Bad Oldesloe: Kurzarbeit rettete Stormarner Arbeitsmarkt während Corona-Krise

„Der Arbeitsmarkt in Stormarn hat sich bis auf die Phase nach dem ersten Lockdown insgesamt robust und widerstandsfähig gezeigt und stand nicht still“, sagte Kathleen Wieczorek, Chefin der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe, am Montag bei der Vorstellung der Bilanz für das Jahr 2020. „Das Instrument der Kurzarbeit hat sich dabei nach der Finanzkrise 2008/2009 erneut bewährt und viele Arbeitsplätze gesichert. So konnte eine noch höhere Arbeitslosigkeit verhindert werden.“ Die Agenturchefin selbst fing mitten in der Pandemie ihren neuen Job bei der Oldesloer Agentur an, löste zum 1. April die langjährige Geschäftsführerin Heike Grote-Seifert ab. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der arbeitslosen Menschen im Kreis Stormarn im Jahresdurchschnitt bei 5008. Das waren 1007 mehr als noch 2019. Der Zuwachs betrug somit 25,2 Prozent und war der höchste in Schleswig-Holstein. In Prozenten stieg die Zahl der Arbeitslosenquote im Jahresvergleich von 3,1 auf 3,8. „Unsere Statistik-Experten haben errechnet, dass der Corona-Effekt 0,6 Prozentpunkte an der Gesamtquote ausmacht“, erklärt Wieczorek. Besonders betroffen waren der Handel, das Gastgewerbe und wirtschaftliche Dienstleistungen, zum Beispiel von Reisebüros. Zweiter Lockdown verlief milde: Der erste Lockdown im März sorgte für den deutlichsten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 2020. „Im April waren auf einmal 750 Menschen mehr arbeitslos gemeldet als im März, im April kamen nochmals 430 dazu. Danach nahm die Arbeitslosigkeit langsamer zu, bis im August der Jahreshöchstwert mit 5521 arbeitslosen Menschen erreicht war“, resümiert die Agenturchefin. In der ersten Phase im Frühjahr sei auch deutlich mehr Kurzarbeitergeld ausgezahlt worden. „Ab September ließ die saisonale Herbstbelebung die Arbeitslosigkeit wieder zurückgehen. Der zweite Lockdown im Dezember löste im Gegensatz zum ersten im Frühjahr keinen neuerlichen deutlichen Anstieg aus. Es blieb lediglich bei der üblichen saisonalen Entwicklung zum Jahresende. Ohne Kurzarbeit und die wirtschaftlichen Hilfsprogramme wären die Einschnitte am Arbeitsmarkt 2020 jedoch noch deutlicher ausgefallen.“ Insgesamt zahlte die Arbeitsagentur 70,4 Millionen Euro an Kurzarbeitergeld aus, dies allerdings für beide Kreise des Agenturbezirks, also für Stormarn und das Herzogtum Lauenburg. Zahlen für die einzelnen Kreise gebe es nicht, sagte Agentur-Sprecher Stefan Schröder auf Nachfrage. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn „Arbeitsmarkt stand nicht still“: Vom generellen Anstieg der Arbeitslosigkeit waren alle Gruppen betroffen, sowohl die jüngeren als auch ältere Personen. Besonders deutlich fiel er bei den Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit aus. Bei ihnen lag die Arbeitslosenquote 2020 bei 14,5 Prozent, eine Zunahme um 2,6 Prozentpunkte zum Vorjahr. „Sie sind vielfach in den Bereichen tätig gewesen, die mit am stärksten von den Corona-Beschränkungen betroffen waren, wie zum Beispiel in der Gastronomie. Ebenso finden sich bei ihnen viele ungelernte Kräfte, die in wirtschaftlich schlechteren Zeiten erfahrungsgemäß am schnellsten den Arbeitsplatz verlieren“, so Wieczorek. Stark betroffen waren auch Geringqualizierte und die Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen. Es sei aber nicht so gewesen, dass junge Leute schneller entlassen wurden. Vielmehr seien Übergangsmöglichkeiten zum Beispiel zwischen Abschluss und Studium weitgehend weggefallen. Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen stieg deutlich. „Allerdings stand der gesamte Arbeitsmarkt auch nicht still“, betonte die Agenturchefin auf der virtuellen Pressekonferenz via Skype. Es seien zwar Stellen weggefallen, aber auch viele neu hinzugekommen, so Kathleen Wieczorek. „Es war viel in Bewegung, vor allem im Handel.“ Im März nahm die Zahl der Stellenmeldungen ab, im April brach sie regelrecht ein. Es wurden in dem Monat nur 151 neue Stellen gemeldet. „Danach stieg die Zahl wieder langsam an und erreichte im August mit über 400 neuen Stellen wieder Werte wie vor Corona“, berichtet die Agenturleiterin. „Unser Stellenbestand sank 2020 teilweise bis zu 17 Prozent unter den Vorjahreswert. Dies war deutlich, fiel jedoch moderater aus als im Vergleich zum Land Schleswig-Holstein, wo der Bestand um bis zu 22 Prozent zum Vorjahr zurückging.“ Amazon schaffte Arbeitsplätze: Im Jahresdurchschnitt blieben 2020 die Stellenmeldungen in allen Branchen unter dem Vorjahresniveau, nur aus vier Bereichen gab es mehr Stellenmeldungen: „Energie- und Wasserversorgung, Entsorgung“, „Land- und Forstwirtschaft“, „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ sowie „Verkehr und Lager“. Im letztgenannten Bereich fiel das Stellenplus mit Plus 71 (190 zu 129 im Jahr 2019) zum Vorjahr (plus 47,3 Prozent) am deutlichsten aus, war vor allem am neuen Amazon-Verteilzentrum in Bad Oldesloe lag. Einen kleinen Boom erlebten auch Zeitarbeitsfirmen. Auch das Baugewerbe sei sehr stabil durch die Krise gekommen. Es gibt laut Kathleen Wieczorek weiter eine gute Auftragslage, wenngleich auch nicht in allen Gewerken. Rund zwei Drittel der Kurzarbeitenden waren oder sind Männer. Bei fast 80 Prozent betrug der Arbeitsausfall bis zu 25 Prozent oder zwischen 25 und 50 Prozent. Bei 100 Prozent und damit gar nicht arbeiten konnten lediglich 0,9 Prozent aller Kurzarbeitenden. Am meisten betroffen waren kleine und mittlere Unternehmen, bei der großen Mehrheit (790 der 1284 Betriebe) dauerte die Kurzarbeit nur drei Monate. „Die Arbeitgeber reagieren jeweils schnell auf das Ende von einschränkenden Maßnahmen“, erklärt Agenturchefin Kathleen Wieczorek und hofft, dass das auch jetzt bei weiteren Lockerungen der Fall ist. Ein Viertel der Unternehmen, in denen in den Monaten Mai bis Juli 2020 kurzgearbeitet wurde, waren Betriebe aus der Branche „Handel/Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“. Ihr Anteil betrug 26,8 Prozent. Einen Anteil von 11,8 Prozent machten Betriebe aus dem Gastgewerbe aus, dem verarbeitenden Gewerbe waren 11,6 Prozent zuzuordnen. Jeder sechste Beschäftigte in Kurzarbeit: Dass der Verlust an Arbeitsplätzen im Kreis Stormarn nicht noch deutlicher ausfiel, hängt laut der Chefin der Oldesloer Arbeitsagentur vor allem mit der Kurzarbeit zusammen. „Sie war und ist das wichtigste arbeitsmarktpolitische Instrument zur Beschäftigungssicherung und für die Firmen, um Fachkräfte zu halten“, erklärt Wieczorek. Im Monat Mai 2020 lag die Inanspruchnahme der Kurzarbeit auf einem Höchstwert. „Fast 14 400 und damit gut jeder sechste Beschäftigte war von einem Arbeitsausfall und damit von Kurzarbeit betroffen.“ Das war die höchste Quote in Schleswig-Holstein. Betroffen waren von Mai bis Juli 2020 – das sind die aktuellsten drei Monate mit Daten zur tatsächlichen Kurzarbeit – insgesamt 1284 Betriebe. Unsicherheit auf dem Ausbildungsmarkt: Es zeichnet sich laut Agenturchefin Wieczorek ab, dass gerade Fachkräfte auch zukünftig sicher gebraucht werden. Deshalb blieben die Ausbildung junger Menschen sowie die Qualifizierung Ungelernter die Handlungsfelder der Zukunft. Auf dem Ausbildungsmarkt gebe es dort die Corona-Krise derzeit eine große Unsicherheit auf beiden Seiten, also sowohl bei den Unternehmen als auch bei potenziellen Bewerbern. Die gemeldeten Stellen seien im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,7 Prozent auf 1106 zurückgegangen, die Zahl der Bewerber sogar um 11,9 Prozent auf 539. Trotzdem habe sie für den Kreis Stormarn ein gutes Gefühl, was die Entwicklung auf diesem Sektor angeht, so die Geschäftsführerin der Arbeitsagentur. Von Markus Carstens