Neuengörs: Schulleiterin Annegret Garve geht in den Ruhestand

Was für eine Kontinuität! Seit 1966 gab es an der Grundschule Neuengörs nur zwei Schulleiter. Am Freitag hatte Annegret Garve ihren letzten Schultag vor der Pensionierung. Und plötzlich steht zum Abschied ihr Vorgänger, Winfried Rank, im Büro. „Ich wollte mal auf Wiedersehen sagen.“ Der 82-Jährige verabschiedet die 63-jährige in den Ruhestand. Zusammengezählt haben beide zusammen 54 Jahre lang die Geschicke der kleinen Schule bestimmt. Es war Rank, der ihr vor mehr als 20 Jahren bei der Amtsübergabe „Mumm“ wünschte, wenn mal „zwei Lehrerinnen krank sind und der Schulbus im Schnee steckenbleibt“, und ihr dazu eine Mumm-Sektflasche schenkte. Da wusste Annegret Garve wohl noch nicht, auf was sie sich da einließ. Sie hat jedenfalls Mumm bewiesen. „Oh Herr Rank, jetzt fange ich gleich an zu heulen“, sagt Garve gerührt. In diesen schlimmen Coronazeiten haben schließlich viele nah am Wasser gebaut. Die Schulkinder leiden unter Corona: „Die Eltern haben gerade die Zeugnisse abgeholt und berichten, dass die Kinder ganz furchtbar unter den Corona-Isolation leiden“, erzählt sie den LN. Sonst haben die Kinder immer auch auf dem Schulhof miteinander gespielt. Es fehle jetzt vieles an Kontakten. Auch in Neuengörs darf für sie selbst jetzt keine große Abschiedsfeier stattfinden. 1981 hatte Annegret Garve als Lehrerin angefangen. Nach Stationen in Nordstrand, Rickling, Kaltenkirchen und der Bad Segeberger Heinrich-Rantzau-Schule kam sie nach Neuengörs. Seit Sommer 1987 ist sie hier Lehrerin. Als stellvertretende Schulleiterin konnte sie sich im Juni 1999 sogar gegen einen Konkurrenten durchsetzen. Schon damals war es unüblich, dass jemand aus dem Kollegium die Schulleitung übernahm. Aber sie biss sich gegen die Widerstände der Schulaufsicht durch. Die Schulleiterin mit den meisten Dienstjahren: Im Schulverband Segeberg sei sie nun mit 21 Jahren die dienstälteste Rektorin. Sie sei auch oft zusätzlich Klassenlehrerin gewesen. „Das war schon ein hartes Stück Arbeit.“ Als sie anfing, hatte die Grundschule Neuengörs noch 172 Kinder. „Jetzt sind es immerhin noch 120 Kinder“. Im Einzugsbereich der Schule gebe es Dörfer, die haben nur noch ein bis zwei Kinder im Grundschulalter. Grave: „Diese Kinder können jetzt nicht mal ’rausgehen und den Freund besuchen.“ Das sei schon ein Problem, wenn Kinder keine Spielkameraden haben. Immerhin sei ihre Grundschule für die Corona-Krise technisch und pädagogisch gut aufgestellt. Schließlich habe ihre Landschule als digitale Modellschule sogar mal einen bedeutenden Preis gewonnen. Ihre sechs Lehrerinnen sitzen jetzt den ganzen Tag vor dem Bildschirm und beantworten die Fragen der Kinder. Die zweiten und dritten Klassen seien digital auf der Höhe. Ihr Schulträger, der Schulverband Bad Segeberg, sei immer fit darin, sich an Förderprojekten zu beteiligen. Die Klassenräume in Neuengörs sind deshalb für eine Grundschule top ausgestattet. Ihre Nachfolgerin im Amt sei zwar schon im Dezember gewählt worden, aber vom Bildungsministerium noch nicht amtlich bestätigt, teilt sie mit. Besonders pflegeleichte Kinder in der Landschule: Doch wie haben sich die Mädchen und Jungen in ihrer Zeit als Lehrerin und Schulleiterin verändert? Hier stimmt Annegret Grave ausdrücklich nicht in das übliche Klagelied ein. „Wir haben hier unheimlich pflegeleichte Kinder.“ Sie seien lebhafter geworden, hätten einen größeren Bewegungsdrang – ja. Aber: „Die Kinder haben sich hier in der ländlichen Gegend eher wenig verändert. Probleme wie in städtischen Schulen haben wir hier nicht.“ Die Höhepunkte in ihrer Zeit als Schulleiterin waren zum Beispiel das Schulfest zum 50-jährigen Bestehen der Schule. „Da haben alle, Kolleginnen, Eltern und Schüler ihr Bestes gegeben und ein ganz tolles Fest auf die Beine gestellt. Die Schulfeste, die Aufführungen – das waren für mich die schönsten Erlebnisse, die ich hier hatte.“ Es sei nie ein Problem gewesen, Eltern zur Mithilfe zu bewegen. „Es tut mir von Herzen leid, dass das im Moment alles nicht möglich ist. Was meinen Sie, was hier zu meiner Verabschiedung los wäre, wenn kein Corona wäre. Ich bin schon traurig.“ Im Ruhestand plant Annegret Garve, nach der Coronazeit wieder zu reisen und hofft jetzt den Kopf frei zu bekommen, um zu lesen. Besonders werde sie die Kinder vermissen und den täglichen Umgang mit dem Kollegium. Und sie wird es vermissen, wenn Großeltern zu ihr kommen und sich bedanken, dass ihre Kinder und Enkelkinder es an ihrer Schule so gut hatten. Von Wolfgang Glombik