Nach Corona-Ausbruch und -Impfung kaum Symptome in Itzstedter Altenheim

Bereits einmal sorgte das Altenheim „Haus Itzstedt“ bundesweit für Aufsehen. Im September hatte man einer Mitarbeiterin gekündigt, weil sie bei einer Demonstration gegen die Corona-Auflagen in Berlin war, sich danach krank meldete, jedoch keinen Corona-Test machen wollte. Die stellvertretende Heimleiterin Christiane Warneke wollte die Bewohner so vor einem Corona-Ausbruch schützen. Jetzt hat es das Alten- und Pflegeheim aber doch noch getroffen. 25 Bewohner und acht Mitarbeiter wurden am vergangenen Freitag positiv auf das Virus getestet. Allerdings steht der Ausbruch unter ganz anderen Vorzeichen, als bei anderen Heimen in den Monaten zuvor. Denn am Sonnabend, 9. Januar, also wenige Tage vor dem Ausbruch, war das mobile Impfteam zu Besuch und impfte sämtliche Bewohner und elf der Mitarbeiter. Acht Mitarbeiter des Seniorenheims „Haus Itzstedt“ sind positiv getestet und sofort in Quarantäne geschickt worden. „Wir anderen dürfen zur Arbeit, aber sobald jemand nur ein bisschen Erkältungssymptome hat, wird er auch unter Quarantäne gestellt“, berichtet Christiane Warneke, die Leiterin des Heims. Bisher geht es allen Mitarbeitern aber gut. Doch durch den Corona-Ausbruch herrscht jetzt akuter Personalmangel in dem Heim. „Die Leute fahren schon Doppelschichten, aber wie lange sollen die das durchhalten. Vielleicht kriege wir irgendwann Unterstützung von der Bundeswehr, aber die kann ich ja nicht in der Pflege einsetzen. Ich brauche Mitarbeiter am Bett“, sagt Warneke. Wer Erfahrung in der Pflege hat und kurzfristig einspringen kann, soll sich gerne in dem Seniorenheim unter Telefon 045 35/51 510 melden. Warneke: „Wir freuen uns über jede Hilfe und haben auch alles an Schutzausrüstung hier, was man braucht.“ Positiver Mitarbeiter bei Schnelltest entdeckt: Am Dienstag nach der Impfung wurden in dem Heim Schnelltests bei den Mitarbeitern gemacht. „Das machen wir immer mal wieder zwischendurch oder wenn jemand von der Zeitarbeit oder der Krankengymnastik zu Besuch war“, berichtet Warneke. Doch diesmal war etwas anders: ein Test bei einem Mitarbeiter war positiv. Der Mitarbeiter verließ das Heim sofort und ließ von einem Arzt noch einen richtigen PCR-Test machen. Am nächsten Tag kam dann die Bestätigung: der Mitarbeiter ist tatsächlich positiv. „Wir haben dann gleich bei allen Bewohnern Schnelltests gemacht, da waren schon drei positiv“, erinnert sich Warneke. Am späten Freitagabend sei dann das Gesundheitsamt gekommen und habe alle Bewohner und Mitarbeiter getestet. „Das Ergebnis haben wir dann Sonnabend bekommen, es war gruselig. 33 Tests waren positiv.“ Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Alle Bewohner haben nur leichte oder gar keine Symptome: Die Heimleiterin dachte sofort an all die anderen schrecklichen Ausbrüche in Seniorenheimen mit vielen Todesfällen. Doch in den Tagen nach den Tests blieb alles ruhig. „Zum Glück haben wir nur ganz wenige Bewohner mit ein bisschen Symptomen, aber es geht allen gut“, sagt Warneke und weiter: „Würde ich das Ergebnis der Tests nicht kennen, würde ich denken wir haben hier kein Corona.“ Und nun hoffen natürlich alle im Heim, dass dieser bisher ungewöhnlich milde Verlauf so weitergeht. Und bisher sieht es ganz danach aus. Am Dienstagabend bestätigte auch das Gesundheitsamt des Kreises: „90 Prozent der Infizierten im Haus Itzstedt sind bisher asymptomatisch, die übrigen zehn Prozent zeigen leichte Symptome.“ Impfung kann nicht zu falschem Testergebnis führen: Der Corona-Ausbruch im Haus Itzstedt wirft damit Fragen auf, die eine wichtige Rolle bei der Impfung in den Seniorenheimen spielen. Könnte es zum Beispiel sein, dass die Verläufe in dem Heim deshalb bisher so mild sind, weil die Schnelltests und PCR-Tests gar nicht auf eine echte Erkrankung, sondern auf die Impfung reagiert haben? „Genau diese Frage haben wir gerade erst bei einem ähnlichen Fall in Kiel dem Robert-Koch-Institut (RKI) gestellt“, berichtet Dr. Hans-Joachim Commentz, Pandemiebeauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Das RKI habe das nicht hundertprozentig ausgeschlossen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Tests durch eine Impfung falsch positiv werden, als sehr, sehr gering bezeichnet. Den selben Standpunkt vertritt auch der Infektiologe Prof. Jan Rupp vom UKSH in Lübeck. Er glaubt nicht, dass bei Impflingen aufgrund der Impfung ein PCR-Test positiv ausfallen kann, unter anderem, weil „ sich die geimpfte RNA nicht im Nasenrachenraum vervielfältigt, sondern sie führt primär am Ort der Impfung zur Aktivierung des Immunsystems – und die geimpfte RNA geht außerhalb von Zellen sehr rasch zugrunde.“ Erste Impfung bringt ersten Schutz: Viel wahrscheinlicher ist, dass die Menschen im Haus Itzstedt riesiges Glück hatten, dass wenige Tage zuvor das mobile Impfteam vor Ort war. Zwar muss insgesamt zwei Mal geimpft werden, „aber wir rechnen damit, dass die Senioren auch von der ersten Impfung schon profitieren und dann vielleicht zwar an Covid-19 erkranken, die Krankheit aber deutlich milder durchleben“, sagt Commentz. Rupp verweist auf eine Empfehlung des RKI, die diese Hoffnung nährt. Zwar erwarte man Studien zufolge einen ersten Effekt der Impfung nach sieben bis 14 Tagen, „aber auch das RKI empfiehlt auf Covid-Impfungen nicht zu verzichten, wenn ein Ausbruch in Pflegeheimen ganz am Anfang steht, da möglicherweise der Krankheitsverlauf auch mit einer noch geringen Immunantwort positiv beeinflusst wird und mildere Verläufe resultieren.“ Wie sich der Ausbruch im Haus Itzstedt wirklich entwickelt, werden aber erst die nächsten Tage zeigen, da das Geschehen ja noch am Anfang steht. Über weitere Impfung wird noch entschieden: Die zweite Impfung in dem Heim wird vermutlich ebenfalls durchgeführt, allerdings eventuell mit Ausnahmen. Vorab wird es dazu eine Rücksprache zwischen KVSH und Gesundheitsamt geben. „Wenn jemand schwer symptomatisch ist oder ganz frisch fiebert, wird nicht geimpft“, sagt Commentz. Rupp setzt ebenfalls auf eine individuelle Beurteilung: „Das muss für jeden Bewohner einzeln geprüft werden. Bei Personen, die gerade jetzt akut infiziert sind, sollte die Impfung verschoben werden, bei Bewohnern ohne Hinweis auf eine akute Infektion beziehungsweise einen positiven Test spricht nichts dagegen die Impfung durchzuführen.“ Von Sven Wehde