Wie Segebergs Seniorenheime jetzt ihre Bewohner vor Corona schützen

Die Infektionszahlen steigen im Kreis Segeberg rasant an. Durch Covid-19-Infektionen verursacht, gibt es sechs Todesfälle in einem Norderstedter Pflegeheim „Haus am Steertpogghof“. Am Dienstag verstarb auch eine infizierte 82-jährige Bewohnerin in dem Heim. Doch wie schützen wir unsere Ältesten? Wie sind die Pflegeheime aufgestellt? Welche Maßnahmen ergreifen sie gegen die Gefahr durch Covid-19? Ist der Schnelltest bei Mitarbeitern und Besuchern die Lösung? „Wir setzen nicht auf Schnelltests“, bekräftigt Lea Hoffmann von der Heimleitung im Bad Segeberger Haus Parkblick, das 60 Bewohner hat. Wenn es als gesetzliche Auflage komme, „müssen wir es tun“. Aber „Panikmache durch falsche Tests“ bei ihren Bewohnern möchte sie auf jeden Fall vermeiden. Das würde zu sehr an den Nerven zehren. Schon jetzt sei die Aufregung groß, wenn einer ihrer Bewohner „eine Schnupfnase“ habe. Der Corona-Schnelltest war unzuverlässig: In einem Senioren-Wohnheim in Großhansdorf hatte sich ein Schnelltest kürzlich als unzuverlässig erwiesen. Nach der festgestellten Corona-Infektion bei einer Reinigungskraft gab es nach dem positiven Test den Verdacht, dass sich 22 Personen mit dem Virus infiziert hatten. Doch sie waren alle negativ. Das stellte sich Tage später nach einem normalen PCR-Test heraus. „Wenn es soweit ist, erwarte ich vom Land oder vom Bund, dass sie einheitliche Richtlinien erlassen, wie man zuverlässige Schnelltests beziehen kann und wer hierzu Fortbildung für Pflegepersonal anbietet“, fordert Lea Hoffmann. „Wir haben in unserem Haus noch keinen Verdachtsfall gehabt und fühlen uns bestärkt in unserer Strategie.“ Die Todesfälle in Norderstedt machten sie „betroffen und wütend“. Für ihren langjährigen Mitarbeiterstab lege sie „ihre Hand ins Feuer“. Andere Pflegeeinrichtungen hätten ihren Bewohnern kurz vor dem Teil-Lockdown noch ermöglicht, in Restaurants und Cafés zu gehen. So etwas lehnte Lea Hoffmann ab: „Unser Ziel ist es, hier alle gesund zu erhalten, unsere Bewohner sind zwischen 80 und 100 Jahre alt.“ Eine Hochrisiko-Gruppe. Im Haus Parkblick gibt es einen Besucherraum, der jetzt sehr oft frequentiert wird. Der sei so sicher mit einer Plexiglasscheibe ausgestattet, dass die Angehörigen bei ihrem zweistündigen Besuch keinen Mundschutz tragen müssten. Der Bewohner sei absolut geschützt. Nur bettlägerige Palliativ-Patienten dürften auf ihren Zimmern Besuch bekommen. Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Das sind die Corona-Regeln ab November Das sind die Regeln zur Maskenpflicht in Lübeck So unterschiedlich sind die Corona-Regeln in den Nord-Bundesländern In diesen Texten informieren wir kostenlos über Corona-Regeln: Beherbergungsverbot: Das sind die Regeln in den anderen Bundesländern Diese weiteren Corona-Regeln haben die anderen Bundesländer erlassen Telefonische Krankschreibung ist wieder möglich Fragen und Antworten: Wo gilt die Maskenpflicht? Welche Ausnahmen gibt es? Angehörige müssen Abstand halten: Bei den jetzt enorm steigenden Infektionszahlen hat das Haus Parkblick seinen Bewohnern auch Spaziergänge mit Angehörigen im nahen Park untersagt. Auch hier könne man sich zu nahe kommen, würden Abstandsregeln nicht eingehalten, hat Lea Hoffmann erfahren „Wir haben verständnisvolle Angehörige, die diese Einschränkung nachvollziehen können.“ Ansonsten sei das Leben im Heim mit dem regen Austausch der Bewohner auch beim Lockdown im Frühjahr beibehalten worden. „Eine soziale Isolation fand in unserem Haus nie statt. Wir möchten unsere Bewohner schützen, sie aber nicht in ihren Zimmern einsperren.“ Ein Effekt der Corona-Hygiene-Maßnahmen sei es auch, dass im Haus Parkblick die Sterberate sinke. „Wir hatten in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Haus so wenig verstorbene Bewohner wie noch nie“, sagt Lea Hoffmann. Hier sei noch nicht einmal ein Schnupfen hinein getragen worden. So etwas könne sonst bei einem Bettlägerigen eine Lungenentzündung auslösen. Im Probstei-Altenheim, zu dem auch das Haus Marienhof gehört, habe man extra einen Besuchsdienst eingestellt, der die Angehörigen auf das Zimmer der Heimbewohner geleitet und darauf achtet, dass Mundschutz getragen wird. „Wir halten uns an die Allgemeinverfügung des Landes“, heißt es von der Heimleitung. Plötzlicher Besucher-Run auf Pflegeheime: Auch im Bad Segeberger Azurit-Seniorenzentrum Eichenhof mit 70 Bewohnern erfüllt man alle Corona-Regeln trotz des Pflegekräftemangels. Im Sommer durften Angehörige die Senioren auf der Terrasse oder in Zelten treffen. Die Besucher sollten möglichst nicht ins Haus kommen. Alles nur mit Voranmeldung. In der kalten Jahreszeit gibt es ein Besucherzimmer. Heimleiterin Kirsten Fries registriert verwundert, „dass seit Corona die Angehörigen viel mehr das Bedürfnis haben, unsere Heimbewohner zu besuchen“. Das, was jetzt an Angehörigen komme, habe sie „seit sieben Jahren vor Corona nicht gesehen“. Schnelltest für Besucher vor dem Seniorenheim: Sie bitte die Angehörigen immer zu prüfen, ob statt eines Besuches nicht auch ein Video-Telefonat gehe. Die technischen Voraussetzungen seien alle da. „Wir würden auch gerne Briefe von Angehörigen vorlesen, aber jetzt wo die Corona-Gefahr besonders hoch sei, wollen sie alle unbedingt kommen – das stellt uns vor große Herausforderungen.“ Geplant sei jetzt vor dem Besuch, die Angehörigen draußen im Zelt per Schnelltest zu überprüfen. Das Konzept dazu werde vom Gesundheitsamt geprüft. Der Abstrich dazu müsse vom medizinischen Personal mit geleistet werden. In etwa zwei Wochen soll hier die Testung starten. Geplant sei bei steigendem Corona-Inzidenzwert zudem, die Mitarbeiter täglich und die Bewohner wöchentlich zu testen. Eines sei sicher: Die Pflegekräfte werden dadurch zusätzlich belastet. Das größte Problem von Heimleiterin Fries ist ohnehin der eklatante Mangel an Pflegekräften. Das werde so nur noch schlimmer. Von Wolfgang Glombik