Schimmelwohnung: Vermieter ignoriert Hilferuf einer Segeberger Mutter

Im Wohnzimmer steht ein Schlafsofa und ein Kiefernbett, ein Tisch, der Fernseher und ein Sideboard. Bilder und viele Fotos schmücken die Wände, in deren Ecken sich grauer Belag breitmacht. „Hier wohnen und schlafen wir“, sagt Angelina Dieckelmann, die die Wandverfärbungen notdürftig übermalt hat. Die kleine Familie mit Sohn Dean (10), Tochter Maria (16) und der alleinerziehenden 34-Jährigen ist seit acht Monaten zusammengerückt. Aus Sorge darüber, dass ihre Kinder und sie krank werden könnten. Denn deren Zimmer in der einfachen Dreizimmerwohnung sind der blanke Horror. Eine pelzig-schwarze Schicht hat sich in den Ecken der Außenwände großflächig breit bemacht. Schimmelpilz. 590 Euro Kaltmiete für nur einen bewohnbaren Raum: „Wenn es regnet, dann tropft das Wasser hier die Wand runter“, sagt die junge Mutter, als sie im Zimmer ihres Jüngsten steht. Die Wand ist nass. Frühere Eigentümer hätten gesagt, das liege am falschen Lüftungsverhalten. Es klingt fast höhnisch. Den aufgeweichten Putz kann man mit bloßen Fingern aus den Ecken kratzen. Der typische modrige Geruch von Spak und muffiger Feuchtigkeit macht sich breit. In den Kinderzimmern, im Bad, langsam auch im Wohnzimmer und in der Küche. 589,22 Euro muss die Bad Segebergerin für die Behausung in dem alten Backsteinblock aus den 1960ern in der Ziegelstraße bezahlen. Kalt. Im Jahr kommen über 1300 Euro Heizkosten obendrauf, wie Abrechnungen belegen. Die Situation nagt an Angelina Dieckelmann, denn die Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH, ZBVV, als Verwalterin zuständig, rührt sich einfach nicht. Anrufe, mitunter 26 am Tag, diverse E-Mails: Sorgfältig hat Dieckelmann jeden Versuch, Kontakt mit dem Unternehmen aufzunehmen, dokumentiert und den LN vorgelegt. Bestenfalls kamen darauf ausweichende Antworten. Die Anfrage sei „weitergeleitet“ worden, dieser oder jener sei zuständig. „Aber das war’s dann auch schon. Es passiert nichts. Gar nichts.“ Seit über einem Jahr bettle sie vergeblich um Hilfe. ZBVV verwaltet über 6000 Wohnungen in Schleswig-Holstein: „Einmal, das war im September 2019, kam ein Herr vom ZBI Fondsmanagement und hat sich das angeguckt, danach habe ich nie wieder etwas von ihm gehört.“ Achselzuckend schaut Angelina Dieckelmann sich um, dann kullern ihr Tränen über die Wangen. „In so was kann man Menschen doch nicht leben lassen. Es ist einfach zu viel.“ Die Zentrale Boden Immobilien Gruppe, kurz ZBI, bezeichnet sich selbst als Spezialist für „wertbeständige Wohnimmobilien“. Das Unternehmen bietet nach eigenen Angaben Fonds an, bei denen Anleger auf „attraktive Renditeaussichten“ hoffen können. ZBI und ZBVV gehören zusammen, haben ihren Hauptsitz in Erlangen. Im vergangenen Jahr hat die Gruppe unter anderem rund 6000 Wohnungen in Schleswig-Holstein von der Deutschen Wohnen übernommen. Acht Vereine sind im Landesverband Schleswig-Holstein beim Deutschen Mieterbund zusammengefasst. Für Bad Segeberg ist der Mieterverein Mittelholstein zuständig, der immer auch Sprechstunde in der Südstadt von Bad Segeberg abhält (nach telefonischer Vereinbarung unter der Nummer 0 4321/4 56 36). Das rät Landesgeschäftsführerin Sophie Mainitz betroffenen Mietern: Alles schriftlich mit Einwurfeinschreiben (auch Fotos) verschicken, das sei besser als E-Mails an Mitarbeiter. „Und man hat etwas in der Hand.“ Fristen zur Behebung von Problemen einräumen, Mietkürzungen auf jeden Fall immer ankündigen. „Davor, gar keine Miete zu zahlen, würde ich warnen.“ Denn das sei nur bei einer 100-prozentigen Unbewohnbarkeit gerechtfertigt. „Sonst folgt ganz schnell die außerordentliche Kündigung“, erklärt Mainitz. Die könne zur Folge haben, dass ein Mieter innerhalb kürzester Zeit auf der Straße sitzt. Beim Deutschen Mieterbund Schleswig-Holstein sind ZBI und ZBVV bestens bekannt. Vor allem durch die mangelnde Kommunikation. „Selbst wir erreichen sie nicht und wissen nicht, wer Ansprechpartner ist“, beklagt Landesgeschäftsführerin Sophie Mainitz. „E-Mails werden nicht beantwortet, ans Telefon geht niemand, und Briefe kommen ungeöffnet zurück.“ Nach LN-Anfrage reagiert die Verwaltung: Für Angelina Dieckelmann, die in Teilzeit Schichtdienst an einer Tankstelle schiebt und mit Hartz IV aufstockt, ist der Zustand unerträglich. Doch eine andere Wohnung zu finden, ist bei der selbst in Bad Segeberg angespannten Lage schwierig. „Ich hätte schon vor einem Jahr eine andere haben können, die lag aber 25 Cent über dem Satz, so dass mir das Jobcenter kein Mietkautionsdarlehen gegeben hätte“, bedauert sie. Etliche andere Bemühungen scheiterten ebenfalls bisher. „Entweder, weil ich alleinerziehende Mutter bin und man glaubt, ich könne die Miete nicht zahlen, weil wir eine Katze haben oder wegen meiner Kinder.“ In ihrer Not hat die 34-jährige Bad Segebergerin einen Hilfeaufruf in den sozialen Netzwerken gestartet, um so vielleicht eine neue Bleibe zu bekommen. Auch eine andere Betroffene, der es ganz genau so ergangen ist wie ihr, hat sich aus Ratzeburg gemeldet. Erst nachdem die Lübecker Nachrichten sich am Montag telefonisch vergeblich, dann schriftlich an die ZBVV gewendet hat, kommt nun Bewegung in die Sache: „Wir bedauern die Unannehmlichkeiten für unsere Mieterin. Leider gab es in der Vergangenheit durch Eigentümer-, Verwalter- und Personalwechsel einige Verzögerungen, die wir derzeit aufarbeiten“, so ein Unternehmenssprecher. Man habe einen Dienstleister beauftragt. Ein paar Stunden nachdem die E-Mail der Lübecker Nachrichten mit der Bitte um Beantwortung gelesen worden war, hat sich die ZBVV bei Angelina Dieckelmann gemeldet, um den Schaden begutachten zu lassen. . . Wo Feuchtigkeit oder Nässe nicht mehr wegtrocknen können, kann sich Schimmel bilden. Bemerkbar machen kann sich das in Wänden, an Fenstern, Böden, unter Tapeten, an Außenwänden, durch Wasserschäden oder Risse im Mauerwerk. Oft werfen Vermieter den Mietern falsches Lüften vor. Von der Weltgesundheitsorganisation WHO in Auftrag gegebene Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen sehen einen Zusammenhang zwischen Schimmelpilz in Räumen und Atemwegsbeschwerden. Die durch die Luft eingeatmeten Sporen können allergische Reaktionen auslösen. Einen Grenzwert für Schimmelpilze gibt es aber nicht. Es gilt das Vorsorgeprinzip, wonach er beseitigt werden muss. Lesen Sie auch: Stadtverkehr lahmgelegt: Trubel im Taxi-Unternehmen Sex in Promi-Limousine? 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