Segebergs Tauben sterben an Plastikfäden

Da! Wieder so ein dünner Faden, der von einem Tannenbaum am Marktplatz hängt. Bassier Kassamaei Sevend Ali reißt ihn weg, entsorgt ihn sofort in einem Mülleimer. „Diese Fäden sind eine gefährliche Falle für die Stadttauben und viele andere Vögel.“ Seit sieben Jahren kümmert sich der Iraner um die Tauben der Stadt – und leidet mit ihnen. Er tippt auf seinem Handy. Dort sind zahlreiche Filmchen von Bad Segeberger Turteltäubchen gespeichert, die hinken oder ein Bein verloren haben. „Der Schwarze dort hat zwei Finger weg, ich habe ihn befreit.“ Gerade jetzt in der Weihnachtszeit sei es ein gefährliches Leben für die Vögel. Auf den Straßen gibt es kaum Futter, die Tiere hungern und verheddern sich bei der hektischen Suche in herumliegenden Fäden und sterben später unter großen Schmerzen. Der 48-jährige Iraner schätzt den Bestand an Stadttauben in Bad Segeberg auf etwa 300. Er kenne sie alle, sie aber auch ihn, berichtet der Tauben-Versteher lächelnd. Er selbst habe schon 20 Tiere vor dem sicheren Tod gerettet und sei oft in der Stadt unterwegs, um die Reste der Netze von Weihnachtsbäumen und andere Fäden einzusammeln, damit seinen Schützlingen nicht noch mehr passiert. Tauben verschnüren sich lebensgefährlich: Mal humpeln die Stadttauben, mal sind sie mit entzündeten Gliedmaßen unterwegs. Bei der Suche nach Krümeln auf dem Pflaster kommen sie mit den Füßen in Verbindung mit Fäden, Haaren und Netzen. Ganz schlimm ist es, wenn diese auch noch mit Kaugummi verklebt sind, berichtet Ali. Bei der Suche nach Futter können sich die Vögel fruchtbar verschnüren, berichtet auch Maria Praetorius von der Stadttaubenhilfe, einer Arbeitsgruppe des Lübecker Stadttauben-Vereins. „Wir haben schon einige Tiere mit Fäden an den Beinen gefunden, die ihre Zehen verloren haben.“ Durch die Schnüre werden ihnen die Gliedmaßen abgeschnürt, die dann absterben. Das müsse unglaublich schmerzhaft für die Tiere sein. Praetorius: „Ich bitte die Leute, darauf zu achten, dass gerade in der Innenstadt keine Bänder, Netze oder Fäden herumliegen. Bitte aufheben und entsorgen, nicht damit sie unseren Vögeln zum Verhängnis werden.“ Gerade jetzt ist sie wieder mit dem Auto zum Tierarzt unterwegs. Ali hat in Bad Segeberg eine sehr geschwächte Ringeltaube gefunden. Maria Praetorius, Mutter von drei teils kleinen Kindern, packt ihre Familie ins Auto und fährt den Vogel zum Tierarzt nach Oering. Vielleicht ist er noch zu retten. In Lübeck gingen ganze Gruppen von Tierfreunden durch die Stadt, um die Vögel von Schnüren zu befreien, berichtet sie. Sonst könnten die Tiere irgendwann nicht mehr laufen und müssen qualvoll verhungern. Anfang 2017 haben sich mehrere Personen in Bad Segeberg zur „Stadttaubenhilfe Bad Segeberg“ zusammengetan, um die Population an Stadttauben zu überwachen und bei Problemen helfend einzugreifen. Die Gruppe ist Teil des Vereins Stadttauben Lübeck. Ziel der Gruppe ist es, für die Stadttauben in Bad Segeberg einen betreuten Taubenschlag einzurichten. Durch den Austausch von Eiern könnte dabei der Bestand besser kontrolliert werden. Für die ehrenamtliche Arbeit, vor allem beim Aufpäppeln von geschwächten Tauben, werden noch dringend Helfer gesucht. Der Verein Stadttauben-Hilfe ist auch auf Spenden angewiesen. Mehr Informationen gibt es dazu auf der Homepage stadttaubenluebeck.de. Die ehrenamtliche Tierschützerin päppelt zu Hause Tauben auf, bevor sie wieder in die Freiheit entlassen werden können. „Ali ist die Seele für die Tauben in Bad Segeberg“, schwärmt Marie Praetorius von dem Iraner. „Wenn ich die Meldung bekomme, dass in der Stadt eine verletzte oder geschwächte Taube gesehen wurde, geht er hin und fängt sie mir ein.“ Von Wolfgang Glombik