Nahe und Itzstedt: Bürgerentscheid zu Fusion

Politiker von Nahe und Itzstedt wollen diese wichtige Entscheidung nicht allein treffen. Selbst als gewählte Vertreter der Bevölkerung nicht: Ob die beiden Gemeinden fusionieren, dazu wird es einen Bürgerentscheid geben. Das haben beide Gemeindevertretungen in den vergangenen Tagen beschlossen – jeweils einstimmig. Die Abstimmung soll gleichzeitig mit der Bundestagswahl im Herbst 2021 stattfinden. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Über eine Fusion wird schon seit Jahren gesprochen. „Darüber müsste letztendlich ein Bürgerentscheid befinden“: Das sagte Peter Reese (CDU), ehemaliger Bürgermeister von Itzstedt, schon im Jahr 2015. Jetzt wird es Realität. Nachfolger Helmut Thran (SPD) spricht von einer „epochalen Entscheidung“. Mit einem Bürgerentscheid werde die Wahl an den mündigen Bürger zurückgegeben. „Wir haben nicht entschieden, ob wir die Fusion wollen, sondern dass wir den Entscheid wollen“, reagiert er auf mögliche Missverständnisse. Denn die Fusion birgt eine Menge Sprengstoff. Vorteile durch Fusion: mehr Geld, weniger Kosten: Beide Orte liegen nur einen Kilometer auseinander. Und die Zahlen der Einwohner von rund 2300 beziehungsweise 2400 wachsen ohnehin. Warum nicht auch zusammen? Ziel dieser Hochzeit wäre es, raumplanerisch zum Unterzentrum hochgestuft zu werden. Die Vorteile: Die Schlüsselzuweisungen, also die Gemeindefinanzierung des Landes, würden steigen. Die Summe von jetzt rund 420 000 Euro würde sich verdoppeln. Der Verwaltungsaufwand wäre kleiner, zum Beispiel durch weniger politische Sitzungen. Für bestimmte Projekte könnten Synergien genutzt werden. Denn wenn sich beide Gemeinden aktuell uneins sind, geht es mit mancher Idee nicht vorwärts. Dazu gehört etwa die Endlos-Debatte über einen gemeinsamen Bauhof oder Kita-Zweckverband. Identische Beschlüsse waren bisher nicht herbeizuführen. Fazit: Es könnte mit mehr Geld, gleichzeitig mit weniger Aufwand und Kosten gearbeitet werden. Herausforderung: aus zwei mach eins: Wohl schneller sichtbar werden für die Bürger jedoch die Nachteile. Etwa wenn der Straßenname vor der Tür geändert werden muss, weil er doppelt vorkommt. Das wäre für die Hauptverkehrsader Segeberger Straße der Fall. Auch ein neuer Ortsname muss her, wie etwa Itzstedt-Nahe – oder doch umgekehrt? Was wird aus den beiden Feuerwehren? Und wer räumt freiwillig seinen Posten als Mandatsträger? Denn die Zahl der Plätze der künftigen Gemeindevertretung würde sinken. Gibt es jetzt jeweils 13 Plätze, gäbe es nur noch 17 oder 19 Sitze – je nach Einwohnerzahl. Und wer wird hauptamtlicher Bürgermeister der Großgemeinde? Der Itzstedter Bürgermeister Helmut Thran rechnet mit Widerstand. Der letzte Bürgerentscheid ist noch nicht lange her: Für eine Menge Zoff hatte vor vier Jahren die Zukunft von Juhls Gasthof gesorgt. „Die Emotionen sind zu bedenken. Damals war eine rege Gegnerschaft sehr aktiv. Das wird vermutlich wieder passieren“, sagt Thran. Er befürchtet gar, dass das Restaurant erneut zum Streitthema werden könnte. „Ich habe aber großes Vertrauen, dass die Mehrheit der Bürger die Vorteile sieht.“ Für die Abwicklung des Bürgerentscheids ist die Amtsverwaltung Itzstedt zuständig. Sie wird nun mit der Kommunalaufsicht des Kreises in Verbindung treten, damit alle nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. Doch bis es so weit ist, geht noch ein Jahr ins Land. Die Gemeinden werden Infoveranstaltungen organisieren. Fraktionen, Vereine, Gegner und Befürworter haben Zeit, das Für und Wider abzuwägen. „Das wird sicher eine heiße Diskussion“, glaubt Thran. Schließlich – sollte es tatsächlich dazu kommen – seien alle offenen Fragen vorher in einem Fusionsvertrag festzuhalten. Hochzeitsprämie könnte Bürgern direkt zugutekommen: Weitere Vorteile aus seiner Sicht: dass sich die Chance auf ein Ärztezentrum erhöht. Auch der Fusionszuschuss des Landes sei nicht unerheblich. Die sogenannte „Hochzeitsprämie“ läge etwa bei 100 000 Euro. Das hatte der Kommunalberater Klaus-Dieter Dehn den Bürgern bei einer Infoveranstaltung im Jahr 2017 erklärt. „Andere Gemeinden haben dieses Geld für Kosten verwendet, die den Bürgern entstehen. Etwa wenn eine Firma ein neues Schild braucht, weil sich der Straßenname geändert hat“, sagt Thran. Bevor diese Tipps aus 2017 in Vergessenheit gerieten, sei es nun wichtig gewesen, einen Bürgerentscheid auf den Weg zu bringen. „Es beginnt immer mit einem ersten Schritt.“ Nahes Bürgermeister Holger Fischer (WDN) befürwortet den Zusammenschluss schon seit 2015. Jede Gemeinde könne als Ortsteil bestehen bleiben. „Wir erfüllen alle Kriterien zum Unterzentrum“, sagte er im Bezug auf den aktuellen Bauboom, der in Nahe herrscht. Polizeiwache, Baugebiet und Kita-Sanierung: Nicht ohne Grund wird so viel Geld für das gesellschaftliche Leben in die Hand genommen. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass eine Fusion und die Entwicklung zum Unterzentrum zwei Paar Schuhe seien, erklärt Thran. Letzteres wäre theoretisch auch mit zwei Ortschaften möglich. „Aber als eine Gemeinde ist es deutlich einfacher.“ Von Irene Burow