Zusammenhalt in Corona-Zeiten: Wahlstedter Tafelausgabe liefert aus

Vorsichtig öffnet die alte Dame ihre Haustür und lächelt, als sie die große grüne Kiste mit den Lebensmitteln sieht und obendrauf ein Strauß gelber Tulpen. „Heute gab es Blumen“, sagt eine Frau mit Mundschutz und Einweghandschuhen, die sich in nötiger Corona-Distanz als Helferin der Segeberger Tafelausgabe in Wahlstedt zu erkennen gibt. Nun schon in der dritten Wochen bekommen die Bedürftigen hier Brot, Gemüse, Obst, Käse, Milch- und Fleischprodukte an die Tür. Eine Ausgabe wäre nicht möglich gewesen: Und sie sind dankbar, dass sie wieder mit Lebensmittelspenden versorgt werden können. Anders als in Bad Segeberg, wo die Lebensmittel durch die Unterstützung von BBZ-Schüler an der Tafel ausgegeben werden, ist in Wahlstedt ein Lieferservice in dieser besonderen Zeit aufgebaut worden. „Die Ausgabe an der Kleiderkammer wäre viel zu klein gewesen, um den Mindestabstand zueinander einhalten zu können“, sagt Ausgabe-Organisatorin Sigrid Baier. „Das hätten wir nicht leisten können.“ Zumal die Ehrenamtlerinnen, die die Ausgabe üblicherweise managen, schon altersbedingt zur Risikogruppe gehören und darum derzeit aussetzen müssen. Sortierstart ist um 11 Uhr, ausgefahren wird nachmittags: Die Frauen und Männer, die sich jetzt freiwillig gemeldet haben, damit die Segeberger Tafel auch in Wahlstedt weitermachen kann, seien nach einem holprigen Start eingespielt, so Baier. Der Ablauf ist vorgeben und der Tag lang: Um 11 Uhr bringen die Helfer der Segeberger Tafel die Lebensmittel. Dann wird gesichtet und sortiert – draußen an der frischen Luft und mit dem nötigen Sicherheitsabstand. Lange Reihen mit Kisten stehen bereit, die gefüllt werden müssen wie Ladenregale. Bunt zusammengewürfeltes Team: Hassan und Khalid, zwei Geflüchtete, kontrollieren Obst und Gemüse. Bei der Tafel duzt man sich. Britta, Janina Gunda und sieben andere Frauen, die sich in Segeberg gemeldet hatten, um mit anzupacken, zählen die Waren, um einen Überblick zu bekommen, wie viel jeder Kunde bekommen kann. Einige der Helferinnen kommen extra aus Blunk und Hamdorf, um dafür zu sorgen, dass die bedürftigen einmal in der Woche Lebensmittel bekommen. Mit dabei ist auch Pastorenfrau Dagmar Kristoffersen. Sogar Vorlieben werden berücksichtigt, damit nichts unnötig weggeworfen wird: Mancher möchte kein Schweinefleisch, andere dafür um so lieber. Auch unter denen, die dank der Lebensmittelspenden Hilfe erfahren, gibt es Naschkatzen und Vegetarier. „Es läuft sehr gut“, sagt Sigrid Baier. „Die Logistik ist mittlerweile gut organisiert.“ Sogar ein bisschen Nahrung für die Seele in Form von kleinen persönlichen Grußbotschaften gibt es. Von Anfang an ebenfalls mit dabei: Die Lebenshilfe. Sie hatte Unterstützung im Fahrdienst zugesagt. Nun sind drei ihrer Mitarbeiter plus zwei Transporter hier neben Teamern aus der Evangelischen Kirchenjugend und anderen eingeteilt. Die Menschen, für deren Unterstützung sich der bunt zusammengewürfelte Haufen engagiert, sind teilweise überwältigt. „Mir wollte jemand Benzingeld zahlen“, berichtet eine der Auslieferungsfahrerinnen. Andere rufen Sigrid Baier an, oder schreiben, um sich zu bedanken. Ein anderer Tafel-Kunde habe berichtet, dass er nicht gewusst habe, wie er sonst an Lebensmittel gekommen wäre. „So lange wir noch Ware bekommen und so lange wir gesund sind, versuchen wir, das so beizubehalten“, unterstreicht Sigrid Baier. „Ich hoffe aber, dass alles bald wieder ganz normal laufen kann.“ Von Heike Hiltrop

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