Segeberger sind coronamüde: Das sagen sie Bürger zum neuen Lockdown

Es ist der Tag danach. Der Tag nach der Entscheidung, dass der Kreis Segeberg ab Donnerstag zurück in den harten Lockdown kehrt, weil die Corona-Inzidenz seit mehreren Tagen über 100 liegt. Am Dienstag waren es schon 116,5 Corona-Infektionen auf 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen – der derzeit höchste Wert in Schleswig-Holstein. Deshalb müssen unter anderem große Teile des Einzelhandels schließen und die privaten Kontakte werden wieder auf eine Person aus einem anderen Haushalt beschränkt. In der Fußgängerzone von Bad Segeberg gehen am Dienstag viele Menschen ein letztes Mal shoppen, bevor die Türen wieder geschlossen werden. Die Rückkehr zu den strengeren Corona-Regeln ist das Gesprächsthema Nummer eins. Der Frust bei den Menschen wächst: Viele sind genervt, Galgenhumor macht sich breit. „Ich habe mir jetzt eine Haarschneidemaschine gekauft, denn zu meinem Friseur darf ich ja nur noch mit negativem Corona-Test“, sagt Dirk Schmidt und lacht. Mit Astrid und Ralf Meier aus Bad Segeberg diskutiert er gerade auf dem Markt über die Entscheidung der Landesregierung. „Mein Verständnis wird langsam weniger. Ich kann das alles nicht mehr nachvollziehen. Wir möchten mal ein Ende sehen, die Politiker müssen das endlich mal gebacken kriegen“, ärgert sich Schmidt. Astrid Meier nickt zustimmend: „Weihnachten haben sie uns gesagt, dass es Ostern wieder gut ist, jetzt geht das gleiche Spiel wieder von vorne los.“ „Deswegen nennen sie das jetzt die dritte Welle, denn wenn wir immer noch in der zweiten Welle wären, wäre das ja für die Leute nicht verständlich“, vermutet Ralf Meier Augenwischerei. Coronaleugner trifft man in den Straßen nicht, aber der Frust wächst und in einem sind sich alle einig: Sie sind coronamüde. „Es ist doch Blödsinn, wenn man von einem Ehepaar nur einen treffen darf. Derjenige geht dann ohnehin nach Hause und bringt das Virus seinem Partner mit“, sagt Astrid Meier, die über Ostern eigentlich ihre Mutter in Vechta besuchen wollte. Aber da würden die Zahlen auch schon wieder ansteigen. „Wer weiß, ob das klappt“, sagt Meier. Schließung des Einzelhandels für viele unverständlich: Viele winken auch verärgert ab, wenn sie das Thema Corona hören. „Warum muss denn immer alles geschlossen werden?“, fragt eine ältere Dame, „in so einer kleinen Boutique hier ist vielleicht ein Kunde drin, wenn es hoch kommt zwei.“ Ein Rentner, der gerade seinen „Coffee to go“ in der Fußgängerzone trinkt, sieht es genauso. „Ich bin richtig erschöpft. Ich hatte mal eine Influenza, die war wirklich heftig. Deswegen würde ich auch niemals bestreiten, dass es dieses Virus gibt. Aber ich glaube trotzdem, dass die Maßnahmen überzogen sind. Und je mehr man testet, desto mehr findet man auch.“ Das Beste aus der Situation machen: Die Schließung des Einzelhandels kann auch Bernd Cunadt aus Traventhal nur schwer nachvollziehen. Er hat es sich auf einer Parkbank bequem gemacht und genießt die Frühlingssonne und den Blick auf den glitzernden Segeberger See. „Manche Maßnahmen sind wirklich so hoppla hopp. Ich weiß nicht, warum immer auf dem Einzelhandel rumgehackt wird, ich glaube nicht, dass da die Infektionen passieren“, sagt Cunadt. Er habe einen Bekannten mit einem Herrenbekleidungsgeschäft, der sich eigentlich sehr gut auf die Situation eingestellt habe. „Trotzdem muss er wieder schließen, der tut mir wirklich sehr leid.“ Insgesamt aber folgt Cunadt dem Appell des Landrats, weiter durchzuhalten. „Na klar, bin ich auch coronamüde, aber wir müssen auch den Ernst der Lage sehen. Es muss etwas getan werden. Vielleicht sollte man sogar mal völlig runterfahren, um Grund in die Sache zu bekommen, denn dieses ewige Auf und Ab ist natürlich schwierig.“ Seine Tochter wird Cunadt an Ostern jetzt nicht wie geplant sehen, aber er bleibt trotzdem optimistisch. „Es nutzt nichts, meine Lebensgefährtin und ich haben ein schönes Häuschen mit Garten, da machen wir es uns dann eben zu zweit gemütlich.“ Das gleiche Ostern wie letztes Jahr: Kerstin Dathe vom Unverpackt-Laden „Nixdrumrum“ in der Hamburger Straße darf weiter öffnen, weil sie Lebensmittel verkauft. „Wir spüren das aber trotzdem, weil weniger los ist in der Stadt. Deshalb haben wir jetzt auch montags geschlossen, um Personal zu sparen.“ Dennoch steht sie hinter der Entscheidung der Landesregierung. „Natürlich bin auch ich coronamüde, aber ich kann den Lockdown nachvollziehen, denn die Infektionszahlen steigen, das kann man nicht wegdiskutieren – und die Impfungen kommen eben nur träge voran.“ Und wie wird sie privat Ostern verbringen? „So wie Weihnachten und schon das Osterfest im vergangenen Jahr. Wenn wir jemand von den Großeltern treffen, dann nur auf Abstand und draußen.“ Von Sven Wehde