Präsenzunterricht: Wie Segebergs Schulen auf die Weisungen aus dem Ministerium reagieren

Überall wird seitens der Politik und von Virologen vor Kontakten gewarnt. Haushalte dürfen sich nur mit einer weiteren Person treffen. Doch für die Schulen gilt das offenbar nicht. Trotz des verschärften Lockdown zur Corona-Bekämpfung hat das Kieler Bildungsministerium angeordnet, für die Abschlussklassen wieder Präsenzunterricht für alle Fächer gemäß Stundentafel durchzuführen. Trotz Warnungen der Lehrergewerkschaft GEW, trotz Bedenken von Eltern. In der Gemeinschaftsschule am Burgfeld beginnt für die Abschlussklassen am Mittwoch für den ersten, den mittleren Abschluss und das Abitur wieder normaler Unterricht. In den Gymnasien und im Berufsbildungszentrum war schon am Montag wieder einiges los. Unterricht nach Stundentafel: In der Gemeinschaftsschule am Burgfeld werden 260 Schüler in die Schule kommen, im Berufsbildungszentrum (BBZ) kamen am Montag 360, am Donnerstag sollen es dort sogar 460 Mädchen und Jungen werden. Unterricht erfolgt in den Klassen streng nach Stundentafel. Dabei sah die Verordnung für die Schulen vorerst weitgehenden Gestaltungsspielraum vor, ihre Klassen auf die Bildungsabschlüsse vorzubereiten. Doch ein wenige Tage später folgender Erlass machte alle schulinternen Pläne wieder zunichte. Alle Schüler der Abschlussklassen sollen zum Präsenzunterricht und die komplette Stundentafel abdecken. Wieder tagten die Lehrerkonferenzen oder Schulleiterstäbe, meist in Online-Konferenzen, und entwickelten Konzepte. Burgfeld-Schulleiter Rüdiger Nelson reagierte schnell: „Um die Abstände einzuhalten, haben die Klassenlehrer die Lerngruppen in drei Räume aufgeteilt. Wir machen jetzt den normalen Stundenplan.“ Eine Lehrkraft muss zwischen drei nebeneinander liegenden Räumen in ihrer aufgeteilten Klasse hin und her gehen. „Da werden aber keine langen Laufwege entstehen, trotzdem ist das eine zusätzliche Belastung“, sagt Nelson. Ein Lehrer in drei Klassenräumen: Für die Lehrkräfte sei das schon schwierig, die einen Schüler im Klassenzimmer zu unterrichten und die anderen Jahrgänge online zu beschulen. Gleichzeitig haben die Lehrer auch Angst um ihre Gesundheit. Die Coronazahlen sind hoch, damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung. „Die Abstände müssen rigoros eingehalten werden“, teilt Nelson mit. Die Schule am Burgfeld biete einen guten Online-Unterricht, trotzdem könne man das mit normalem Präsenzunterricht natürlich nicht vergleichen, gesteht er ein. Schon meldeten sich Eltern mit Kritik an dem Erlass aus Kiel, der den Schulen klar umfassenden Präsenzunterricht vorschreibe. Nelson, der aus einem Klassenzimmer gerade Online-Unterricht mit seiner Deutschklasse abgehalten hat, würde gerne selbst entscheiden, ob und wie viel Präsenzunterricht in welchen Fächern man anbieten kann. Er sehe schon, dass die Schulen im Land auf unterschiedlichem Stand seien, was Online-Unterricht angehe. Aber er sei skeptisch, ob sich der ganze Aufwand lohne mit der Neuorganisation der Klassen, mit der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. „Wir hätten ganz andere Möglichkeiten gehabt, Unterricht für die Abschlussklassen zu organisieren.“ Sorgen um die Gesundheit: Auch im Städtischen Gymnasium kamen am Montag die Schüler zum Unterricht. Schulleiter Frank Ulrich Bähr stellt klar, dass Präsenzunterricht effektiver sei als noch so guter Online-Unterricht. Aber angesichts steigender Infektionszahlen hätten die Lehrkräfte Sorgen um ihre Gesundheit. Und die Schüler haben nach einer Umfrage nicht den voll umfänglichen Präsenzunterricht gewünscht wie vom Ministerium angeordnet, sondern vor allem Unterricht in den für ihr Abitur wichtigen Fächern. Bähr: „Dafür waren fast alle Schüler.“ Genau diese Variante hatte die Schule für die Jugendlichen vor dem Abi auch vorbereitet, aber dann kam die Weisung, dass alle Fächer zu unterrichten seien. Bähr rief sogar noch einmal im Bildungsministerium an: „Die Schulaufsicht hat mir bei Rücksprache unmissverständlich deutlich gemacht, dass ihre Weisung zu erfüllen ist.“ Alle Fächer der Stundentafel seien im Präsenzunterricht zu geben. Immerhin hätten sich die Schüler am Montag wieder „riesig gefreut“, beim Unterricht dabei sein zu dürfen, berichtet Heinz Sandbrink, Schuleiter vom Berufsbildungszentrum. Für das Lehrerkollegium bedeute die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts für Abschlussjahrgänge allerdings eine „Riesenaufgabe“: Die Lehrkräfte wechselten ständig zwischen Präsenz- und Distanzunterricht. „Das ist nicht ganz einfach“, sagt Sandbrink. Man müsse als Schulleiter flexibel bleiben, „die Dinge, die heute offiziell sind, gelten morgen schon nicht mehr“, nimmt er die Diskussion um Präsenzunterricht indes gelassen. Neuer Erlass am späten Nachmittag: Tatsächlich: Am späten Nachmittag meldete sich die Schulaufsicht des Landes wieder mit einem neuen Erlass. Eine Rolle rückwärts: Dort heißt es unter anderem von der Schulaufsicht, dass die Schulen selbst abwägen dürfen, welche Fächer bevorzugt in Präsenz unterrichtet und welche über Distanzlernformate abgedeckt werden können. Nun dürften wieder die Schulleitungen tagen... Von Wolfgang Glombik