Rohlstorfer Unternehmer: Antigen-Tests als Lockdown-Alternative?

Im Kreis Segeberg steigen die Infektionszahlen und damit die Beschränkungen. Keine Weihnachtsmärkte, kaum kulturelle Veranstaltungen, nur noch eingeschränkte Besuche in Kliniken: Dazu kommt die dauernde Angst, ältere Menschen und Risikopatienten mit Corona anzustecken. Nun ist seit dem 15. Oktober in einer Verordnung die Anwendung von Massen-Schnelltests in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen möglich. Die zugelassenen Tests gehören sogar zur offiziellen Teststrategie des Bundes. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) lehnte Mittwoch in einem Deutschlandfunk-Interview einen Teil-Lockdown ab. Stattdessen sei es besser, konsequent Schnelltests in Alten- und Pflegeheimen einzusetzen, sagte er. Doch wie weit sind wir damit hier im Kreis? Tatsächlich hat das Bundesministerium für Gesundheit eine neue Rechtsverordnung zu den Corona-Testungen „für asymptomatische Personen“ erlassen, Eine weitere Neuerung ist, dass auch Antigen-Schnelltests eingesetzt werden können. In Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sollen diese zur präventiven Testung beispielsweise des Personals grundsätzlich verwendet werden, heißt es. Das Bundesinstitut für Arzneimittel listet inzwischen über 50 zugelassene Antigen-Tests. Antigen-Schnelltests nur durch medizinisches Personal: Uwe Halliger, umtriebiger Unternehmer aus Quaal, ist mit seinem Unternehmen Abakus der Vertriebsbeauftragte eines chinesischen Herstellers Beauftragter für den Vertrieb des Antigen Rapid Test. Er frage sich, warum hier nicht schon längst derartige Test-Mittel flächendeckend eingesetzt werden. Die Antigen-Schnelltests sollen innerhalb weniger Minuten Ergebnisse liefern, ob der Getestete ansteckend ist. Das geschieht über einen Nachweis von Sars-CoV-2-Eiweißen und wird über einen Abstrich im Nasenrachenraum vorgenommen. Die Abstriche müssen nicht im Labor ausgewertet werden, Ergebnisse sollen in 15 Minuten vorliegen. Allerdings dürfen die Antigen-Schnelltests ausdrücklich nicht von Laien vorgenommen werden. Dafür ist geschultes medizinisches Personal notwendig. Voraussetzung ist ein Test-Konzept. Folgende Personengruppen können in Deutschland mit einem Antigen-Test getestet werden: Patienten, Bewohner, Betreute und Personal von Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, für Rehabilitation, für ambulante Operationen oder ambulante Dialyse ohne Covid-Fall, entsprechend des Testkonzepts der Einrichtung. Getestet werden kann auch das Personal von Arzt- und Zahnarztpraxen. Auch Besucher von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen können unmittelbar vor dem Besuch der Einrichtung getestet werden. Kritiker zweifeln indes an, ob man für den flächendeckenden Einsatz der Schnelltests überhaupt genügend Kapazitäten habe. „Wir können in kurzer Zeit die Mittel einfliegen, millionenfach“, betont Halliger indes. Der Unternehmer, der aus seiner zur Wohnung umgebauten Tanzsaal des früheren Gasthofs „Quaaler Quelle“ ein kleines Verkaufsimperium dirigiert, ist seit Jahrzehnten ein kaufmännischer Hansdampf in allen Gassen. Ursprünglich gelernter Koch, Investor für Immobilien nach dem Mauerfall, Entwickler von Lebensmitteln und nun europäischer Vertriebsbeauftragter für Pharmazie-Artikel aus Shanghai. Das Multitalent hat schon Putin die Hand geschüttelt und berichtet jetzt auch von reichlich Kontakten auf dem chinesischen Markt. Er setzt jetzt nach dem Startschuss durch das Gesundheitsministerium auf die schnelle Verbreitung von Antigen-Tests, verzweifelt aber an den Behörden. Überall gilt weiter der normale PCR-Test als Standardmethode, ob jemand mit Corona infiziert sei. Doch das Prozedere ist hier zeitaufwendig. Am Mittwoch berichtete den LN eine Betroffene, dass sie auf ihr negatives Ergebnis vier (!) Tage warten musste. Ein enormer psychischer Druck für Menschen, die tagelang Zuhause im Ungewissen gehalten werden, ob sie sich womöglich angesteckt haben. Aber die Labore scheinen derzeit überlastet. Anders als die PCR-Tests suchen Antigen-Tests in Abstrichproben nicht nach dem Erbgut des Virus, sondern nach Molekülen, die charakteristisch für die Viren sind. Das Ganze funktioniert ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest: Es wird auf einem Teststreifen angezeigt, ob das gesuchte Molekül gefunden wurde und die Person positiv ist oder nicht. Sie gelten als etwas weniger zuverlässig als die üblichen teuren PCR-Tests. Der große Vorteil: Das Ergebnis liegt wenige Minuten später vor. Der PCR-Test ist weitaus aufwendiger im Verfahren und teurer. Halliger sieht hier auch in Deutschland einen expandierenden Markt für zuverlässige Antigen-Tests. „Das Kuriose ist, dass Schnelltests in den besonders von Corona gebeutelten USA schon seit Monaten verkauft und im großen Stil eingesetzt werden. Ich finde es manchmal erstaunlich, dass diese Möglichkeiten nicht sofort genutzt werden.“ Er stelle hier eine „sehr skeptische Haltung“ bei Behörden fest. Gesundheitsamt fordert Test-Konzept von Pflegeheimen: Die LN fragten beim Kreis Segeberg nach: „Auf konkrete Veranlassung des Gesundheitsamtes seien bislang im Kreis Segeberg noch keine Schnelltests eingesetzt worden“, hieß es dort. Immerhin bestätigt das Gesundheitsamt, dass Einrichtungen wie Pflegeheime nach Schulung selbst Rachenabstriche durchführen und Schnelltests einsetzen können. Ein Teil dieser Tests wird refinanziert und mit der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein abgerechnet. Vorher müssten die Einrichtungen allerdings dem zuständigen Gesundheitsamt zusammen mit ihrem Antrag „ein einrichtungsspezifisches Testkonzept“ vorlegen. Klingt nach viel Bürokratie. Könnten die Antigen-Tests auch bei Veranstaltungen eingesetzt werden? „Bei größeren Ausbruchssituationen könnten die Schnelltests einen Nutzen bekommen, um mit schnellem Ergebnis kostengünstig das erste Ausmaß eines Krankheitsausbruchs abschätzen zu können“. heißt es vom Kreis. Vielleicht wäre dieses bei Massenveranstaltungen wie einem Konzert denkbar, wenn die Besucher mit Hilfe ihrer Konzertkarte ermittelbar wären. Bei einem Weihnachtsmarkt wäre dies ungleich schwieriger, heißt es. Pavillons als mobile Teststationen: Doch Uwe Halliger aus Rohlstorf ist ein Allrounder, er sieht auch die verzweifelte Situation von Veranstaltern. Er selbst kennt sich im Eventbereich aus, plant in Quaal Kochkurse und Kochsendungen und sieht sich hier durch Corona ausgebremst. Er habe mit seinen Ideen zur Pandemiebekämpfung inzwischen Gesundheitsämter angeschrieben. Seine Vision ist es, Pavillons wie kleine mobile Arztpraxen zur Verfügung zu stellen. Medizinisches Personal könnte diese mieten, dort würden die Schnelltests durchgeführt und ausgewertet. Die Tests kosten nicht viel, je nach georderter Menge unter zehn Euro. Menschen mit negativer Testung dürften das Flugzeug besteigen, ins Fußballstadion gehen oder das Konzert besuchen. Doch das Gesundheitsamt bleibt dabei: „Aus Sicht des Öffentlichen Gesundheitswesens ist der Appell an die Bevölkerung ganz klar: Menschenansammlungen meiden und Abstände einhalten – und nicht, sich ständig testen zu lassen.“ Von Wolfgang Glombik