Schutz auch vor Corona? Luftreiniger an Bad Segeberger Schulen

Einige Experten fordern sie seit Monaten für Klassenzimmer im Kampf gegen Corona: Luftreiniger oder Luftfilteranlagen. Andere halten sie für nicht wirksam. Die Stadt Bad Segeberg hat nun als Schulträger sechs Geräte gekauft und aufstellen lassen. Die Geräte werden vom Land gesponsert. Die Stadt ist damit wohl eine der ersten Schulträger im Norden, der diesen zusätzlichen Schutz bietet. Die Filteranlagen, die ähnlich groß wie eine Kühl-Gefrier-Kombination sind und auch genauso aussehen, sind allerdings nur für ein ganz besonderes Schulgebäude vorgesehen. Es liegt direkt an der stark befahrenen Bundesstraße 206. Hier werden Schüler der Gemeinschaftsschule am Seminarweg und der Dahlmannschule Tür an Tür unterrichtet. Aber das geht wegen des Verkehrslärms meist nur bei geschlossenem Fenster. Schulleiter Dr. Thilo Philipp von der Gemeinschaftsschule am Seminarweg ist heilfroh, dass er diesen zusätzlichen Schutz in den Klassenzimmer bieten kann. Denn in diesen Klassenzimmer wird das Lüften zur Tortur. Der Straßenlärm macht Unterricht fast unmöglich. Luftfilterschrank kostet über 4100 Euro: So kann hier nur in den Pausen durchgelüftet werden. Hier hilft beim Lernen der Abschlussklassen nun der Luftreiniger mit seinem Filter. Mit einem Knopfdruck setzt Philipp das über 4100 Euro teure Gerät in Betrieb. Es soll Schwebstoffe wie zum Beispiel Viren effektiv aus der Luft herausfiltern, verspricht der Hersteller. Angeblich werden danach durch mehrere Filterstufen „bis zu 99,995 Prozent aller Viren, Bakterien und Pollen“ entfernt. „Das Gerät ist wirklich erstaunlich leise“, lobt Philipp. Die zu filternde Luft wird dabei vom Boden her angesaugt und oben wieder herausgeblasen. So könne sich die gereinigte Luft optimal im Raum verteilen. Im Power-Modus liege die Filterleistung bei beachtlichen 2000 Kubikmetern in der Stunde. Forscher der Goethe-Universität Frankfurt haben nach Modell-Versuchen herausgefunden, dass Luftreiniger der Filterklasse HEPA (H13) die Aerosolkonzentration in einem Klassenzimmer in einer halben Stunde um 90 Prozent senken könnten. Damit werde das Risiko einer Aerosolinfektion mit SARS-CoV-2 deutlich verringert, heißt es in einer Mitteilung der Uni. Die Wissenschaftler empfehlen in der Studie, die als Preprint veröffentlicht wurde – also noch nicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift – das Aufstellen entsprechender Luftreiniger in Klassenräumen. Eine Woche lang seien vier Luftreiniger in einer Schulklasse mit Lehrern und 27 Schülern getestet worden. Die Luftreiniger verfügten über einen einfachen Vorfilter für groben Staub und Flusen sowie über einen HEPA- und einen Aktivkohlefilter. Die Luftreiniger setzten zusammen zwischen 760 und 1460 Kubikmeter Luft pro Stunde um. Dieser reduziere die Menge an Aerosolen so stark, dass in einem geschlossenen Raum auch die Ansteckungsgefahr durch eine hoch infektiöse Person, einen Superspreader, sehr deutlich reduziert werde, kommt die Uni zum Schluss. Ein Luftfilter ersetze allerdings nicht das regelmäßige Öffnen des Fensters, wodurch auch die CO2 -Konzentration im Raum wieder gesenkt werde. Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt allerdings, mobile Luftreiniger „nur in Ausnahmefällen und als flankierende Maßnahme einzusetzen“. Auch in der benachbarten Dahlmannschule wurden die Filter-Schränke in den Klassenzimmern, die an der B 206 liegen, aufgestellt und in Betrieb genommen. Bad Segebergs Bauamtsleiterin Antje Langethal berichtet auf LN-Nachfrage, dass es Fördermittel des Bundes und des Landes gebe. Die Geräte seien sonst „grundsätzlich nicht förderfähig, und wenn, dann nur unter bestimmten Bedingungen“. Das treffe auf das Schulgebäude an der B 206 zu, das sich Dahlmannschule und Gemeinschaftsschule mit je drei Klassen teilen. Ein regelmäßiges Lüften während des Unterrichts ist hier erschwert. Über die Wirkung der Anlagen gebe es unterschiedliche Auffassungen bei den Bundesbehörden, deshalb seien sie vorerst nicht als förderfähig eingestuft worden. Auch Langethal vermeidet hier eine Aussage, ob die Anlagen mit sehr guter Filterfunktion wirklich helfen, die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. „Wir wollen die hygienische Situation verbessern“, sagt sie vorsichtig. Es sei gar nicht so einfach gewesen, kurzfristig derartige Filteranlagen zu bekommen. Die Fördermittel standen aber zur Verfügung, da habe man schnell zugegriffen. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Zusätzliche 30 CO2 Sensoren: Zufrieden ist Schulleiter Philipp auch darüber, dass der Schulträger allein für seine Schule 30 Anlagen zur Feststellung der Kohlendioxidbelastung in Klassenzimmern besorgt hat. Damit sei schnell zu ermitteln, wenn es in Klassenzimmern stickig wird und dringend gelüftet werden müsse. Mit den CO2 -Sensoren können Schüler und Lehrer dies permanent kontrollieren. Das ist für Philipp auch ein probates Mittel, die Corona-Belastung im Blick zu behalten. Von Wolfgang Glombik