Wahlstedts alter Rewe-Markt: Schrottimmobilien-Versteigerung ausgesetzt

Auf den 24. November 2020 hatte so mancher Bürger gesetzt. Es sollte der Termin werden, an dem der alte Lebensmittelmarkt, der seit Jahren zum größten Teil leer steht und vor sich hingammelt, versteigert wird. Damit, so die Hoffnung vieler Wahlstedter, würde auch endlich dieser heruntergekommene Schandfleck verschwinden. Die Stadt hatte das Verfahren vorangetrieben. Der Grund: Nachdem Rewe einen neuen Markt gebaut hatte und ausgezogen war, wurden seit Jahren für das 4500 Quadratmeter große Eck-Grundstück mit 1078 Quadratmetern überbauter Nutzfläche keine Steuern mehr gezahlt. Bummelig 50 000 Euro sind nach LN-Informationen zusammengekommen. Doch nun macht ausgerechnet die Stadt Wahlstedt wieder einen Rückzieher. „Die Zwangsversteigerung ist ausgesetzt“, bestätigt das Amtsgericht Bad Segeberg. Aber nicht etwa, weil die Steuerschuld beglichen wurde, sondern weil dort auf alle Fälle kein Discounter mehr seine Pforten öffnen soll. Gutachter hatten das aufgrund der unzeitgemäßen Bauart bereits als unwahrscheinlich nahezu ausgeschlossen und den Verkehrswert auf niedrige 330 000 Euro taxiert. Ein Bieter hätte auch weit darunter den Zuschlag bekommen können – ein Schnäppchen angesichts explodierender Grundstückspreise. Doch das hat seinen Grund. Das eingeschossige Gebäude aus dem Jahr 1973 gleicht einer Schrottimmobilie. Es ist nie saniert worden und laut Experten nur noch für den Abriss tauglich. Der schlage zusätzlich mit bummelig 120 000 Euro zu Buche. Neuer Versteigerungstermin womöglich im Mai 2021: Schon vor einigen Monaten hatte Bürgermeister Matthias Bonse (CDU) verlauten lassen, dass sich die Stadt an dieser Stelle bezahlbaren Wohnraum wünsche und den Bebauungsplan entsprechend auf den Weg bringen werde. Mit dem kurzfristigen Rückzug will die Stadt nun auf Nummer sicher gehen, dass dort nicht doch noch ein großflächiger Einzelhandel entsteht. Sechs Monate Frist bleiben Verwaltung und Politik, um festzulegen, wohin die Reise für das Gelände gehen soll. Ursprünglich war die Gewerbeimmobilie an der Neumünsterstraße in Wahlstedt ein Lebensmittelmarkt mit kleinem, separatem Bankgebäude. Später wurde der schmale Durchgang überdacht und ein Gebäude daraus gemacht. Ein Minimal-Supermarkt mit Getränkeshop und Bäcker waren dort untergebracht sowie eine Spielhalle. Vor 16 Jahren begann Rewe, Eigentümer seit 1989, alle seine Filialmarken unter der Dachmarke zu bündeln. Der Name kürzt sich aus „Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften“ ab. Die Genossenschaft war 1927 von Kaufleuten gegründet worden. 2010 wollte Rewe mit der Wahlstedter Filiale umziehen. Um sich zu vergrößern, hatte sich die Genossenschaft das etwa 10 000 Quadratmeter große Grundstück gegenüber der Poul-Due-Jensen-Schule ausgeguckt und erworben. Widerstand gab es seinerzeit aus den Reihen der Christdemokraten und der FDP. Sie befürchteten, dass das leer stehende alte Gebäude verkommen könnte. Im Oktober 2012 kam dann doch das Okay für den Neubau und den Umzug 2013. Die Unkenrufer behielten jedoch Recht: Seither gammelt die alte Immobilie nahezu ungenutzt vor sich hin. Lediglich im Keller proben Bands, auch die Spielhalle gibt es noch. Einer, der schon am Dienstag mitbieten wollte, ist Unternehmer Florim Fejzullahu aus Wahlstedt. „Ich glaube die Immobilie wäre unter dem Verkehrswert weggegangen. Es ist einfach noch viel an dem Grundstück zu tun, was Geld kostet. Ich würde vielleicht Reihenhäuser bauen wollen.“ Auch Stadtvertreter Jaroslav Mill (WfW) hatte im Vorweg Interesse an dem Gelände bekundet. „Insgesamt besteht das von vielfältiger Seite“, sagt Bauamtsleiter Torsten Maaß. Es hätten schon mehrere potenzielle Investoren mit der Stadtverwaltung Kontakt aufgenommen. Mehrgeschossiger Wohnungsbau favorisiert: Doch die müssen sich gedulden. „Wir werden jetzt Rahmenbedingungen festlegen. Sechs Monate sollten reichen, um möglichen Trägern Sicherheit zu geben“, umreißt Maaß den Zeitplan, um zumindest die Eckpfeiler für eine Bebauung einzurammen. Wie für etwa die Hälfte des Stadtgebietes gebe es auch für das Areal an der Ecke Neumünster-/Scharnhorststraße keinen B-Plan. „Das wird definitiv Geschosswohnungsbau, etwas anderes kann es nicht werden, vielleicht kombiniert mit gewerblicher Nutzung. Letztendlich muss der Eigentümer sehen, was er am Markt platzieren kann.“ Doch zunächst sei es an der Politik festzulegen, was aus dem Grundstück werden solle. Und die hat sich bisher damit noch nicht auseinandergesetzt. 315 Tochterunternehmen gehören zum Rewe-Konzern. Er setzt sich aus der Rewe-Group und der Rewe Zentralfinanz zusammen. Zur Rewe-Group gehören unter anderem Nahkauf, Penny, Billa (Österreich), die toom-Baumärkte, DER-Touristik, Jahn Reisen, Meiers Weltreisen und Zoo Royal. 55,4 Milliarden Euro Jahresumsatz wurden 2019 gemacht (Quelle: Konzernbericht). 3749 Penny-Märkte gibt es laut Selbstauskunft des Unternehmens in Europa. 1760 Rewe-Super- und Verbrauchsmärkte wurden 2019 in Deutschland betrieben. Erwerber könnte Mitte 2021 aufräumen: Ende Mai 2021 wird voraussichtlich ein zweiter Anlauf für eine Zwangsversteigerung genommen, auch wenn der endgültige Beschluss dann noch ausstehen sollte. „Für ein B-Plan-Verfahren benötigen wir ein Jahr. Allein die Corona-Krise kostet uns unterm Strich mindestens sechs Monate Zeit. Aber wenn ein Interessent mit den angestrebten Wünschen mitzieht, bestünde nach dem Erwerb sicherlich die Möglichkeit, mit Aufräumarbeiten zu beginnen“, macht Wahlstedts Bauamtsleiter deutlich, dass sich auch die Bürger weiter in Geduld üben müssen: „Im Sommer 2022 dürften, wenn alles gut läuft, etwaige Baugenehmigungen durch sein.“ Lesen Sie auch: Lungenklinik Borstel: Hoffnungsschimmer nach Beratungen zur Zukunft des Krankenhauses Kommentar zur Bürgermeisterwahl in Bad Segeberg: Der schwerste Brocken für Toni Köppen Nach Raub in Wahlstedt: Zwei 18-Jährige in Untersuchungshaft Von Heike Hiltrop