Vor 50 Jahren startete in Segeberg der Frauenfußball

Auf ihrer Grundstücksausfahrt spielt sie dem LN-Reporter den Ball kräftig zu. Ein bisschen kicken kann die 69-Jährige noch – trotz ihres Knies. Vor 50 Jahren gehörte Frauke Ermisch zu den Fußball-Pionierinnen im Kreis Segeberg. Vorher hatten die Herren vom Deutschen Fußballbund (DFB) verboten, dass Frauen Fußball spielen. Ihre Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Kurzum: Fußball war Männersache. Erst zwölf Jahre zuvor war Frauen gnädig gestattet worden, ein eigenes Konto zu eröffnen, und noch bis 1977 durfte eine Frau nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Kaum vorstellbar heute. Es war noch die Zeit der „Stammhalter“ und der Forderung „Frau gehört an den Herd“. „Manche Frauenmannschaften waren brutal“: Nicht so Frauke Ermisch. Sie ließ sich nie anbinden. „Ich habe Fußball gespielt, weil ich ein Lauf-Mensch bin.“ Genauer, eine Stürmerin. Klaus Gehlhaar war ihr erster Trainer. Eintracht Segeberg, Weddelbrook, Henstedt, Schmalfeld, Westerrade – das waren die Mannschaften im Kreis Segeberg, die anfangs Furore machten. Und später Großenaspe. „Die waren verhasst bei uns, die waren brutal“, erzählt Frauke Ermisch. Dagegen spielte sie später gerne gegen Tensfeld. Die waren eher zartbesaitet. „Wir hatten eine Torfrau, die war der Hammer, die hatte kein bisschen Angst, hat Bälle gehalten und ist durchs Tor geflogen“, erzählt Frauke Ermisch noch heute ganz begeistert. Die Männer kamen zu ihren Sonntags-Spielen, „um zu lachen“, erinnert sich die fröhliche Frau mit dem Linksfuß zu Hause in Krems II, während sie im Album blättert. Die wollten Spaß haben am Sonntag bei den Punktspielen auf der Rennkoppel. Viele Männer empfanden Frauenfußball als unästhetisch. „Ich hatte Freude am Fußball, mir war das egal, wenn sie lachten“, sagt die quirlige Frau. Die Flanke kam von Frauke Ermisch: Mit der Kreisauswahl war man nach Dänemark gereist und hatte dort gegen die favorisierte Mannschaft sogar 1:0 gewonnen. Das goldene Tor hatte Frauke Ermisch mit einer Flanke vorbereitet, hieß es damals in der Zeitung. Dabei wollten die Däninnen mit den Segebergerinnen ursprünglich eigentlich Handball spielen. Ein Missverständnis bei der Verabredung zum Spiel. Auch Hans-Werner Baurycza erinnert sich noch an seine Zeit als junger Schiedsrichter. Er hatte sogar „illegale Frauen-Spiele“ gepfiffen, bevor der DFB am 31. Oktober 1970 das Verbot des Frauenfußballs in Travemünde außer Kraft setzte. Aber er fürchtete sich nicht vor Konsequenzen durch Fußballfunktionäre des DFB. Die Frauen und Mädchen hatten doch Spaß am Sport, da wollte er mithelfen. „Ich ecke schon mal gerne an. Dass man Frauen das Spielen verbietet, habe ich nie verstanden“, sagt der heute 70-Jährige. Warum zwei Schiris bei den Frauen nötig waren: Die ersten offiziellen Frauenspiele 1970 wurden teilweise von zwei Schiris geleitet, „weil wir den Frauen im Spiel zeigen mussten, wie man Freistöße schießt und Einwürfe macht“, schmunzelt der Regel-Experte. Und vor allem sei wichtig gewesen, ihnen beizubringen, dass die Spielerinnen nicht auf das eigene Tor schießen. „Es war schon eine herrliche Geschichte, die Frauen waren unheimlich wissbegierig und ehrgeizig“, erinnert sich Baurycza. Betreuer der ersten Stunde im Damenfußball waren bei Eintracht Segeberg Harry Staack, bekannt als „Messer-Harry“, und seine Frau Brunhild Staack „Bobby“. Sie wurde als erste Fußballtrainerin überhaupt im Kreis Segeberg auch in den Medien gefeiert. „Die Staacks, das waren damals die Seelen der Segeberger Damenmannschaft“, erinnert sich Frauke Ermisch. „Das waren richtig tolle Trainer, auf die lasse ich nichts kommen.“ In ihrer Damenmannschaft ging es nicht um den Erfolg, sondern um die Gemeinschaft. Ganz erfolgreich war später der Schmalfelder SV, dessen erste Frauenmannschaft auch zeitweise in der Bundesliga kickte. Im Jahr 1990 ist diese Segeberger Mannschaft sogar Gründungsmitglied der zweigleisigen Bundesliga gewesen. Und dieses Team brachte mit Frauke Kuhlmann sogar eine Nationalspielerin hervor. Die knappen Sporthosen der Siebziger: Bei Eintracht Segeberg kamen nicht viele Zuschauer. „Auf der anderen Seite waren wir auch froh, wenn nicht so viele zum Pöbeln kamen.“ Ob nun bei den Herren und Damen in den siebziger Jahren: Die Trikot-Hosen seien damals extrem kurz gewesen. „Das gibt es heute gar nicht mehr“, sagt Frauke Ermisch schmunzelnd. Nach der Baby-Pause hängte sie noch einige Jahre Fußball bei SC Rönnau dran. Doch auch das Frauenfußballspiel wurde immer härter und die Sprüche auf dem Platz immer derber. Sie hörte schließlich auf und sorgt seither dafür, dass ihre Kinder und später Enkelkinder – diese bevorzugten allerdings Handball – immer zum Sport kamen, chauffiert von Oma zu allen Sportplätze und Hallen Schleswig-Holsteins. So blieb sie dem Sport verbunden und „ich hatte meine Kinder immer bei mir“. Von Wolfgang Glombik