Ahrensburger Stadtarchiv digitalisiert Briefe aus der Vergangenheit

Als Christine Assmy aus Bargteheide den Haushalt ihrer Verwandten Lydia Mohrdiek in Ahrensburg auflöste, entdeckte sie auf dem Dachboden der alten Villa mehrere Kartons voller Briefe. Insgesamt lagerten dort 501 Umschläge, 2265 Seiten beidseitig beschriebenen Papiers, 478 Postkarten und 23 Sonderposten wie Poesiealben und viele Fotos, die die briefliche Korrespondenz der Familie von 1889 bis 1949 abdecken, darunter Feldpostbriefe aus zwei Weltkriegen. Als Ahnenforscherin erkannte Christine Assmy den historischen Schatz und übergab ihn Ahrensburgs Stadtarchivarin Dr. Angela Behrens. Mit Hilfe von Landesmitteln aus dem Programm zum Erhalt schriftlichen Kulturguts konnten die Unterlagen jetzt restauriert und digitalisiert werden. Einblicke in den Alltag vor 100 Jahren: „Der Brieffund erlaubt Einblicke in den Alltag Ahrensburgs seit Ende des 19. Jahrhunderts“, erklärt Dr. Angela Behrens. „Die Besonderheit besteht dabei darin, dass nicht nur die Briefe an die Familie in Ahrensburg erhalten sind, sondern auch die, die von Ahrensburg abgeschickt wurden.“ Denn die Absender hatten von den meisten Briefen eine Kopie gemacht und sie aufgehoben. So sei ein vollständiger Dialog aufbewahrt worden, betont die Stadtarchivarin. Beschrieben werden in den Briefen, die großteils in Sütterlin-Schrift verfasst sind, unterschiedliche Schicksale der bekannten Ahrensburger, die in der Schlossstadt eine Meierei hatten. Feldpost aus dem Krieg: So sei ein Bruder vor dem zweiten Weltkrieg in die USA gegangen, um dort zu studieren, und sei bei Kriegsbeginn einberufen worden, so dass er dann gegen die Amerikaner kämpfen musste, unter denen er bis gerade noch gelebt hatte. Andere Briefe zeugen von den weiten Wegen auf der Suche nach Essen im Krieg; so seien mehrmals vergebliche Fahrten nach Dithmarschen gemacht worden, um ein Huhn zu bekommen. Später eröffneten Mohrdieks ein Kino in der Stadt. „Zwei Ansichts-Karten meiner Familie habe ich im Internet entdeckt und ersteigert“, berichtet Christine Assmy. Die Dame, deren Nachlass sie gefunden hat, war eine Cousine ihres Vaters. „Die Briefe geben uns Berichte darüber, was in Ahrensburg passiert ist“, sagt Angela Behrens, „sie bezeugen die Alltagsgeschichte der Zeit von der Kindererziehung bis zu zensierter Post aus dem Krieg.“ Zusätzlich sei es möglich, anhand der Fotos den Geschichten auch ein Gesicht zu geben. Von 14 500 Euro Gesamtkosten hat das Land 13 000 Euro übernommen. Nun bleibt die Aufgabe, die Sütterlinbriefe in Druckschrift zu übertragen. Dafür wird eng mit Universitäten und anderen Einrichtungen zusammen gearbeitet, die auf Sütterlin-Übertragung spezialisiert sind. Die Dateien sind auf einem eigenen Laufwerk des Stadtarchivs gespeichert und stehen künftig für die Forschung zur Verfügung. Denn die Briefe sind längst noch nicht alle inhaltlich aufgearbeitet. Historische Meldedatei stand im Keller: Einen ähnlichen Schatz hat die Archivarin selber im Keller des Rathauses gefunden. „Anlässlich der Umbauarbeiten sind wir im Keller auf einen alten Kartei-Schrank gestoßen, der rund 75 000 Meldedatei-Karten enthält“, sagt Angela Behrens. Abgedeckt werde der Zeitraum von 1928 bis 1978. Hiermit liege ein wertvoller Beitrag zur Ahnenforschung vor. „Es gab viele Flüchtlinge, die eine Zeit lang in Ahrensburg gewohnt haben, ehe sie weiter gezogen sind“, gibt Angela Behrens ein Beispiel. Traurig sei die Geschichte eines älteren Herrn, die von den Meldedaten erzählt werde – er habe 15 Mal innerhalb Ahrensburgs umziehen müssen, ehe er gestorben sei. Auch die Geschicke der jüdischen Familie Lehmann würden in der Datei widergespiegelt. Die darf aus Datenschutzgründen nicht öffentlich gemacht werden, ist aber auf Anfrage einsehbar. „Wir haben schon sehr viele Anfragen“, erklärt die Archivarin. Es sei erstaunlich, wie viele Künstler und Berühmtheiten in den Karteikarten auftauchten. Hier hat das Land fast 9000 Euro der knapp 10 000 Euro Gesamtkosten für die Digitalisierung übernommen. „Durch die Digitalisierung werden die Originale geschützt und die Unterlagen gleichzeitig jedermann zugänglich gemacht.“ Angela Behrens ermutigt auch andere, mit Funden zum Archiv zu kommen: „Nichtamtliches Schriftgut wie der Briefwechsel gehören zur Stadtgeschichte, wir freuen uns über Nachlässe.“ Kontakt: Wer eine Anfrage an das Stadtarchiv hat, kann sich an Dr. Angela Behrens wenden, E-Mail angela.behrens@ahrensburg.de Von Bettina Albrod

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