Zerstörung von Fledermausquartieren: Nabu zeigt Bad Segeberg an

Hat die Stadt Bad Segeberg widerrechtlich im Frühsommer zahlreiche Bäume am Großen Segeberger See fällen lassen? Jedenfalls gibt es ein Verfahren gegen die Stadt, das nach fünf Monaten immer noch nicht abgeschlossen ist. Ausgerechnet in der Vogelbrutzeit und in der Wochenstubenzeit der Fledermäuse habe eine Firma im Auftrag des Rathauses zahlreiche Höhlenbäume gefällt, berichtet Stefan Lüders den LN. Der Landesreferent für Fledermausschutz hat für den NABU Schleswig-Holstein Anzeige gestellt. Polizeisprecher Lars Brockmann bestätigte, dass es hierzu ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gebe. Zu dem Fall habe es auch einen Ortstermin mit der Stadt und der Unteren Naturschutzbehörde gegeben, das Thema liege jetzt beim Kreis. Gegen wen konkret sich das Verfahren bei der Stadt richte, wurde nicht gesagt. Aber offenbar scheinen die Vorwürfe schwer zu wiegen, wenn die Behörden seit fünf Monaten ermitteln. Die Durchführung der Baumfällungen während der Brutzeit vieler Vogelarten und die Vernichtung von Fledermausquartierbäumen sei rechtswidrig und habe ohne Zweifel Schaden verursacht, teilt Naturschützer Stefan Lüders mit. Der Naturschutzbund listet Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz bis hin zur Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie auf und fordert die Verfolgung der Vergehen. Bäume von vielen Rote-Liste-Arten genutzt: Am 2. Mai 2020 stellte Lüders fest, dass mit schwerem Gerät Bäume in einem Waldgebiet am Südufer des Großen Segeberger Sees, auf städtischen Terrain, in Höhe des Angel- und Segelclubs gefällt wurden, darunter auch mehrere Fledermaus-Bäume. Diese würden teils schon seit Jahrzehnten von den Rote-Liste-Arten genutzt, sagt Lüders. Er befürchtete weitere Fällungen von markierten Bäumen und bat um sofortiges Einschreiten der Unteren Naturschutzbehörde. „Das war einfach zu massiv, um das einfach hinzunehmen“, sagt Lüders. In den abgeholzten Bäumen würden Hohlräume durch Vögel und Fledermäuse genutzt. Am See hätten Abendsegler, Rauhautfledermaus und Mückenfledermaus ihre Flugroute. „Die findet man hier in fast jeder Baumhöhle und jedem Kasten.“ Am Südufer des Sees blieben durch die Abholzungen jetzt nur noch zehn Höhlenbäume übrig, schätzt Lüders. Nach seiner Kenntnis sei vor den Fällarbeiten kein Fledermaus-Gutachter mit der Prüfung der Bäume beauftragt worden. Kreissprecherin Sabrina Müller teilte auf Anfrage der LN mit, dass die Ermittlungen der Unteren Naturschutzbehörde noch nicht abgeschlossen seien. Es handele sich um „ein laufendes Verfahren“. Das Ergebnis sei noch offen, deshalb könne man keine Auskunft erteilen. Die Stadtverwaltung ist mit ihrem Wunsch bei der Politik gescheitert, Wanderwege zu entwidmen. Morsche Bäume seien überall, „wir haben ein Riesen-Waldsterben 2.0“, sagt Bauamtsleiterin Antje Langethal. Bei den Bürgern stoße das Sperren von Waldwegen auf Proteste und manche Wege könnten unmöglich gesperrt werden. Doch Bad Segebergs Stadtvertreter haben sich mehrheitlich gegen den Wunsch der Verwaltung ausgesprochen, einige kleine Wanderwege im Ihlwald und dem Ernst-Wittmark-Park aufzulösen. Viele Bäume müssten aufgrund der Verkehrssicherungspflicht der Stadt gefällt werden, so das Argument der Stadt. Das könne im inneren Bereich zusammenhängender Waldwege umgangen werden, wenn die Wege dort keinen Wanderweg-Charakter mehr hätten. Bänke würden dann abgebaut, die Wege nicht mehr gepflegt werden, was zudem Unterhaltungskosten reduziere. Wie überall im Wald gelte dort dann automatisch das Betreten auf eigene Gefahr. Der mittlere Waldweg zwischen der Straße am Ihlwald und dem Oberen Waldweg an den Pferdesportflächen sowie einige kleinere Wege Richtung Stipsdorf sollten laut Langethal „Versuchsballon“ sein. Ihre Idee blitzte mit nur zehn Befürwortern von Grünen und SPD ab. HIL Stadt bestätigt Fällaktion: „dringend erforderlich“: Bad Segebergs Bauamtsleiterin Antje Langethal bestätigte, dass die Fällarbeiten im Auftrag der Stadt erfolgten. „Die Arbeiten waren aus Verkehrssicherungsgründen am Weg dringend erforderlich.“ Es durften nur Bäume gefällt werden, wenn sie unbewohnt waren. Tatsächlich habe sich später in einem gefällten Baum ein Vogel-Ei gefunden. Die Arbeiten seien sofort eingestellt worden. Langethal: „Uns ging es darum, nur die Bäume zu fällen, die akut verkehrsgefährdend für Spaziergänger sind.“ Die Rechtssprechung sei hier klar: „Wir als Stadt haben die Kontrollpflicht und dürfen an Wanderwegen gefährdende Bäume nicht stehen lassen.“ Dem entgegnet Lüders, dass in dem Fall die Stadt den Wanderweg am Seeufer für die Öffentlichkeit hätte sperren müssen. Er kritisiert, dass hier Brutstätten geschützter Vogel und Fledermausquartiere vernichtet wurden. Lüders sei es ein Rätsel, warum man nicht den Nabu vor der Fällaktion gefragt habe. Er schlägt einen „Runden Tisch“ vor, um hier einen Kompromiss für die Wanderwege und die Versicherungspflicht zu finden. Es möchte doch keiner, dass „Menschen von Bäumen erschlagen werden“, es würde auch keiner böswillig Höhlenbäume absägen. Von Wolfgang Glombik