Ältester Pfeil der Welt in Ahrensburg gefunden

Der Archäologe Dr. Sönke Hartz hat im Nachlass von Alfred Rust, der als Amateur-Archäologe in den 30er-Jahren die eiszeitliche Rentierjäger-Kultur im Ahrensburger Tunneltal entdeckt hat, einen Sensationsfund gemacht. In der privaten Sammlung Rusts befanden sich Bruchstücke eines Holzpfeils, der als ältester Holzpfeil der Menschheitsgeschichte gelten kann. Rust hatte bereits 1935 und 1936 bei Grabungen in Ahrensburg rund hundert dieser Pfeile gefunden und fotografiert, die anschließend nach Kiel ins Museum Vorgeschichtlicher Altertümer gekommen waren. Dort waren sie 1944 bei einem Bombenabwurf sämtlich zerstört worden. „2013 hat Rusts Tochter, die in Stormarn wohnte, beim Umzug die Sammlung ihres Vaters, die bei ihr im Keller lag, an uns abgegeben“, erzählt Dr. Hartz vom Museum für Archäologie Schloss Gottorf in Schleswig. „Das waren drei VW-Bus-Ladungen voll.“ In einem Zigarrenkistchen aus den 50er-Jahren fand der Archäologe neben einigen Rentierknochen aus dem Ahrensburger Tunneltal mehrere sieben Zentimeter lange Holzfragmente eines Pfeils aus Kiefernholz. Die Datierung ergab, dass sie aus der Zeit 9500 bis 9400 vor Christus stammen, also aus der Zeit der eiszeitlichen Rentierjäger, die vor 12 000 Jahren im Tunneltal Jagd machten. Die Funde damals haben den Begriff „Ahrensburger Kultur“ geprägt. Der Kontext der Sammlung lässt eine Zuordnung des Fundes zum Stellmoor bei Ahrensburg zu. Alter wissenschaftlich bestätigt: Weil die Pfeilfragmente offenbar zur Konservierung von Rust mit einer unbekannten Substanz behandelt worden waren, mussten sie vor einer genaueren Untersuchung zunächst gereinigt werden. „Die Infrarotspektroskopie und molekularbiologische Analyse legen nahe, dass diese Festigungsmittel aus mit Harz vermischten Pflanzenölen bestanden“, schreibt Archäologin Mara Weber. Anschließend wurde das Alter der Holzfragmente mit der Radiokarbonmethode bestimmt und ihr Alter so bestätigt. Da die Pfeilfunde bisher nur auf Fotos erhalten waren, ist der Fund des Original-Pfeils aus der Zeit eine bedeutende Entdeckung. Eigentlich, so Hartz, sollten Archäologen keine Funde privat aufheben, in diesem Fall sei das aber sehr gut gewesen. „Der Fund war wie ein Fünfer im Lotto.“ Die Pfeilfunde belegen, dass die Jäger der Ahrensburger Kultur Pfeil und Bogen zur Jagd nutzten, nicht nur Speere. Bei den Pfeilen handelt es sich um zweischaftige Pfeile, die an einer Verbindungsstelle unterhalb der Pfeilspitze zusammen gesteckt und mit Sehnen zusammengebunden wurden. Kiefernholz war selten und aufwendig zu verarbeiten, deshalb wurden die Pfeile nach Gebrauch wieder eingesammelt oder nur der obere Teil des Pfeils, der eine Steinspitze hatte, in der Beute belassen. Pfeil kommt nach Ahrensburg: Im September wird das seltene Fundstück in Ahrensburg zu sehen sein: Svenja Furken, Mitinitiatorin der IG Tunneltal, ist die treibende Kraft dahinter. Gemeinsam mit Thomas Patzner von der Ahrensburger Stadtbücherei organisiert Svenja Furken im Herbst ein internationales archäologisches Symposium in der Schlossstadt. „Die Ahrensburger Kultur ist in der Fachwelt weithin bekannt“, erklärt Svenja Furken, „weltweit befassen sich Wissenschaftler mit den Funden in Ahrensburg.“ Das sei Gold für eine Stadt wie Ahrensburg. Damit nicht nur die Fachwelt, sondern auch die Bürger etwas über die Funde erfahren, will sie zusammen mit Patzner eine Ausstellung in der Stadtbücherei organisieren, bei der man anschaulich Einblicke in die Vorzeit nehmen kann. Nicht fehlen darf dabei der Pfeil, der von Schleswig ausgeliehen wird – dort kommt er erst 2023 in die ständige Ausstellung. „Wir möchten auch eine Replik des Stabs von Poggenwisch zeigen.“ Das etwa 16 Zentimeter lange verzierte Stück Geweih ist der älteste Nachweis nordeuropäischer Kunst, der bisher gefunden wurde. Fachtagung internationaler Archäologen: Experimentalarchäologen werden vor Ort sein, der Bau von Steinzeitschleudern ist geplant, es gibt Angebote für Schulen und verschiedene Referenten, die die Zuhörer in die Zeit der Rentierjäger mitnehmen. „Um den Gegenwartsbezug herzustellen, wünschen wir uns auch einen Referenten, der etwas zu den Samen in Norwegen erzählt, die heute noch so leben wie damals die Jäger der Eiszeit“, plant Svenja Furken. Unterstützung gibt es vom Archäologischen Museum in Harburg, das kostenlos die Vitrinen für die Ausstellung zur Verfügung stellt. Als Ahrensburger Kultur bezeichnet man eine Kultur spezialisierter Rentierjäger der ausgehenden Altsteinzeit, die geologisch der letzten „Tundrenzeit“ zwischen ca. 10 760 bis ca. 9650 v. Chr. zuzuordnen ist. Der Lebensraum war das Flachland des nördlichen Mitteleuropa, das damals von einer mit Baumgruppen durchsetzten endeiszeitlichen Tundra bedeckt war. In einer von Alfred Rust bei Ahrensburg ausgegrabenen Siedlung im Stellmoor fand man charakteristische Steingeräte wie Stielspitzen und Mikrolithen (zum Beispiel Pfeilspitzen) sowie Kratzer, Stichel und retuschierte Klingen. In einem verlandeten spätglazialen Tümpel (Stellmoor) neben der Siedlung fand man Stein-, Knochen- und Geweihartefakte. Das archäologische Symposium unter dem Titel „Die Welt der Ahrensburger Eiszeitjäger“ gibt internationalen Wissenschaftlern die Gelegenheit zum Austausch. Die Leitung werden das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein und das Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie übernehmen. „Die Funde machen einen Teil der Identität Ahrensburgs aus“, betont Svenja Furken. „Nach Haithabu gilt Ahrensburg als wichtigster Fundort.“ Ihr ist es ein Anliegen, dass bekannt wird, was die Funde für die Region bedeuten. Von Bettina Albrod

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