Bad Oldesloe: So funktioniert der Distanz-Unterricht an der Beruflichen Schule

9.40 Uhr in der Beruflichen Schule Bad Oldesloe: Die Klingel ertönt zum Unterrichtsbeginn, doch auf den Fluren sind kaum Schüler unterwegs. Kein Wunder, ist im Januar der Präsenzunterricht aufgrund der Corona-Krise fast komplett ausgesetzt. Lediglich die Schüler, die in diesem Jahr ihren Abschluss machen, kommen an den Oldesloer Schanzenbarg; also der 13. Jahrgang der gymnasialen Oberstufe sowie die Berufsschüler, die bald ihre Ausbildung beenden. 266 Jugendliche sind das zurzeit an der Beruflichen Schule, wo insgesamt knapp 2000 Schüler unterrichtet werden. In Raum E 49 sitzen zwar keine Schüler, Studiendirektorin Kerstin Knieriem beginnt aber trotzdem mit dem Unterricht. Sie sitzt vor einem großen Bildschirm sowie einem Convertible (Laptop und Tablet in einem), hat das Online-Lernprogramm Webex gestartet und lässt nun einen Schüler nach dem anderen aus dem virtuellen Warteraum ins digitale Klassenzimmer. Fast alle Elftklässler des Spanischkurses sind anwesend, sitzen aber zu Hause in ihren Zimmern oder einige auch in der Küche. „Die Anwesenheitsbilanz ist gerade viel besser als im ersten Lockdown im Frühjahr“, erzählt die Studiendirektorin. Doch freiwillig war der Unterricht natürlich auch damals nicht. Wer fehlt, wird im digitalen Klassenbuch vermerkt und muss eine Entschuldigung vorlegen. 20 Daumen-Emojis auf dem Bildschirm: Auf dem Bildschirm erscheinen nach und nach die Namen der Schüler. Live zu sehen ist bis auf die Lehrerin allerdings niemand, denn aufgrund der großen Datenmenge haben alle Schüler die Kameras an ihren Rechnern ausgeschaltet. „Buenos dias“, sagt Kerstin Knieriem und bekommt von fast allen ein „Hola“ zurück. Laurina kommt etwas später und sagt „Guten Morgen“. „En espanol, por favor“, „auf Spanisch bitte“, antwortet die Lehrerin und Abteilungsleiterin für die Berufsfachschule und die Fachoberschule. Denn obwohl noch Anfänger, sollten die Schüler doch zumindest die Begrüßung auf Spanisch vornehmen. Kerstin Knieriem erklärt, dass sie nicht allein, sondern der LN-Reporter mit im Klassenzimmer sitzt. Deshalb trägt sie heute ausnahmsweise eine „mascara“. Dann kommt sie zur Besprechung der Hausaufgaben. Diese können hochgeladen und vom Lehrer korrigiert werden – inklusive Feedback. „Können Sie mich alle hören?“ Rund 20 hochgereckte Daumen schnellen über den Bildschirm, denn Emojis dürfen auch in Lernprogrammen nicht fehlen. Hannah meldet sich, um ihre Hausaufgaben zu präsentieren. Kerstin Knieriem schiebt ihr den virtuellen Moderatorenball zu, auf dem Bildschirm zeigt Hannah ihr Bild zum Oberbegriff Freizeit. „Practico voleibol“, sagt sie, „ich spiele Volleyball“. Sie erklärt, was sie sonst noch so neben der Schule macht und bekommt ein „muy bien“ (sehr gut) von ihrer Lehrkraft. „Läuft“ bekommt sie von den Schülern zu hören: Anschließend wird ein Buch aufgeschlagen, auch das geht virtuell. Zwischendurch öffnen sich die Fenster im Klassenraum automatisch, gelüftet wird auch ohne Schüler. Auf allen Bildschirmen erscheint die entsprechende Seite mit sogenannten Hörverstehensübungen. Bei einigen hakt zwischendurch zwar mal das Internet oder auch das Programm, über die beiden Lautsprecher am Lehrer-Bildschirm können jedoch die meisten Schüler die Sprachübungen gut verstehen. „Außerdem haben alle das Lehrbuch in analoger Form zu Hause“, erklärt Kerstin Knieriem und richtet danach eine Gruppenarbeit ein. Auch das ist möglich, dauert nur länger als im Klassenraum. Die Lehrerin kann sich in alle Gruppen einschalten und fragt nach. „Wir kommen superklar“ oder „läuft“ bekommt sie von den Schülern zu hören. „Im Online-Unterricht schaffen wir etwa 75 Prozent des sonstigen Pensums“, erklärt die Studiendirektorin. Dafür brauche sie für Vor- und Nachbereitung derzeit ungefähr doppelt so lange. Dankbar sei die Schule dem Kreis Stormarn als Schulträger, der beide Beruflichen Schulen in Bad Oldesloe und Ahrensburg gut ausgestattet hat. „Alle 145 Lehrer haben diese Convertibles für den Unterricht“, sagt Kerstin Knieriem. „Und auch alle Schüler haben mittlerweile digitale Endgeräte, etwa 60 wurden von der Schule verliehen.“ Insgesamt hätten Schüler und Lehrer seit Beginn der Corona-Pandemie ganz viel gelernt über digitale Medien. Sowohl die Kompetenz bei den Schülern als auch die Affinität der Lehrer gegenüber dem Online-Lernen sei deutlich gestiegen, so die Pädagogin, die Wirtschaftswissenschaften studiert hat und neben Spanisch noch Wirtschaftsgeografie und -politik unterrichtet. „Ohne die Notwendigkeit durch Corona wären wir noch lange nicht so weit.“ Länger schlafen durch Distanz-Untericht: Und einigen Schülern gefällt der Unterricht auf diese Weise sogar besser. „Ich mag lieber den Unterricht zu Hause“, sagt etwa Lina aus Bargteheide. „Dann muss ich nicht hin und her fahren und immer auf den Zug warten.“ Lenny steht derzeit sogar erst um 7.45 Uhr statt schon um 6 Uhr auf. „Ich wohne in Neversdorf, und die Busverbindung ist nicht die beste.“ Trotzdem würde er lieber in die Schule kommen, weil er dort seine Mitschüler treffe – live und in Farbe statt nur virtuell. Von Markus Carstens