Woher kommen Segebergs Weihnachtsbäume?

Der „Cutter“ ist ungefähr so groß wie ein Rasenmäher, nur dass er vorne eine große scharfe Zange hat. Mit der fährt Lukas Nawrocki an den Stamm der Nordmanntanne heran, und dann wird diese kurz über der Erde einfach „abgeknipst“. Der Trecker zieht derweil die Netzmaschine durch die riesige Weihnachtsbaumkultur bei Negernbötel. Auf insgesamt 30 Hektar produziert Landwirt Sönke Reiners seine Weihnachtsbäume. Der Verkauf seiner Bäume, unter anderem an der Marienkirche in Bad Segeberg, startet erst im Dezember. Trotzdem hat die Saison schon begonnen. Jetzt schlägt er gerade 250 Bäume, die für die Dekoration der Fußgängerzone in Bad Segeberg gedacht sind. Und auch der Hagebaumarkt in Bad Segeberg hat schon bei ihm bestellt. Es sei ganz gut, wenn die Bäume noch ein paar Tage draußen liegen. „Wenn ein Baum abgesägt wird, sollte er nicht gleich rein ins warme Wohnzimmer, dann nadelt er sofort“, erklärt Reiners. Die Weihnachtsbäume sind konventionell produziert. „Wenn wir nicht düngen, werden die eher gelblich und die Tannen haben sonst auch gern mal Läuse“, erklärt Reiners. Tannenbäume brauchen weniger Pflanzenschutzmittel: Tatsächlich ist das Thema „Bio“ bei Weihnachtsbäumen noch nicht so im Fokus wie bei Lebensmitteln. „Es gibt extrem wenig von biozertifizierten Bäumen direkt aus dem Wald, die spielen eher eine untergeordnete Rolle“, erklärt Saskia Blümel vom Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger. Das liege daran, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei der Weihnachtsbaumzucht deutlich reduzierter sei als bei der konventionellen Landwirtschaft. „Zudem besteht kein Risiko für den Endverbraucher. Studien konnten Ausdünstungen nie nachweisen“, sagt Blümel. Den meisten Verbrauchern sei die Bio-Qualität bei Weihnachtsbäumen daher nicht so wichtig, wohl aber die Regionalität. Der Anteil der Bäume, die direkt beim Erzeuger gekauft werden, steige langsam aber kontinuierlich an. Rund ein Viertel kauft direkt beim Erzeuger: Bei der letzten großen Umfrage 2018 waren es schon 23 Prozent der Kunden, die direkt beim Erzeuger gekauft haben. Rund 30 Prozent kauften beim Händler, der zum Beispiel in einem abgezäunten Areal in der Innenstadt steht, 24 Prozent im Baumarkt oder Supermarkt und 15 Prozent bei Gärtnereien oder in Gartencentern. Das hängt jedoch offenbar nicht nur mit dem Umweltbewusstsein der Käufer zusammen. „Die Leute ziehen gerne mit der ganzen Familie los und lieben den Eventcharakter, also wenn es dann noch einen Glühwein oder eine Bratwurst gibt. Das wird dieses Jahr wegen der Corona-Krise nur leider nicht möglich sein“, sagt Blümel. Trotzdem hat die Entwicklung einen positiven Effekt für die Umwelt gehabt. Blümel: „Vor zehn Jahren wurden noch rund 25 Prozent der Bäume aus Dänemark importiert, jetzt sind es vielleicht noch zehn Prozent. Dafür haben wir auch in Schleswig-Holstein deutlich mehr eigene Anbaufläche.“ Anbieter hoffen auf mehr Umsatz: Zu den großen Anbietern gehört auch das Gut Stockseehof. Betriebsleiter Klaus Albersmeier hat Weihnachtsbäume auf gut 15 Hektar Land. „Rund 10 000 sind zwischen 1,10 und 2,5 Metern und damit schlagfertig“, berichtet er. Auch auf dem Gut Stockseehof muss der große Weihnachtsmarkt in diesem Jahr wegen der Corona-Krise ausfallen. Albersmeier hofft dafür auf eine große Nachfrage bei den Bäumen. „Dieses Jahr fährt niemand in den Skiurlaub, die Leute wollen es sich zuhause nett machen“, prophezeit der Betriebsleiter, der in diesem Jahr auch erstmals wieder Bäume zum Selberschlagen anbietet. Auch er hat beobachtet, dass den Kunden vor allem die Regionalität der Bäume sehr wichtig ist. „Bio“ hält er für nicht so entscheidend. Albersmeier: „Die Bäume müssen umweltschonend produziert sein, wir setzten auch vermehrt auf Mulchen. Wenn im Frühjahr aber Pflanzenschutzmittel ausgebracht wird, ist das nicht so schlimm. Die Mittel sind alle zugelassen und geprüft und bis zum Winter gibt es da keine Rückstände mehr. Außerdem isst man die Tanne ja auch nicht.“ Landesforsten bieten „Öko-Tanne“ an: Auf „Bio“-Qualität setzten hingegen die Landesforsten Schleswig-Holstein mit ihrer „Öko-Förster-Tanne“, die es unter anderem am 5. und 6. Dezember jeweils von 11 bis 16 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Erlebniswald Trappenkamp zu kaufen gibt. Die Bäume kommen aus verschiedenen Förstereien, die das nebenbei betreiben. Eine davon ist die Försterei Rickling, dort wachsen etwas 15 000 Bäume. Doch was bedeutet „Öko-Tanne“ überhaupt? „Die Bäume sind von Hand gepflegt, es werden keine Pestizide oder Insektizide ausgebracht“, erklärt Försterin Heide Anders-Schnipkoweit. Stattdessen würde immer gemäht, damit das Kraut nicht zu hoch wächst – und Tannenbäume mit Läusebefall würden von Hand entnommen. Außerdem wachsen die Bäume mitten im Wald auf einer Freifläche, auf der früher die Baumschule für den Wald war. „Ein Zaun muss aber drum sein, sonst fressen die Rehe und Hasen die Bäume an. So viel Öko geht dann doch nicht“, sagt Anders-Schnipkoweit mit einem Augenzwinkern. Von Sven Wehde