Versuchter Hammer-Mord in Pflegeheim in Wahlstedt: 24-jähriger Pfleger vor Gericht

Für das Opfer kam die heimtückische Hammer-Attacke wie aus heiterem Himmel: Als die 21-jährige Altenpflegerin im „Haus Wahlstedt“ eine demenzkranke Bewohnerin zur Nachtruhe bettet, schlägt ein Kollege plötzlich mit dem 440 Gramm schweren Eisen wuchtig auf ihren Hinterkopf ein. Seit Freitag muss sich der 24-Jährige wegen versuchten Mordes vor dem Kieler Landgericht verantworten. An der Täterschaft des Angeklagten zweifelt im Schwurgerichtssaal niemand. Der bis dahin unauffällige Altenpfleger, der im Herbst 2015 seine dreijährige Ausbildung in der Einrichtung im Kreis Segeberg begann, flüchtete zunächst mit blutiger Kleidung und zerzaustem Haar. Noch in der Tatnacht am 31. Juli stellte er sich in Bad Bramstedt der Polizei. Unaufgefordert legte er ein Geständnis ab, äußerte sich jedoch nicht zum Tatmotiv. Mit fast manischer Intensität interessierte er sich für sein Opfer: Warum er die junge Frau hinterrücks „niedergehämmert“ hat, wie er es selbst formulierte, konnte der Angeklagte bisher niemandem verständlich machen. Vor Gericht schweigt er. Zur Aufklärung soll ein psychiatrischer Sachverständiger beitragen. Sein vorläufiges Gutachten bescheinigt dem Täter eine gestörte Persönlichkeit mit autistischen und schizoiden Zügen. Der blasse, untersetzte Mann mit der dunkelblonden Kurzhaarfrisur soll noch nie eine Freundin gehabt haben. Eine Zeugin nennt ihn „tollpatschig“ im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Dass der Angeklagte sich vor seinem Gewaltausbruch mit fast manischer Intensität für seine jüngere Kollegin interessierte, geht aus Daten hervor, die das LKA auf seinem Smartphone sicherte. Demnach soll der 24-Jährige, der sich laut Handy-Auswertung auch „rechtsradikalem Gedankengut“ zuwandte, das spätere Opfer hundertfach gegoogelt und in sozialen Medien ausgespäht haben. Wünschte sich der gehemmt wirkende Mann eine Beziehung? Er habe sich „wie in Rage gefühlt und in den Augen des Opfers wiedererkannt“, offenbarte er kurz nach der Tat einem Polizeibeamten. Staatsanwältin: Die Tat war geplant: Für seine radikale Form der Annäherung, die beim blutüberströmten Opfer unter anderem ein offenes Schädel-Hirn-Trauma und einen gebrochenen Finger hinterließ, muss der Angeklagte mit einer dauerhaften Unterbringung in der forensischen Psychiatrie rechnen. Er habe die Tat geplant und auf eine günstige Gelegenheit zum tödlichen Angriff gewartet, so der Vorwurf der Staatsanwältin. Einiges spricht dafür, dass seine Steuerungsfähigkeit stark eingeschränkt war. Am Ende des viertägigen Prozesses muss die Schwurgerichtskammer entscheiden, ob der Angeklagte eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Seit dem Vorfall ist er in einer geschlossenen Abteilung der Ameos-Klinik in Neustadt (Kreis Ostholstein) untergebracht. Zeugin rettete der jungen Frau wohl das Leben: Auf die Polizeibeamten, denen er sich nach einstündiger Irrfahrt durch die Umgebung gestellt hatte, wirkte der Angeklagte „ratlos“. Ein Zeuge in Uniform (31) fand seine Tatschilderung „ungewöhnlich ruhig und emotionslos – als wäre er nur ein Beobachter, nicht der Täter“. Von Streit oder Spannungen mit dem Opfer sei nicht die Rede gewesen. Bei dem Vorfall im Zimmer 110 des von rund 40 demenzkranken Senioren bewohnten Pflegeheims hatte eine andere Mitarbeiterin dem Opfer möglicherweise das Leben gerettet: Die 29-jährige Zeugin lokalisierte auf dem Flur laute Schreie und öffnete vorsichtig die Zimmertür. Durch den Spalt sah sie die Frau blutüberströmt am Boden knien, die Hand des Täters im Nacken. 21-Jährige leidet noch immer unter Folgen der Tat: Mit den Worten „Ich muss das tun, bitte sei leise!“ hatte der Angeklagte das Opfer zuvor auch gegen das Mobiliar geschleudert und gewürgt. Die auffallend zierliche Zeugin war vom Anblick der schwer verletzten Kollegin „geschockt“, fasste allen Mut zusammen und streckte ihr die rechte Hand entgegen. „Ich rief `Komm her zu mir´ und zog sie aus dem Zimmer.“ In diesem Moment habe der Angeklagte von ihr abgelassen und sei geflüchtet. Die junge Frau leide noch heute physisch und psychisch an den Folgen des lebensgefährlichen Angriffs und sei in Behandlung, sagte die 21-Jährige am Freitag im Kieler Landgericht. Nach der Tat lag sie demnach mehrere Tage auf der Intensivstation. Mindestens sechs blutende Wunden seien im Kopfbereich genäht worden. Sie wurde von ihrer Mutter und einem weiteren Betreuer ins Gericht begleitet. Im Verfahren tritt sie als Nebenklägerin auf. Ihr Rechtsanwalt stellte einen Schmerzensgeldantrag im fünfstelligen Bereich. Das Urteil wird am 19. Februar erwartet. Von Thomas Geyer