Aktion vor dem Ahrensburger Schloss: Mehr als 9000 arme Kinder in Stormarn

Mit mehr als 9000 Fähnchen auf der Wiese vor dem Ahrensburger Schloss weist der Deutsche Kinderschutzbund in Stormarn (DKSB) auch in diesem Jahr auf die hohe Zahl von Kindern im Kreis hin, die von Kinderarmut betroffen sind. Seit die Aktion vor 15 Jahren von Geschäftsführer Ingo Loeding ins Leben gerufen wurde, hat sich die Zahl der Betroffenen von 1950 Kindern und Jugendlichen im Jahr 2005 auf heute 9085 erhöht. Loeding rechnet damit, dass die Zahl aufgrund der Pandemie noch weiter steigen wird. Jedes fünfte Kind betroffen: „Das bedeutet, dass im reichen Kreis Stormarn mit 22 Prozent mehr als jedes fünfte Kind von Kinderarmut betroffen ist“, erklärte Loeding. In den Hochburgen Bad Oldesloe und Glinde seien es mit jeweils 41 Prozent noch deutlich mehr Kinder. Wenn ein Kind in einer Familie lebt, in der Anspruch auf Hartz IV, Kinderzuschlag, Wohngeld, Sozialhilfe oder Asylgeld besteht, spricht Loeding von Armut. „Kinderarmut ist Einkommensarmut“, sagt der Geschäftsführer, der nicht müde wird zu kritisieren, dass das Kindergeld von den Hartz IV-Leistungen abgezogen wird. „Kinder aus armen Familien sind arm an Beziehungen, weil sie nichts mitmachen können, was Geld kostet.“ Kindergeburtstage fielen aus, weil das Geld für Feier oder ein Geschenk fehlt. Auch Klassenfahrten, Sportvereinsmitgliedschaften oder Musikschule seien für sie nicht möglich. „Corona hat gezeigt, dass von den Kindern aus armen Familien nicht eines am digitalen Unterricht beteiligt war, weil in den Haushalten die technischen Möglichkeiten fehlen.“ Auch 150 Euro pro Halbjahr für Schulkosten reichten laut aktuellen Erhebungen nicht aus. „Da sind 200 bis 300 Euro nötig.“ Deshalb setzt sich der DKSB für eine Kindergrundsicherung ein, die Kinder aus dem Hartz IV-System befreien würde. „Wir fordern, dass Kinder aus ärmeren Familien die gleichen Chancen auf Teilhabe erhalten wie Kinder aus Familien mit höherem Einkommen.“ Loeding kritisierte weiter, dass es nach wie vor kommunale Freizeitangebote gebe, die kostenpflichtig seien. „Wo bleibt die Bildungskarte, die vor mehr als vier Jahren vom Kreis beschlossen wurde?“, fragte Loeding. Schule ohne Zuzahlung: Sie soll zunächst nur in Bad Oldesloe und im Amt Oldesloe-Land sowie vom Jobcenter Oldesloe und der Gemeinde Tangstedt angeboten werden, erklärte Kreispräsident Hans-Werner Harmuth. „Alle anderen Kommunen machen nicht mit.“ Armut, so Harmuth, sei relativ, aber wichtig seien das Sichkümmern und der Einsatz für gesellschaftliche Teilhabe von sozial Benachteiligten. „Der DKSB erfüllt eine wichtige Aufgabe, weil er hier immer wieder den Finger in die Wunde legt und hervorragende Arbeit macht.“ Der Kreispräsident sprach sich für finanzielle Entlastungen im Schulbetrieb aus. „Was Kinder zum Lernen brauchen, sollte in der Schule vorhanden sein. Wir brauchen eine Schule ohne Zuzahlung.“ Corona habe aktuell gezeigt, welche Schwächen im digitalen Unterricht vorhanden seien. Außerdem kündigte er an, dass der Kreis 50 000 Euro bereitgestellt habe, um damit in den nächsten zwei Jahren Initiativen gegen Kinderarmut zu fördern. Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach ist Schirmherr der Fähnchen-Aktion vor dem Schloss. Er lobte die Aktion als sehr gute Idee, die bundesweit Schule gemacht habe. „Es ist wichtig, solche Signale zu senden“, sagte Sarach. Vor dem Schloss als Wohlstandskulisse sei das ein eindringlicher Appell. „Es gibt in jeder Gesellschaft Menschen, die Unterstützung brauchen, insbesondere Kinder und alte Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen.“ Alle gemeinsam seien in einer Gesellschaft für die Schwachen verantwortlich. Ahrensburg gehe mit gutem Beispiel voran, weil 86 Prozent der Freizeitangebote in der Stadt mittlerweile kostenfrei seien. Kinder dürfen im Sommer in Ahrensburg kostenlos ins Schwimmbad. Ingo Loeding hat zum letzten Mal die Fähnchenaktion zur Kinderarmut moderiert. Nach 40 Jahren geht der Geschäftsführer des DKSB-Stormarn in den Vorruhestand. Seine Nachfolgerin wird Stephanie Wohlers. „In diesem Jahr veranstalten wir zum 20. Mal die Stormarner Kindertage, um auf die Rechte von Kindern hinzuweisen“, erklärte Birgitt Zabel, Vorsitzende des DKSB-Stormarn. Die Fähnchen seien eine Methode, die Kinderarmut im Kreis sichtbar zu machen, ohne Menschen zeigen zu müssen. Vor 15 Jahren sei ein Einschulungsjahrgang von Armut betroffen gewesen, in diesem Jahr sei es eine komplette Schule. „Dabei ist Corona noch nicht berücksichtigt, die Schere zwischen arm und reich klafft immer mehr auseinander.“ Von Bettina Albrod