Bad Oldesloe: Stadt kündigt Flüchtlingsfamilie die Wohnung

Das war ein echter Schreck für die sechsköpfige Familie Haidary. Anfang September erreichte sie die Nachricht, dass sie aus ihrer Wohnung am Stoltenrieden in Bad Oldesloe ausziehen sollten. „Es sind anerkannte Flüchtlinge, die dort seit fünf Jahren wohnen“, erklärt Gerd-Günter Finck, ehrenamtlicher Mietberater in Bad Oldesloe, der sich seit Jahren für gerechte Wohnverhältnisse einsetzt. Diesen Fall ließ er sich von Übersetzerin Anja Yüksel schildern. „Der Familie Haidary wurde überraschend aufgezwungen, aus der 77-Quadratmeter-Wohnung am Stoltenrieden, in der sie seit Dezember 2015 wohnte, in der sie sich wohl fühlte und gute Nachbarschaftskontakte aufgebaut hatte, auszuziehen“, berichtet Finck. „Neue Wohnunterkunft wurde eine 36 Quadratmeter große Wohnung in der Sammelunterkunft Kastanienallee ebenfalls in Bad Oldesloe.“ Die Wohnung sei in drei Räume aufgeteilt, die nicht zusammen liegen. Eigenes Einkommen hat die Familie nicht, die Mietkosten übernimmt der Staat. „Geflüchtete sind unterlegen“: „Aufgrund ihrer gesellschaftlichen Lage, vom Fachwissen her und ihrer sprachlichen Ausdrucksmöglichkeit sind Geflüchtete Anbietern von Unterkünften oft weit unterlegen. Da dieses gemeinsame Wohnen unfreiwillig ist und ohne Erklärung den neuen Bewohnern aufgezwungen wurde, wird das neue Erleben auf engstem Raum und in Mehrbettzimmern mit gemeinsamer Nutzung von Sanitär- und Kücheneinrichtungen als demütigend und belastend empfunden“, empört sich der Mietberater. Finck weiter: „Was für einen kurzfristigen Aufenthalt beispielsweise für junge Männer geeignet erscheint, ist für Familien nicht geeignet.“ Die große Enge ohne Rückzugsmöglichkeit und geringste Privatsphäre, oft für Jahre, sei kontraproduktiv für einen Integrationsprozess, unwürdig und müsse kurzfristig beendet werden. „Eigene Bemühungen nicht gegeben“: Die Stadt Bad Oldesloe, die am Stoltenrieden nun Obdachlose untergebracht hat, sieht das dagegen ganz anders. „Ich bitte um Verständnis, dass die Stadt Bad Oldesloe zu Einzelfällen in der Betreuung von Geflüchteten keine detaillierten Auskünfte erteilt“, erklärt Thomas Sobczak, Fachbereichsleiter Bürgeramt. Allgemein könne die Stadt jedoch mitteilen: „Die Stadt Bad Oldesloe hat weiterhin Wohnungen im Stadtgebiet auch für geflüchtete Menschen angemietet. In sehr wenigen Einzelfällen zeigt sich, dass die erforderlichen Integrationsbemühungen der Geflüchteten hinsichtlich des Spracherwerbs und der eigenen Bemühungen um Wohnraum nicht hinreichend oder gar nicht gegeben sind.“ In diesen Fällen sei eine intensivere Unterstützung durch die von der Stadt Bad Oldesloe beauftragten Träger (Diakonie und Johanniter) erforderlich. Dies wiederum setze eine Unterbringung in einer der beiden städtischen Gemeinschaftsunterkünfte voraus. So auch in diesem Fall, bei dem seit dem 1. Oktober 2020 eine adäquate Unterbringung in einem Familientrakt der Gemeinschaftsunterkunft Kastanienallee erfolgt ist. Sobczak: „Die zusätzliche Betreuung der Familie durch die benannten Träger trägt bereits erste Früchte.“ Von Markus Carstens