100 Jahre alter Fischerkahn: Unterwasserarchäologen untersuchen Wrack Wrackforschung im Großensee

Unterwasserarchäologe Elmar Klemm hat ein drittes Wrack im Großensee entdeckt: Zwei Wracks waren zuvor schon von Tauchern der Tauchsportgruppe Ahrensburg gefunden worden. Am Sonnabend untersuchte Klemm mit einer Tauchgruppe den neuen Fund, einen knapp neun Meter langen Fischerkahn. Fund ist rund 100 Jahre alt: „2012 haben Ahrensburger Taucher in 7,5 Meter Tiefe zwei Schiffswracks gefunden“, erklärt Klemm. Sie hatten den Fund dem Archäologischen Landesamt gemeldet, das das Alter des Holzes der Boote auf 1901 datierte. Dabei handelt es sich um zwei Fischerkähne, die wahrscheinlich an der Fundstelle versenkt wurden. Als der Unterwasserarchäologe Klemm, der seit Jahren ehrenamtlich für das Archäologische Landesamt arbeitet und Ausbilder für „Denkmalgerechtes Tauchen“ ist, nach Großensee zog, interessierte ihn der Fund, den er noch einmal untersuchen wollte. Klemm, der den Fundort aus dem Bericht kannte, tauchte mit einem Kollegen und fand das erste Wrack an der beschriebenen Stelle. Drittes Wrack entdeckt: Jetzt hat er auch nach dem zweiten Wrack gesucht und statt dessen ein drittes gefunden. „Wir haben den ganzen Winter über getaucht und am 30. Januar das neue Wrack entdeckt, das wir jetzt untersuchen.“ Dabei handele es sich wohl nicht um den beschriebenen zweiten Kahn, denn dieses Schiff liege viel näher am Ufer. „Die Stelle ist relativ flach und im Sommer durch die Algen nicht einsehbar.“ Entdeckt haben die Taucher es nur durch Zufall. Klemm ist sich sicher, dass es sich um ein drittes Boot handelt, das noch nicht beschrieben wurde. Begleitet von Unterwasserfilmer Jens-Uwe Lamm stiegen Elmar Klemm und Oleksiy Konovalov am Sonnabend in den See, um den neuen Fund zu dokumentieren. „Das jetzige Boot ist mit 8,60 Metern Länge etwas kürzer als das erste Wrack, die Rumpfstruktur ist erhalten und es wird wohl ein Schwesterschiff der beiden anderen Fischerkähne sein“, vermutet Klemm. Bug- und Hecksteven seien gut zu erkennen. „Auch hier liegt die Besonderheit vor, dass die Spanten zweiteilig und mit Eisen verstärkt sind.“ Fischereibetrieb am See: Laut dem ersten Fundbericht von Hubert Kraus und Christoph Mehrens wurde die im See gelegene Insel in der Vergangenheit von einem Fischereibetrieb genutzt, dem wahrscheinlich die Fischerboot-Flotte gehörte. „Neben dem Boot haben wir eine alte Mineralwasserflasche der Victoria Brauerei gefunden, die 1901 gegründet wurde“, so Klemm weiter. Sie bestätige als Zufallsfund das Alter der Boote. Klemm und Konovalov haben das Schiff vermessen, um eine millimetergenaue Zeichnung anlegen zu können. „Wir zeichnen unter Wasser das Wrack auf eine Tafel, fotografieren, filmen und vermessen es und beschreiben den Fund.“ Von Schiff eins wurde für die bessere Vorstellbarkeit auch ein 3-D-Modell angefertigt. Beheizter Taucheranzug: Bei drei Grad Wassertemperatur können die Taucher nur eine Stunde im Wasser bleiben. „Die Taucheranzüge sind wasserdicht, und sie haben eine Heizweste, die mit Akku betrieben wird“, erklärt Jörg-Peter Klaus, der zusammen mit Sabine Zarrinkafsch noch einmal zum ersten Wrack tauchte. „In der Tasche hat man immer eine Boje für den Notfall, um die Position anzuzeigen, ein Wet-Note – ein wasserfestes Notizbuch - zum Schreiben und eine Ersatzmaske.“ Unter Wasser verständigen sich die Taucher mit einem Taucheralphabet aus Gesten und Licht. Ein Kreis mit der Lampe bedeutet beispielsweise „keine Sicht“, das L, dass man wegschwimmt und auftaucht. Drei Tauchgänge waren nötig, um die Arbeiten abzuschließen. Karte vom Seeboden: Parallel zu den Taucharbeiten war Steffen Schmitt mit einem Boot auf dem See unterwegs, um per Side-Scan den Grund abzusuchen. „Da haben wir bisher nur die Hälfte des Sees erfasst“, sagt Klemm, „an einer Stelle gibt es ein großes Echo.“ Möglicherweise handele es sich um ein Stahlboot, von dem Einheimische schon erzählt hätten, dass es im See liege. Neben möglichen weiteren Funden besteht beim Scan auch die Gelegenheit, eine Karte des Seebodens zu erstellen. Der Großensee ist bis zu 17 Meter tief und stammt aus der Eiszeit. Alle Ergebnisse werden gesammelt und ausgewertet und zusammen mit dem Dokumentationsfilm – Lamm filmt auch unter Wasser – Teil einer Ausstellung, die für den Herbst geplant ist. Ausstellung geplant: Klemm ist es wichtig, die Bürger einzubeziehen. Er unterstützt das Projekt „ Citizen Science “, bei dem Laien Wissenschaftlern bei der Forschungsarbeit zuarbeiten. Die Funde sollen als ein Stück Heimatgeschichte im Herbst in einer Ausstellung in Großensee vorgestellt werden, wenn die Pandemie es zulässt. Die Arbeiten am See sind nun abgeschlossen, zumal das Wrack in der Vegetationszone liegt und ab Mai die Sicht für eine Untersuchung zu schlecht wird. Von Bettina Albrod