Wasserspiegel am Ihlsee in Bad Segeberg dramatisch gesunken

Aus der Luft sieht es dramatisch aus. So breit scheint der Strand am Ihlsee noch nie gewesen zu sein. Für Hobby-Pilot Karsten Wilkening ist es „ein Jammer, aus der Luft zu sehen, dass der Bad Segeberger Ihlsee immer mehr an Wasser verliert“. Für ihn ist es fraglich, ob sich der See über Herbst und Winter überhaupt noch neu auffüllen könne. Dr. Henning Vollert, Ihlseeanlieger und Stadtvertreter der Grünen in Bad Segeberg, schätzt auf LN-Nachfrage, dass der Wasserpegel ungefähr einen halben Meter gegenüber früheren Jahren gesunken sei. „Der letzte Sommer war extrem trocken, aber es ist nicht das erste Mal, dass der Wasserstand so tief ist.“ Es habe in vergangenen Jahrzehnten laut Zeitzeugen schon Niedrigwasserstände gegeben, aber selten in diesem Ausmaß. Folge des Klimawandels? Für Vollert könnte das auch eine Folge des Klimawandels sein. Immerhin gebe es den Vorteil, dass der niedrigere Wasserpegel bestimmten Wasserpflanzen, wie der unter strengem Naturschutz stehenden Wasserlobelie, aktuell sogar gut tun könne. Auf LN-Nachfrage erklärt das Kieler Umweltministerium, dass der Ihlsee keinen Zulauf habe. Er speist sich aus Grundwasser und Niederschlag. „Die Wasserstände des Sees korrespondieren daher mit denen des Grundwassers und weisen natürlicherweise eine hohe Schwankungsamplitude auf.“ Die Grundwasserstände sind aufgrund des trockenen Vorjahres und des darauffolgenden Winters immer noch sehr niedrig. Somit konnte auch das Wasserdefizit des Ihlsees dieses Jahr nicht aufgefüllt werden, teilt das Ministerium mit. Es gebe keine sinnvolle Maßnahme, den See „aufzufüllen“. Nachhaltige Schäden auf den Stoffhaushalt und die Lebensgemeinschaften seien nicht zu erwarten. Eine Wasserentnahme sollte nicht erfolgen, warnt das Ministerium. Niedrige Wasserstände günstig für Strandlingsrasen: Der niedrige Wasserstand habe auch positive Aspekte: So keimten auf dem feuchten Sandufer vermehrt Strandlingsrasenarten. Einige Arten dieser Lebensgemeinschaft wie der Europäische Strandling blühten nur, wenn sie trockenfallen, und bildeten dann Samen aus. Der Bestand dieser Arten wird dadurch gefördert und das Überleben gesichert. Während des Trockenfallens werden organische Bestandteile des Sediments abgebaut. Durch die Mineralisation werden die Sedimenteigenschaften für die Strandlingsrasenarten verbessert. Insgesamt sind zeitweise niedrige Wasserstände günstig für die Vitalität der Strandlingsrasen, teilt das Ministerium mit. Mehr Sorgen bereitet dem Biologen Vollert die Qualität des Wassers. Anders als für Betriebsleiter Rüdiger Ostwald, der für den Förderverein Ihlsee-Strandbad die Badeanstalt leitet und sich im Juli in den LN auch für seine Badegäste über „sehr gute Wasserwerte“ freute, sieht für Vollert die Situation ganz anders aus. Auch nach einem neuen Gutachten von der Hamburger Uni werde bestätigt, dass sich die ökologische Wasserqualität des Sees, die seit Jahrzehnten begutachtet werde, sich erschreckend verändert habe. Vollert: „Da wurde viel, viel Geld über die Jahre für Gutachten ausgegeben, aber seitens des Landes wurde wenig für den Erhalt dieses einmaligen Sees getan.“ Der Ihlsee sei einfach nicht mehr oligotroph, also nährstoffarm. Das Wasser werde immer trüber, über Monate gab es im vergangenen Jahr sogar eine Algenblüte. Laut dem neuen Gutachten sei die Zahl der Arten deutlich zurückgegangen. Henning Vollert: „Wenn ein oligtropher See im Tiefenbereich sauerstoffrei ist, dann ist das eine Katastrophe.“ So etwas dürfe man nicht mehr schönreden. Früher gab es noch klare Sicht unter Wasser: Vollert: „Es gibt Fachleute, die sagen, dass man die Nährstoffe wieder herausholen muss. Wenn man nichts tut, werden noch mehr seltene Arten wegsterben.“ Das sei technisch möglich. Als er vor Jahren an den Ihlsee zog, habe er im See beim Schnorcheln noch „zig Meter“ weit schauen können. „Das war ein tolles Bild, wenn man Hunderte von Fischen sieht und dazwischen einen Hecht.“ Diese Idylle – fast wie in der Karibik – gebe es nicht mehr, seit drei Jahren habe man beim Schnorcheln im See nur noch eine Sicht von wenigen Metern. Der Ihlsee werde vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in diesem Jahr hinsichtlich des Stoffhaushaltes und Lebensgemeinschaften untersucht, teilte dazu das Kieler Umweltministerium am Dienstag mit. Von Wolfgang Glombik

Naturschutz - Wasserspiegel im Ihlsee sinkt: Ministerium gibt Entwarnung