologin Ilka Otto das zumindest nicht unkommentiert lassen. Sie hat eine Petition auf den Weg gebracht, in der sie ihre Sorge um Segebergs sensible Fledermäuse und die Umwelt insgesamt zum Ausdruck bringt. „Die Auswirkungen sind nicht ansatzweise abschätzbar, gerade auch für unsere so seltenen Fledermäuse in der europaweit einzigartigen Kalkberghöhle in Bad Segeberg“, sagt die Diplom-Ingenieurin für Umweltbau. „Diese empfindlichen Tierchen sollen bitte nicht einer dauerhaften Zwangsbestrahlung zum Opfer fallen“, heißt es in der Begründung der Petition. Sie sieht Mensch und Tier einem großen Feldversuch ausgesetzt. „Im süddeutschen Raum wird das viel kritischer gesehen, wir im Norden schlafen noch ein bisschen“, sagt Ilka Otto. Immerhin 1270 Stimmen hat ihre Beschwerde bundesweit eingesammelt. Was ist dran an den Sorgen? Wer das Thema im Bereich Verschwörungstheorie verordne, mache es sich zu leicht, findet sie. „Wir sind ganz normale Menschen und möchten mit Humbug nichts zu tun haben“, so Otto, die beruflich mit Messungen im Baubereich befasst ist. Elektromagnetische Strahlung durch die Technologie ist unbestritten, denn nur so funktioniert der Datenaustausch. Völlig abwegig sind die Befürchtungen also nicht: Nicht umsonst werden die Werte von Mobilfunkantennen genau überwacht und die Standorte mit Sicherheitsabständen versehen. Nicht umsonst hält das Thema weltweit die Forschung auf Trab. Konkrete Zusammenhänge im Bezug auf die menschliche Gesundheit, vor allem in der Krebsforschung, konnten in Studien bisher aber nicht eindeutig bewiesen werden. Das geht aus umfangreichen Faktenchecks der Stiftung Warentest oder des Wissenschaftsmagazins „Quarks“ hervor. Langfristige Studien zu 5G fehlen: Entsprechend ist ein solches Krankheitsbild „noch nicht im Alltag angekommen. Das bewegt sich im Forschungsbereich“, heißt es etwa von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein mit Sitz in Bad Segeberg. „Es liegen uns keine Kenntnisse über Krankheiten im Zusammenhang mit 5G vor“, sagt auch Jörg Lewe, Sprecher der Krankenkasse AOK Nordwest. Wissenschaftler und Ärzte warnen allerdings immer mal wieder. Denn klar ist: Langfristige Studien zum 5G-Netz fehlen. Das kritisiert auch Ilka Otto aus Bad Segeberg: „Normalerweise wird erst geforscht und dann gehandelt, in diesem Fall ist es umgekehrt.“ Was die 5G-Gegner vor allem umtreibt, ist die Vielzahl an neuen Masten. Die Technik nutzt höhere Frequenzen. Dabei gilt: Je höher die Frequenz, desto geringer ist die Reichweite. Es sind also viel mehr Standorte notwendig, damit flächendeckend mit Turbogeschwindigkeit gesurft werden kann. Fledermäuse in Kalkberghöhle vermutlich abgeschirmt: Die Auswirkungen auf die sensiblen Fledermäuse in Bad Segeberg dürften sich in Grenzen halten. „Im abgeschotteten Raum der Kalkberg-Höhle sind sie vermutlich sehr sicher“, sagt Matthias Göttsche. Er ist seit vielen Jahren für das Fledermaus-Monitoring in Schleswig-Holstein verantwortlich. „Ich wage zu bezweifeln, dass man dort überhaupt Handyempfang hätte.“ Bleiben die Flugwege: Ganz ausschließen will er Auswirkungen daher nicht. Dafür lasse sich die Technik noch zu schwer einschätzen. Früher sei bereits die Frage aufgetreten, ob Funkmasten auf Kirchtürmen Kolonien stören könnten. Das sei nur deshalb verworfen worden, weil stattdessen Masten entstanden. „Die Diskussion ist gut und Hinweise dazu nicht verkehrt“, sagt Göttsche. Das hätten Erfahrungen mit der Röntgen- und UV-Strahlung in der Vergangenheit gezeigt. „Bei der Windkraft haben wir auch unterschätzt, wie viele Fledermäuse dadurch verunfallen.“ Verbraucherzentrale gibt Tipps: Es gebe genug weitere Gefahren, die man für die Tierchen unterschätzt. Zum Beispiel die neue Beleuchtung, die in Bad Segebergs Innenstadt kommen soll. „Sie brauchen vor allem unbesiedelte Flächen und Dunkelräume“, so der Fledermaus-Fachmann. Es gebe nur noch kleinste Korridore zum Kalkberg. Allerdings seien beim Thema 5G, wenn überhaupt, alle Lebewesen zu betrachten, nicht nur die streng geschützten Fledermäuse. Die Petition von Ilka Otto wird wohl keine Aussicht auf Erfolg haben, schätzt sie. Dafür hätten sich zu wenige Personen direkt aus Bad Segeberg beteiligt. Sie will sich dennoch ans Rathaus wenden. Und sie ist mit den Sorgen keineswegs allein: Aktuell läuft eine weitere 5G-Petition, die sich direkt an die Bundesregierung richtet. Mit knapp 22 000 Befürwortern ist fast die Hälfte der nötigen Stimmen zusammen. Sie läuft noch fünf Wochen. Stärkste Strahlung haben Handys nah am Körper: Die Verbraucherzentrale weiß um die Ängste vor gesundheitlichen Auswirkungen und hat bereits reagiert: „Mit 5G ändert sich an der Strahlenbelastung zunächst wenig: Die genutzten Mobilfunkfrequenzen sind größtenteils dieselben wie für 4G“, erklärt sie. Die Strahlungsleistung von Antennen werde genau überwacht. „Die stärkste Strahlung geht von nah am Körper genutzten Smartphones aus: Egal ob während der Nutzung am Ohr, in der Hand oder dem Tragen in der Hosentasche. Hier gilt der Grundsatz: Verdoppelt man den Abstand, so verringert sich die Strahlung auf ein Viertel.“ Ilka Otto hat für sich und ihre Familie jedenfalls Maßnahmen ergriffen. Sie surft nur noch über Kabel und hat spezielle Farbe in ihrem Haus verwendet. Die Messergebnisse hätten sich verbessert, sagt sie. Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit, vor allem aber Schlafstörungen und Müdigkeit, seien weniger geworden. Von Irene Burow