Tierschutz macht Schule: Wahlstedt hat Schleswig-Holsteins ersten Themenraum

Becher- und Lupen, Poster mit Pflanzen und Tieren, CDs zum Wald mit Erklärungen zur Photosynthese und anderen biologischen Vorgängen, etliche Flyer und Unterlagen liegen bereit: Im neuen Natur- und Tierschutzzimmer an der Poul-Due-Jensen-Schule (PDJS) in Wahlstedt sollen fortan Jungen und Mädchen über ökologische Zusammenhänge unterrichtet werden. 5000 Euro haben der Verein „Aktion Tier“ und dessen Stiftung „Menschen für Tiere“, mit dem die Gemeinschaftsschule kooperiert, für die Anschaffung und für weiteres Unterrichtsmaterial spendiert. „Nach zwei Jahren mit vielen Gesprächen ist es nun soweit“, eröffnete Schulleiterin Annette Grosse bei einer kleinen Feierstunde mit Schülern, Eltern- und Stadtvertretern das neue Angebot, das im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts genutzt werden soll – auch im Rahmen der offenen Ganztagsschule. Zudem werde die PDJS Grundschul- und Kitakindern die Möglichkeit geben, hier in Projekten mitzuarbeiten. Grosse: „Es nützt nichts, auf Podien über Tierschutz zu diskutieren, er muss vor Ort zu den Menschen.“ Auch Bürgermeister Matthias Bonse (CDU) lobte das neue Angebot. FSJler hatte die Idee zur Kooperation: Die Idee zum Natur- und Tierschutzzimmer, das das erste seiner Art des Vereins in Schleswig-Holstein ist, hatte Till Rüder. Der 24-Jährige hatte sein Freiwilliges Soziales Jahr, Fachrichtung Pädagogik, an der PDJS absolviert und kannte das Projekt durch Freunde – und da er selbst Mitglied im Verein ist. Geleitet wird das Projekt von Simone Schweiger: „Es ist bundesweit unser 26. Natur- und Tierschutzzimmer“, so die Tierlehrerin des Vereins. Allein in Berlin gebe es 13, fünf weitere in Sachsen. Ziel des Vereins sei es, junge Menschen über Tierschutz aufzuklären und für entsprechendes Handeln zu sensibilisieren. „Um die eigene Einstellung zu hinterfragen und das eigene Verhalten zu reflektieren“, so die Pädagogin und bekennende Veganerin Schweiger. Sie selbst werde gerne bei Anfragen ein bis zwei Mal im Jahr auf Wunsch vor Ort sein können, aber generell kümmern sich die Lehrer um die Unterrichtsgestaltung, in der das Material frei genutzt werden könne. Tierschutz AG soll gegründet werden: In der ersten Unterrichtsstunde vor Neuntklässler stand der Wald auf dem Stundenplan. „Ich finde es gut, dass wir über solche Themen sprechen “, sagt die 16-Jährige Tarja. „Es ist wichtig, auf Tiere zu achten und weniger Müll zu produzieren und wegzuwerfen“, stimmte ihr Mitschülerin Nicola zu. „Ich habe mich mal eine Woche vegan ernährt“, ist auch Eltina (14) das Thema sehr wichtig. Zusätzlich zu dem neuen Angebot plant die PDJS auch, eine Tierschutz-AG zu gründen. Verein hat auch Kritiker: Doch ganz unumstritten ist „Aktion Tier“ nicht. So darf der Verein in Rheinland-Pfalz keine Spendensammlungen durchführen, wie die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) des Bundeslandes bestätigt. Und auch das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DIZ), das Vereine in Deutschland auf den Aspekt der Gemeinnützigkeit unter die Lupe nimmt, sieht den Verein kritisch. Das Institut wirft den Tierschützern Intransparenz im Umgang mit Mitglieds- und Spendengeldern vor. „Aktion Tier“ verfügt laut seinem Jahresbericht allein 2017 über elf Millionen Euro und lässt die DZI-Kritik nicht gelten. Hier sieht man die negative Einschätzung vor allem durch die Ablehnung des DZI-Spendensiegels begründet. „Das ist einfach viel zu teuer. Wir stecken das Geld lieber in Projekte“, begründet Ann Kari Sieme vom Verein. DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke kontert: „Die Basisprüfung und die Einschätzung kostet gar nichts“. Zudem sei das Spendensiegel kein Zwang, sondern ein zusätzliches Angebot. Der Verein formuliert hehre Ziele: „Wir werden daran arbeiten, die Menschen an das Thema Tierschutz heranzuführen, mit Irrglaube und falsch verstandener Tierliebe aufräumen und das Verhältnis (...) zwischen Mensch und Tier nachhaltig verbessern“, heißt es auf der Webseite. Und für ein nachhaltiges Umdenken sei eine Kooperation mit Schulen eine gut geeignete Plattform, denn „Tierschutz beginnt im Kopf“, unterstreicht Simone Schweiger. Der Deutsche Tierschutzbund bietet eine Ausbildung zum so genannten Tierschutzlehrer an. Sie kann nicht nur von Pädagogen, sondern von jedermann absolviert werden. Die Teilnehmer werden dabei an 15 Seminartagen fortgebildet, so Imke Feist vom Deutschen Tierschutzbund. Ein geschützter Begriff sei die Bezeichnung Tierschutzlehrer nicht, betont sie. Die Deutschen haben im vergangenen Jahr nach Angaben des Deutschen Spendenrats über 300 Millionen Euro für Tierschutzaktivitäten gespendet. Alleine im Deutschen Tierschutzbund, dem Dachverband, sind 740 örtliche Vereine zusammengeschlossen. Seit 2006 gibt es den Verein mit dem Namen „Aktion Tier –Menschen für Tiere“. Zuvor hieß er Deutsches Tierhilfswerk. Das Hilfswerk war in die Kritik geraten, als dessen Vorsitzender wegen Veruntreuung von Spendengeldern in Höhe von gut 25 Millionen Euro 2003 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. 2006 benannte sich der Verein um. Heute hat er nach eigenen Angaben rund 190 000 Mitglieder. Der Verein verfügt zudem über Immobilien in Deutschland und in Spanien – hier wird ein Tierheim betrieben. Etwa zehn hauptamtliche Mitarbeiter sind bei dem Verein beschäftigt. Er unterstützt nach eigenen Angaben verschiedene Projekte sowie Tierschutz-Zentren und betreibt sechs eigene Einrichtungen. 2003 gründete der Verein die Stiftung Menschen für Tiere. Dessen Präsident ist Ulrich Laudick. Er ist gleichzeitig Geschäftsführer der Aktion Tier GmbH (vorher Aktion Tier-Verlagsgesellschaft). Von Heike Hiltrop

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