Wildtierrettung: Was tun, wenn Igel, Krähe und Co. Hilfe brauchen

Unglaubliche 1400 Igel hat Gert Nagel im Laufe seines Lebens gepäppelt und ausgewildert. Der Bockhorner gilt als Segebergs Igelvater. Sein Herz schlägt schon seit seinem ersten Überwinterungsgast, 1979, für die kleinen stacheligen Lebenskünstler. Gerade füllt sich seine Pflegestelle wieder, 16 Tiere sind es bisher. Bis nach den Eisheiligen Mitte Mai 2022, wenn wieder Futter zu finden ist, bekommen Igel bei ihm Quartier. „Meine Auflage ist klar gesetzlich geregelt: Ich darf kein Tier aus der Natur entnehmen, aber ich darf zu schwache und kranke, die mir gebracht werden, gesund pflegen.“ Laien verkennen oft die Situation: Igel sind – wie Dachse, Fledermäuse oder Krähen – Wildtiere. Sie unterstehen dem Bundesnaturschutzgesetz. Ob tot oder lebendig, sie dürfen nicht einfach mitgenommen werden. Bei Tieren wie Hase oder Fuchs beispielsweise, die dem Jagdrecht unterliegen, wäre das sogar Wilderei. Und die ist strafbar. Ein Problem ist, dass viele Laien die Situation verkennen. Rehkitze, Feldhasen und flügge gewordene Vogelbabys, die anscheinend alleine gelassen sind, sind meistens nicht in Not. Es ist eine Schutzstrategie der Eltern, damit die Jungen nicht von Fressfeinden entdeckt werden. Wer ein wirklich hilfsbedürftiges Wildtier aufnimmt, der muss das beim Ordnungsamt melden. Nur unter strengen Voraussetzungen ist es möglich, ein Wildtier privat zu halten. Hinzu kommt, dass die Suche nach passender Hilfe oft der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht. „Die Leute wissen einfach nicht, an wen sie sich wenden können. Vieles ist zu weit weg. Was wir unbedingt brauchen, ist eine geförderte Wildtierstation zwischen Segeberg und Lübeck“, fordert Christiane Gransee aus Klein Gladebrügge, die selbst bis vor Kurzem Wildtiere versorgt hat. „Man muss sich bewusst sein, dass man eine Genehmigung braucht“, betont Elke Schwaiger aus Rehhorst (Kreis Stormarn). Sie betreibt weit und breit die einzige Auffangstation für Rabenvögel. „Und man muss wissen, dass sie einem die Haare von Kopf fressen“, sagt die Tiertrainerin. Und Laien brauchen fachkundige Anleitung“, betont Gabi Voß, die in Nehms ehrenamtlich eine Fledermausambulanz aufgebaut hat. „Viel denken zum Beispiel, dass Vögel als erstes Wasser brauchen. Das ist meistens ihr Todesurteil, denn ihre Luftröhre liegt unter der Zunge. Flößt man ihnen Flüssigkeit ein, dann ertrinken sie“, mahnt Sina Jakubzig von der Wildtierhilfe Auenland westlich von Bad Bramstedt. „Was verletzte Tiere brauchen, ist Wärme. Und kompetente Obhut.“ Wegnahme von „Charly“ wäre nicht nötig gewesen: Trotz allem kritisieren sie und viele andere den harten Umgang der Segeberger Behörden im Bezug auf Krähe „Charly“. Der flugunfähige Vogel lebte, wie berichtet, 17 Jahre lang im Haus von Renate Schoemann. Eine anonyme Anzeige und die falsche Beschuldigung, die Bad Segebergerin würde den Rabenvogel nur im Bad halten, haben gereicht. Der Vogel wurde konfisziert. „Niemand hat mir gesagt, dass ich ihn melden muss“, trauert die 80-Jährige noch immer. Dass die Seniorin nicht alles falsch gemacht haben kann, davon sind auch Tierärzte und Wildtierfachleute überzeugt. Genutzt hat es nichts. Auf verletzte Greifvögel, Eulen und Störche ist der Wildpark Eekholt bei Großenaspe mit seiner Vogelpflegestation spezialisiert: Telefon: 043 27/99 23 0. Krähen, Dohlen und andere Rabenvögel werden bei Tiertrainerin Elke Schwaiger in Rehhorst gepflegt: Telefon: 045 33 /20 86 73. Eine Fledermausambulanz gibt es in Nehms bei Gabi Voß. Vor allem Mücken-,Zwerg-, Rauhaut- und Breitflügelfledermäuse päppelt die 49-Jährige. Die Telefonnummer lautet: 0163/58 94 405. Raubsäuger wie Eichhörnchen, Dachse, Fledermäuse, Füchse, Marder und andere werden in der Wildtierhilfe Auenland von Sina Jakubzig in Mühlenbarbek unweit von Bad Bramstedt gepflegt. Telefon: 0173/96 29 024. Igel in Not haben es bei Gerd Nagel in Bockhorn gut, bis sie wieder ausgewildert werden können. Seine Auffangstation für die stacheligen Gesellen ist seit vielen Jahren schon anerkannte Anlaufstelle. Telefon: 045 58/555. Alle Wildtiere außer Waschbären und Wildschweine sind in der Wildtierhilfe Fiel in Nordhastedt bei Meldorf bestens aufgehoben. Hier stehen Dirk und Rosi Fußbahn auch gerne mit Rat und Tat via Youtube zur Seite. Telefon: 048 04/18 65 14. Wildschweine sind chancenlos, vor allem mit Blick auf die Afrikanische Schweinepest. Der offizielle Weg ist es, einen Jäger anzurufen, der es erschießt. „Charly“ wurde weggeschafft. „Zum Schutz und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit“, heißt es in einem Behördenschreiben. „Das Affektionsinterresse (Anm. Red.: Liebhaberinteresse ohne wirtschaftlichen Wert) hat hier hinter dem öffentlichen Interesse zurückzustehen.“ „Ich habe das auch nicht gewusst.“ Franziska Körber steht im Vorgarten und beobachtet „Krachmacher“ beim Baden in einer Schale. Im Frühjahr wurde die junge, geschwächte Krähe im Garten entdeckt. Die Bockhornerin pflegte sie mit Mehlwürmern und anderem artgerechten Futter. „Zwei Wochen war er im Haus, dann haben wir ihn langsam an ein Leben draußen gewöhnt. Ich sah gar nicht die Dringlichkeit einer Anmeldung. Er lebt ja frei.“ Aber er sucht die Nähe zur Familie und den Nachbarn. Mitunter auch nachdrücklich, was nicht jedem gefällt und ein Problem beschreibt: Der Umgang mit Wildtieren, die die Scheu vor Menschen abgelegt haben, kann schwierig werden. Darum haben Franziska Körber und ihre Familie sich schweren Herzens von „Krachmacher“ getrennt. Er soll in einer Wildtierstation von Menschen entwöhnt werden. Die Auswilderung ist für November geplant. Von Heike Hiltrop