Bad Oldesloe: Corona bremst Fahrschulen und Fahrschüler aus

„Ich habe Angst davor, dass sie uns alles wieder dichtmachen“, gesteht Fahrlehrer Horst Kleber (70). Seitdem er seine Fahrschule in Bad Oldesloe nach dem zweiten Lockdown ab 8. März wieder öffnen durfte, hat er mitsamt Team „volle Pulle durchgearbeitet“. Schließlich hatte sich vieles angestaut seit Mitte Dezember. Die Schülerinnen und Schüler, die trotz Vorbereitung wegen des Corona-Lockdowns keine Fahrstunden und praktischen Führerschein-Prüfungen mehr machen konnten, andere, die endlich mit dem Unterricht loslegen wollten. Sie alle wurden ausgebremst, wie Karla Kamm (17) aus Westerau. „Nach der zweiten Fahrstunde kam der Lockdown“: Die hat es zwar gerade noch geschafft, mit 16 den „Moped“-Führerschein für das 125er Kraftrad zu machen. Beim Autoführerschein für das begleitete Fahren mit 17 wurde die Westerauerin jedoch im Dezember von Corona gestoppt. Karla Kamm: „Nach der zweiten Fahrstunde kam der Lockdown.“ Doch nun, im März, sitzt sie endlich wieder am Steuer des weiß-blauen Fahrschulwagens. Natürlich mit Maske, genau wie Jungfahrlehrer Philipp Meier (26) neben ihr auf dem Beifahrersitz. Noch keine Unterstützung seit der Schließung im Dezember: Horst Kleber, der sich vor 36 Jahren in Bad Oldesloe mit der Traditionsfahrschule Sepp Weiss (gegründet 1959) selbstständig machte, hat seit der Schließung Mitte Dezember noch keinerlei Unterstützung bekommen. „Keinen Cent“, bestätigt er. So zahlte er die Fixkosten im zweiten Lockdown erst einmal von seinem privaten Geld. Die Soforthilfe im ersten Lockdown sei dagegen sehr schnell eingetroffen. Theorie in Präsenz nur noch mit der halben Schülerzahl: Die Coronazeit bedeutet für seine Fahrschüler nicht nur lange Wartelisten. Am theoretischen Präsenzunterricht können statt sonst 25, nur noch 12 gleichzeitig teilnehmen. Das führte wegen des Andrangs nicht nur zu einem dritten Theorietag, sondern auch zu einem Anmeldeverfahren, bei dem es auf Geschwindigkeit und Glück ankommt. Denn: Wenn morgens um 6.30 Uhr der Ticketcounter freigeschaltet wird, sind die wenigen Plätze für die mehr als doppelt so vielen Interessenten bereits eine Minute später belegt. Mit der Lernapp wird zu Hause für die Führerschein-Prüfung gepaukt: 14 Theorieeinheiten à 90 Minuten sind derzeit Vorschrift für die Führerscheinanwärter. Dort lernt man auch „das, was zwischen den Zeilen steht, was man braucht, um ordentlich Auto fahren zu können“, sagt der Profi, der in insgesamt 38 Berufsjahren circa 2000 Fahrschüler fit für den Straßenverkehr gemacht hat. Die Schüler lernen schon lange nicht mehr wie früher auf Papier, sondern per Lernapp für die Prüfung. Wenn sie keine Fehler mehr machen, folgt ein Vor-Test, bevor es zur echten Theorie-Prüfung beim TÜV geht. Kleber: „Es ist selten geworden, dass in der Theorie jemand durchfällt.“ Locker über 2000 Euro kostet ein Führerschein heutzutage, wobei schon rund 200 Euro für TÜV und andere Gebühren draufgehen. Zwölf mal 45 Fahr-Minuten sind Pflicht, darunter fünf Überlandfahrten, vier Autobahnfahrten und drei Nachtfahrten. Seit 1. Januar ist auch die Prüfungsfahrt selbst noch weitere zehn Minuten länger. Sie beträgt jetzt 55 Minuten. Drei Fahrlehrer schulen den Nachwuchs am Auto, Lkw oder Motorrad: Für die praktische Ausbildung stehen in Bad Oldesloes ältester Fahrschule ein Automatik- und zwei Schaltwagen zur Verfügung, vier Motorräder und ein Roller. Für den Lkw-Führerschein leiht Kleber sich von einer anderen Fahrschule einen Truck. Als Fahrlehrer ist seit zehn Jahren Gerhard Schröder dabei, sowie seit vorigen August Phillip Meier als Fahrlehrer in Ausbildung. In der Fahrschulverwaltung halten Ehefrau Susi Ranke-Kleber seit 2002, sowie Heike Gräpel seit letztem August den drei Lehrern den Rücken frei. Kleber selbst kümmert sich unter anderem um die Ausbildung der Lkw-Fahrer am Steuer, die Fortbildungsseminare für Berufskraftfahrer, die alle fünf Jahre fällig sind, seit 1987 um die Ausbildung für Gefahrgutfahrer und macht zudem Kurse bei Speditionen. Die vom Fahrlehrergesetz zeitlich befristete Ausnahme der Online-Theorie-Möglichkeit hat Horst Kleber im Lockdown nicht in Anspruch genommen. Der Grund: Sonst hätte sich ein weiterer Stau von Schülern ergeben, die er nicht mit Fahrstunden bedienen kann. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn „Man hängt in der Luft und weiß nicht, was noch kommt“: Auch Fahrlehrer Jörg Marschinkowski betreibt eine Fahrschule in Bad Oldesloe und ist damit „seit fast auf den Tag genau“ 25 Jahren selbstständig, seit 2001 unter dem Namen „Drei XM“. Zur Coronazeit fasst er für die Fahrschulen zusammen: „Es ist traurig.“ Es sei bitter, man „hänge so in der Luft und weiß nicht, was noch kommt.“ In dieser Zeit sei es auch schwer, Mitarbeiter zu motivieren. Er hat bisher einen fest angestellten Fahrlehrer und zwei nebenberufliche, das Büro managt er selbst. Am 16. Dezember hätten die letzten Fahrprüfungen für seine Schülerinnen und Schüler stattgefunden. Theoretische Prüfungen wären noch länger möglich gewesen. Marschinkowski: „Aber es bringt ja nichts, wenn man nicht weiter ausbilden kann.“ Nach dem ersten Lockdown habe es Unterstützung gegeben, nach dem zweiten mit einer „Heidenarbeit“ für Anwalt oder Steuerberater hat er bisher noch nichts bekommen. Alles aufarbeiten, was liegen geblieben ist: „Wir arbeiten das auf, was wir im letzten Jahr liegen gelassen haben“, sagt Dieter Schwarz, der seit 1988 mit einer Fahrschule in Bad Oldesloe selbstständig ist. Um den Kontakt zu den Fahrschülern zu halten, hat er Online-Unterricht angeboten, der auch gut angenommen wurde. Dafür musste er in der einnahmenfreien Zeit erst einmal investieren. Auch er hat bisher nur Hilfen aus dem ersten Lockdown erhalten. In seiner Fahrschule arbeiten noch ein weiterer Fahrlehrer und drei Bürohilfen. Vor Corona sei es bereits schwierig gewesen, einen Nachfolger zu finden, jetzt sei es noch schwerer. Schwarz: „Ich werde 67 und bin schon in Rente. Aber ich werde weitermachen, so lange es geht.“ Von Susanna Fofana