Seedorf: Drei tote Rotmilane in Blomnath gefunden

Drei tote Rotmilan-Jungvögel wurden im Dezember 2020 im Seedorfer Ortsteil Blomnath gefunden. Toxikologisch konnten die Jungtiere wegen ihres Verwesungszustandes zwar nicht mehr untersucht werden, für Dr. Hans Wirth von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein kommt jedoch nur eine Todesursache in Betracht: „Drei zur gleichen Zeit verendete Jungvögel: Das ist ein Indiz für eine Vergiftung.“ Es war am 2. Dezember, als Karoline Petersen-Poggensee vom Natur- und Umweltverein „Passopp“ auf einem Streifzug durch die Natur des Seedorfer Ortsteils Blomnath unterwegs war. Zunächst fielen ihr Federn und Skelettteile eines Rotmilanjungtieres direkt unter dem elterlichen Horst auf, aus dem noch lange Federn eines weiteren Tieres herausragten. Drei Jungvögel starben zur gleichen Zeit: Ein paar Tage später machten sich Karoline Petersen-Poggensee und weitere Passopp-Mitglieder auf die Suche nach den Rotmilan-Eltern. Sie fanden sie jedoch nicht. Neben dem noch nicht ausgewachsenen Jungvogel im Horst entdeckten die Naturschützer dafür aber einen dritten halbwüchsigen Jungvogel. Wie bereits der erste Vogel war auch er aus dem Horst gefallen. Sein Sturz wurde jedoch in rund acht Metern Höhe vom Geäst des Baumes aufgefangen. Mithilfe einer Stange konnte er vorsichtig zur Erde befördert werden. Die Überreste des im Horst verendeten Tieres wurden am 28. Dezember durch den geübten Baumkletterer Birger Reibisch geborgen. Für die Auswertung der Funde konnten die Passopp-Mitglieder Dr. Hans Wirth gewinnen. Wirth ist als Greifvogelforensiker und Referent für den Rotmilan in der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein ein anerkannter Fachmann auf seinem Gebiet. Anhand der Feder- und Skelettteile und der existierenden Fotoaufnahmen der Nestlinge vom Juni stellte er fest, dass ihr Tod bereits Anfang Juli eingetreten sein muss. Baumkletterer holte die Überreste eines Rotmilans aus dem Horst: „Zeitgleicher Tod ist ein klares Indiz für eine Vergiftung. Unklar dagegen ist, was aus den Altvögeln geworden ist. Von ihnen fehlt immer noch jede Spur“, erläuterte der Rotmilan-Spezialist. Auch wenn er bei den drei toten Jungvögeln von einer Vergiftung ausgeht, bedauert er, dass sie nach so langer Zeit nicht mehr in einem Göttinger Speziallabor auf die Art des Giftes untersucht werden konnten. Für eine toxikologische Untersuchung wird unter anderem eine Probe des Mageninhaltes genommen. Der Verwesungsgrad ließ das aber nicht mehr zu. „Im Grunde genommen bestanden die verendeten Jungtiere nur noch aus Federn und Gerippe. Im Durchschnitt brachten sie 280 Gramm auf die Waage. Ein ausgewachsenes Männchen wiegt zwischen 800 und 900 Gramm, ein Weibchen bringt es durchaus auf 1350 Gramm“, verrät der Greifvogel-Fachmann. Seit 2018 sind im Kreis Segeberg und in einem angrenzenden Teil des Kreises Plön insgesamt acht nachweislich durch das Insektizid E 605 vergiftete Rotmilane gefunden worden. Bei weiteren sieben tot aufgefundenen Rotmilanen bestand Vergiftungsverdacht. Die Bezeichnung E 605 ist ein Synonym für das Pflanzenschutzmittel „Parathion“, das im Volksmund auch „Schwiegermuttergift“ genannt wird, weil damit zahlreiche Morde und Suizide verübt wurden. Entwickelt wurde „Parathion“ 1944 von dem deutschen Chemiker Gerhard Schrader. Produziert wurde es vier Jahre später von der Bayer AG. „Parathion“ wirkt gegen Insekten und Warmblüter toxisch, entfaltet aber keine sichtbare Wirkung gegen Pflanzen. 1949 wurden bei Verwendung von E 605 Gesundheitsschäden bei Menschen von Erbrechen und Durchfall bis hin zu Atemlähmungen und schweren Krämpfen festgestellt. Das Insektizid ist mit dem chemischen Kampfstoff „Sarin“ verwandt. Seit 2002 ist in Deutschland nicht nur sein Verkauf, sondern auch seine Anwendung verboten. In anderen Ländern soll E 605 allerdings noch verkauft werden. Rotmilane können Windkraftanlagen verhindern: Der Fund der drei toten Rotmilan-Jungen wurde am 3. Januar bei der Polizei in Bad Segeberg zur Anzeige gebracht. Sollte ein Verursacher ermittelt werden können, müsste er bei einem Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer hohen Geldstrafe rechnen. In Schleswig-Holstein stehen inzwischen mehrere nachgewiesene Straftaten mit dem verbotenen Insektizid „E 605“ gegen Greifvögel im Zusammenhang mit der Windkraftplanung. Rotmilane sind streng geschützt und können ein Ausschlusskriterium für den Bau von Windkraftanlagen sein. Der Horst der verendeten Tiere liegt jedoch außerhalb der Schutzzone um das Windvorranggebiet im benachbarten Travenhorst. Konkrete Verdachtsmomente in irgendeiner Richtung liegen in Blomnath zur Zeit nicht vor. Von Petra Dreu

Seedorf: Drei tote Rotmilane in Blomnath gefunden - wahrscheinlich vergiftet