Nach Kündigung: Altenheim in Itzstedt wird von Corona-Leugnern beschimpft

Es klingelt. Andauernd. Christiane Warneke, die stellvertretende Heimleitung des Alten- und Pflegeheims „Haus Itzstedt“ kommt kaum noch weg vom Telefon. Warneke und das Heim in dem kleinen Ort Itzstedt stehen seit zwei Tagen im Blickpunkt der Öffentlichkeit, denn Warnekes Name steht unter einer Kündigung, die am Dienstag für großes Aufsehen sorgte und in den sozialen Medien vielfach diskutiert wurde. Die Heimleiterin hatte einer Mitarbeiterin fristlos gekündigt, die sich am Montag krank gemeldet hatte. Die Reinigungskraft war zuvor am Wochenende auf der Berliner Demonstration gegen die Corona-Auflagen der Bundesregierung gewesen – und verweigerte jetzt einen Corona-Test. Beschimpfungen am Telefon: Als Warneke vor die Tür des Pflegeheims für 65 Bewohner tritt, atmet sie einmal kräftig durch. „Wir sind von den Reaktionen total überrollt worden“, sagt die stellvertretende Heimleiterin. Leider seien die Anrufe nicht nur positiv gewesen. „Gestern hatten wir wirklich Angst und wussten nicht, was passiert“, sagt Warneke, ständig habe das Telefon geklingelt. „Wir wurden beschimpft, Anrufer behaupteten, es gebe gar kein Corona.“ Später sei man gar nicht mehr ans Telefon gegangen, wenn jemand mit unterdrückter Nummer angerufen habe. „Wir wussten auch nicht, wohin das alles führt, ob vielleicht noch das Haus beschmiert wird. Wir haben dann die Polizei gerufen und sie gebeten, häufiger mal bei uns vorbeizufahren“, berichtet die Chefin. Die Nachtwachen seien lieber ohne Auto gekommen, aus Angst, die Wagen könnten beschädigt werden. „Zu Hause habe ich angerufen, dass niemand die Tür aufmacht“, sagt Warneke, denn die Kündigung war in den sozialen Medien vielfach gepostet worden, allerdings ohne den Namen der Heimleitung unkenntlich zu machen. Mittlerweile überwiege jedoch die Unterstützung. Gerade habe eine ältere Dame von Fehmarn angerufen und gesagt, dass sie die Entscheidung sehr gut finde. Auch Angehörige meldeten sich. „Und sogar der Bürgermeister hat vorbeigeschaut, um zu sehen, ob alles okay ist“, berichtet Warneke. Die Bewohner halte man raus. „Das würde sie überfordern.“ Mitarbeiterin war vorher nicht auffällig: Die Reinigungskraft war vorher nie als Gegnerin der Corona-Auflagen aufgefallen, sie war allerdings auch erst seit vier Monaten in dem Heim tätig. „Sie war noch in der Probezeit. Eigentlich sind wir sehr gut klar gekommen. Sie arbeitete gut“, sagt Warneke. Dann habe die Frau gefragt, ob sie den Wochenenddienst tauschen könne, weil ihr Mann „etwas Tolles mit ihr vorhabe“. Später hätten dann Kollegen berichtet, dass die Mitarbeiterin offenbar auf der Demo gewesen sei, und das auch auf Facebook gepostet habe. Am Montag habe sie sich dann mit einer Erkältung krank gemeldet. „Ich habe gesagt: ,Hast du denn einen Test gemacht, du warst ja auch bei der Demo in Berlin’“, berichtet die Heimleiterin. Daraufhin habe ihr die Mitarbeiterin gesagt, dass sie keinen Test machen werde. „Das konnte ich nicht akzeptieren. Wir arbeiten hier in einem sehr sensiblen Bereich. Wenn hier jemand krank ist, ist es selbstverständlich, dass er einen Corona-Test macht“, berichtet Warneke. Selbst Bewohner würden getestet. Tatsächlich enden Corona-Ausbrüche in Seniorenheimen oft dramatisch, da dort viele Risikopatienten wohnen. So waren zuletzt bei einem Ausbruch in einem Heim in Wentorf drei Senioren gestorben. „Jeder ist selbstverständlich frei, zu einer Demo zu gehen. Hätte sie einen Corona-Test gemacht, hätte ich ihr nicht gekündigt. Obwohl ich finde, dass jemand mit einer solchen Einstellung vielleicht besser nicht in einem Pflegeheim arbeiten sollte“, stellt Warneke klar. Eine Kündigung aus dem Bauch heraus: Arbeitsrechtlich ist die Kündigung umstritten, ob sie vor einem Arbeitsgericht bestand hätte, ist also unklar. Die Entscheidung zu der fristlosen Kündigung hat Warneke „aus dem Bauch heraus gefällt“, ohne rechtliche Prüfung. „Wir wollten ein Zeichen setzen und damit zeigen, dass wir unsere Bewohner schützen.“ Ob es zu einer Klage kommt, weiß Warneke nicht. Sie hat noch nichts wieder von der Mitarbeiterin gehört. „Ich weiß aber, dass die Pflegekräfte und Mitarbeiter alle hinter mir stehen. Und das freut mich sehr. Wir schaffen das.“ Von Sven Wehde