Segebergs Corona-Chronik: Der dramatische Weg in den Teil-Lockdown

Während sich die Corona-Krise über den Sommer etwas zu beruhigen schien, steigen die Zahlen in den vergangenen Wochen auch im Kreis Segeberg mit rasanter Geschwindigkeit an. Seit diesem Montag gilt der Teil-Lockdown, der die Entwicklung abbremsen soll. Die Chronik einer dramatischen Entwicklung: 4. August: Sommer im Kreis Segeberg – und das einzige Problem ist der ein oder andere Reiserückkehrer. An diesem Tag werden nur zwei Neuinfektionen registriert. Bei der einen handelt es sich um jemanden, der in Südosteuropa im Urlaub war, die andere Person war in einem anderen Bundesland unterwegs. Anfang August sind nur fünf Menschen im Kreisgebiet infiziert und 33 in Quarantäne. Der Kreis weist darauf hin, dass sich Reiserückkehrer aus Risikogebieten nach der Einreise in Deutschland auf direktem Weg nach Hause oder in eine andere geeignete Unterkunft begeben und sich dort für einen Zeitraum von 14 Tagen nach Einreise in Quarantäne aufhalten müssen. 10. August: Die Schule beginnt wieder und viele Mädchen, Jungen und Lehrkräfte im Kreis Segeberg kommen am ersten Schultag unter ihren Masken ganz schön ins Schwitzen. Denn erstmals gilt eine dringende Maskenempfehlung ab Klassenstufe sieben. Insgesamt ziehen aber die meisten ein positives Fazit. Der erste Tag sei insgesamt gut gelaufen, man habe viel gelüftet und die Türen offen gelassen. Niemand musste wegen Krankheitssymptomen nach Hause geschickt werden, sagt Frank Ulrich Bähr, Schulleiter am Städtischen Gymnasium. Eltern sind allerdings alarmiert, weil die Schulbusse überfüllt sind. Positiv auf Corona getestet worden, aber nicht ansteckend? Was der Ct-Wert über die Infektiosität verrät Drosten: PCR-Corona-Tests sind „zweifelsfrei“ Was kostet ein Corona-Test und wo kann ich mich testen lassen? Was unterscheidet den Corona-Schnelltest vom PCR-Nachweis? Wie entscheidend sind „falsch positive“ Testergebnisse? 25. August: Die Zahl der Corona-Infektionen steigt auch im Kreis Segeberg langsam weiter an. Ein Großteil der Neuinfektionen geht aber auf Reiserückkehrer zurück. So hat das Gesundheitsamt des Kreises erneut vier positive Testergebnisse gemeldet. Bei allen Getesteten handelt es sich um Reiserückkehrer sowohl aus Risiko- als auch aus Nicht-Risiko-Gebieten. Die Gesamtzahl aller bisher nachgewiesenen Infizierten im Kreis steigt auf 395. Das bedeutet, dass an diesem Tag aktuell 15 Menschen mit Corona infiziert sind. In häuslicher Quarantäne befinden sich Ende August 103 Menschen. 1. September: Ein Altenheim in Itzstedt sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Die Heimleitung hat einer Mitarbeiterin gekündigt, weil sie an einer Demonstration gegen die Corona-Auflagen in Berlin teilgenommen hat und anschließend einen Corona-Test verweigert haben soll. 15. September: Gleich mehrere Corona-Fälle an Schulen werden gemeldet. Am Berufsbildungszentrum Bad Segeberg ist ein Schüler positiv. An der Schule am Burgfeld sind es innerhalb weniger Tage sogar sechs Fälle. Gleich mehrere Klassen und Lehrer sind dort in Quarantäne. Mit digitalen Mitteln versucht die Schule, den Unterricht, so gut es geht, aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz zu Anfang August sind jetzt schon 17 Personen mit Corona infiziert. In häuslicher Quarantäne befinden sich 190 Personen. 27.Septemer: In Klein Rönnau muss die erste Kita schließen, weil eine Mitarbeiterin mit Corona infiziert ist. 8. Oktober: Ein zunächst unerkannt mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infizierter Patient ist in die Allgemeine Klinik (AK) der Segeberger Kliniken in Bad Segeberg eingeliefert worden. Zwar zeige der Patient keinerlei Symptome einer akuten Atemwegsinfektion, so das Segeberger Gesundheitsamt, es habe innerhalb der Klinik jedoch etliche Kontaktpersonen gegeben – auch beim medizinischen Personal. 21. Oktober: Die Hoffnung, dass sich die Lage wieder beruhigt, erfüllt sich nicht. Und so ziehen die ersten Veranstalter Konsequenzen: Das Weihnachtsmannwecken und die Eisbahn in Bad Segeberg werden abgesagt, wenig später folgt auch das Aus für die traditionellen Weihnachtsmärkte in Pronstorf und Stocksee. Die Schule hat derweil nach den Herbstferien wieder begonnen. Es gilt jetzt eine Maskenpflicht im Unterricht ab der fünften Klasse. 26. Oktober: Die Fußgängerzone in Bad Segeberg darf nicht mehr ohne Mund-Nasen-Schutz betreten werden. Es wird Maskenpflicht angeordnet, teilt Bad Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld mit. Entsprechende Schilder werden kurzfristig angefertigt. Der Hintergrund: Der erste Schwellenwert ist überschritten, der Inzidenzwert liegt über 35, das heißt im Kreis Segeberg ist die Zahl von 35 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen überschritten worden. Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Das sind die Corona-Regeln ab November Das sind die Regeln zur Maskenpflicht in Lübeck So unterschiedlich sind die Corona-Regeln in den Nord-Bundesländern In diesen Texten informieren wir kostenlos über Corona-Regeln: Beherbergungsverbot: Das sind die Regeln in den anderen Bundesländern Diese weiteren Corona-Regeln haben die anderen Bundesländer erlassen Telefonische Krankschreibung ist wieder möglich Fragen und Antworten: Wo gilt die Maskenpflicht? Welche Ausnahmen gibt es? 27. Oktober: Der Infektionsschutz arbeitet mit einem Kernteam aus 43 Mitarbeitern. Zusätzliche Unterstützung kommt von Mitarbeitern aus anderen Bereichen der Kreisverwaltung – auch am Wochenende. Im Wechsel stehen insgesamt 80 Mitarbeiter zur Verfügung. Doch selbst das reicht zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aus. „Aufgrund der Brisanz der Lage hat der Kreis Segeberg mittlerweile Unterstützung bei der Bundeswehr angefordert. Ab Mitte nächster Woche wird der Infektionsschutz von acht Bundeswehrsoldaten unterstützt“, erklärt Kreissprecherin Sabrina Müller. Die Kreisverwaltung beginnt, Besprechungsräume zu Büros umzurüsten. 28. Oktober: Die Situation kippt, das Gesundheitsamt des Kreises Segeberg wird von den dramatisch ansteigenden Zahlen der Corona-Infektionen quasi überrollt. Der Inzidenzwert, das ist die Anzahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen, steigt jetzt erstmals über 50 Fälle. Landrat Jan Peter Schröder richtet einen eindringlichen Appell an alle Segeberger: „Jeder und jede Einzelne ist jetzt mehr denn je gefragt. Unser aller Verhalten entscheidet in den vor uns liegenden Wochen und Monaten ganz maßgeblich über den Verlauf der Pandemie und damit auch über unsere Zukunft.“ 29. Oktober: Das Gesundheitsamt ist nicht mehr in der Lage, in jedem Fall die Infektionsquellen zu identifizieren und die Infektketten zu durchbrechen. „Auf die vergangenen zwei Wochen entfallen rund 25 Prozent aller gemeldeten Corona-Fälle seit Ende Februar. Aufgrund dieser rasant steigenden Infektionszahlen ist es auch nicht mehr möglich, jede Kontaktperson tagesaktuell zu informieren. Hinzu kommen immer mehr Fälle, bei denen nicht ermittelbar ist, wo sich jemand angesteckt hat“, sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Da der Inzidenzwert jetzt über 50 liegt, gelten verschärfte Corona-Auflagen im Kreis Segeberg. Unter anderem gilt eine Maskenpflicht im Schulunterricht ab der ersten Klasse und für die Kneipen und Restaurants eine Sperrstunde ab 23 Uhr. Erstmals seit dem Sommer ist auch wieder ein Todesfall zu beklagen. „Die Gesamtzahl der Verstorbenen an oder mit Covid-19 liegt im Kreis Segeberg jetzt bei acht“, sagt Müller. Der Inzidenzwert liegt nun bereits bei 68,5. 1. November: Die Bürgermeisterwahl in Bad Segeberg steht ganz unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. Zur Präsentation der Wahlergebnisse im Rathaus dürfen nur wenige ausgewählte Personen kommen. In den Wahlbüros werden Hygiene-Abstände markiert, Desinfektionsmittel verteilt und es gibt 7000 Stifte, damit keine doppelt benutzt werden müssen. 1600 Bad Segeberger haben lieber per Briefwahl gewählt. 2. November: Der Teil-Lockdown tritt an diesem Montag in Kraft und die Restaurants müssen schließen, während das Gesundheitsamt einen traurigen Höhepunkt der dramatischen Entwicklung vermeldet: Kreisweit habe es über das Wochenende 115 Covid-19-Neuinfektionen gegeben. Aktuell seien 311 Personen mit Corona infiziert. Der Inzidenzwert liegt jetzt schon bei 85,5 und es sind drei weitere Verstorbene zu beklagen. Dabei handele es sich um zwei Frauen im Alter von 98 und 88 Jahren sowie einen 93-jähriger Mann. Alle drei lebten in dem Norderstedter Pflegeheim „Haus am Steertpogg“. Die Gesamtzahl aller bisher nachgewiesenen Infizierten im Kreis ist auf 976 gestiegen. Das ist die zweithöchste Zahl in der Region. Nur der Kreis Stormarn vermeldet mehr Fälle. Von Sven Wehde