Toiletten-Problem in Bad Segeberg: Geschäftsmann organisierte „Stilles Örtchen“

Bad Segeberg hat ein massives Problem mit „Stillen Örtchen“. Wo gibt es in der Innenstadt öffentliche Toiletten, fragen sich viele Gäste, die hier einkaufen möchten. Nachdem die Stadt vor acht Jahren die unzumutbaren und stark verschmutzten eigenen Toiletten am Seminarweg und am Zob kurzerhand abgerissen hatte, setzte sich die Idee mit den „Netten Toiletten“ durch. Ein bewährtes Modell: Die Stadt zahlt Gastwirten einen Obolus, und diese halten ihre sauberen Toiletten für die Öffentlichkeit bereit. Nur zu Bürozeiten kann man auf die Toilette: Das funktionierte über Jahre sehr gut, doch nun sind coronabedingt alle Gaststätten geschlossen und damit auch die „Netten Toiletten“. Das leidige Thema wird wieder hochgespült. Die Gäste aus dem Umland und die Bad Segeberger, die hier jetzt ihre Weihnachtseinkäufe erledigen möchten, finden das gar nicht nett von der Stadt. Einige sind sogar wütend, müssen sich verzweifelt das Austreten verkneifen. Wo sich in der Innenstadt noch Toiletten befinden, wissen nur Eingeweihte. Damit Pipi-Machen kein Problem wird: Hier sei vorab verraten, dass man im Bad Segeberger Rathaus zu den Bürozeiten die Toiletten nutzen kann, und auch in der Stadtbücherei ist die Benutzung der Toiletten erlaubt – selbst wenn man gar kein Buch ausleihen möchte. Das Weihnachtsgeschäft im Blick: Doch derart „Stille Örtchen“ kennen nur die Insider. Kein Schild weist daraufhin. Den Ausweg aus dem kleinstädtischen Lokusproblem wies Michael Hänchen vom Bekleidungshaus M&H. Er konnte das Drama nicht mehr ansehen, verzichtete auf das Formulieren von Anträgen und besorgte eilig einen Toilettenwagen. „Wir mussten sofort handeln. Im Lockdown im Frühjahr hatten wir drei Wochen das Problem mit den geschlossenen Toiletten. Jetzt sind wir in der Situation, dass viele Kunden in der Stadt unterwegs sind. Wir hatten auch den verkaufsoffenen Sonntag und das Weihnachtsgeschäft im Blick.“ Er hatte das mit Reinhard Schweim vom Unternehmerverein „Wir für Segeberg“ in die Hand genommen. Der half, einen geeigneten Standort zu finden, bei dem Anschlüsse für Schmutzwasser, Frischwasser und Strom dicht beieinander zu finden sind. So einen Platz gibt es offenbar nur im Bereich der Kirchstraße, gleich zu Beginn der Fußgängerzone. Hänchen: „Wir hatten gehofft, dass wir den Toilettenwagen besser positionieren können, aber es geht nur da.“ Da wurde nichts dem Zufall überlassen. Es wurde sogar ausprobiert, ob die Drehleiter der Feuerwehr an dem etwas schräg stehenden Toilettenwagen durchpasst. Auch sonst flutscht hier alles: Die beiden Toiletten würden jeden Tag von einer Firma gereinigt und von zuverlässigen Leuten zwischendurch kontrolliert, versichert Hähnchen. „Nette Toilette“ funktioniert nicht mehr: Im Bauausschuss hielt der zweite Toiletten-Problemlöser, Reinhard Schweim, dann Politikern und Verwaltung fast eine Standpauke. „Wir können doch nicht den Leuten sagen, geht hinter den Busch.“ Die Politik habe sich damals von dem Problem „freigekauft“, indem in Bad Segeberg die „Nette Toilette“ eingeführt wurde. Das funktioniere jetzt nicht mehr, so Schweim, der sich beklagte, dass von Politikern noch ’herumkrittelt wurde, dass der Toilettenwagen nicht barrierefrei sei. Per Eilentscheidung wurde die Politik gebeten, dass die Stadt die Kosten übernimmt. In den Ausschüssen wurde das – zumindest bis zum Ende des Teil-Lockdowns – zugesagt. Für Hänchen ist das eine Selbstverständlichkeit, dass die Stadt hier selbst vorsorgen müsse. „Schließlich zahlen wir Geschäftsleute Gewerbesteuer und auch noch die Tourismusabgabe.“ Da könne sich die Stadt nicht aus dem Thema „Öffentliches Bedürfnis“ heraushalten. Der angemietete Toilettenwagen ist von zehn bis 17 Uhr geöffnet. Die Benutzung ist kostenlos. System der „Netten Toilette“ soll bleiben: Für Michael Hänchen ist wichtig, dass wenigstens die Cafés der Bäcker schnell wieder öffnen dürfen. „Das Verweilen dort ist ganz wichtig für die Kunden in dieser Zeit.“ Die Öffnungszeiten der Toiletten in Behörden, zumal die nicht gerade zentral liegen, seien immer mit den kurzen Öffnungszeiten der Verwaltung gekoppelt, „deshalb musste da etwas passieren“. Hänchen fragt, warum die Stadt sich mit den Auswirkungen der Pandemie nicht schon viel früher beschäftigt habe. Ihm ist auch unverständlich, warum nicht einige der „Netten Toiletten“ – mit Hygienekonzept – offen gehalten werden können. Tatsächlich zahle die Stadt den Gastronomen auch die Kosten für die „Nette Toilette“ weiter, berichtete Bauamtsleiterin Antje Langethal. Die Stadt möchte dieses erfolgreiche System auf alle Fälle beibehalten. Für Michael Hähnchen ist klar: „Wichtig ist jetzt, dass die Kundschaft unser Angebot positiv annimmt. Wir haben jetzt die umsatzstärkste Zeit des Jahres.“ Von Wolfgang Glombik