Bad Oldesloe: Wildschwein-Invasion aud dem Brenner Moor

Wer dieser Tage von der Oldesloer Heimstraße zur Grünen Brücke wandern will, dem bietet sich ein wüstes Bild: Die sonst gepflegten Banketten rechts und links des Wegs liegen aufgewühlt da. Über Nacht haben sich Wildschweine aus dem Brenner Moor aufgemacht und den Rasen komplett durchgepflügt. Das beunruhigt offenbar Anwohner, Hundehalter und Jogger, die dort regelmäßig ihre Runden drehen. In sozialen Netzwerken jedenfalls wird davor gewarnt, dass die meist in Rotten auftretenden Tiere gefährlich werden könnten, zumal sie ihre Spuren jetzt schon innerhalb des Wohngebiets hinterlassen hätten. Jagd auf Wildschweine hat zurzeit Priorität: Wie riskant ist aber eine solche Begegnung wirklich und was hat die so genannten Schwarzkittel, die sich sonst scheu dem menschlichen Auge entziehen, überhaupt dazu verleitet, in die Nähe einer Siedlung zu ziehen? Dass die Population womöglich zu groß geworden ist und deshalb ihr Gebiet nun ausweitet, verneint Tobias Vandeck, Leiter des Oldesloer Hegerings vehement. „Wir erfassen quartalsweise die Abschüsse und wir liegen momentan über 20 Prozent vom vergangenen Jahr und die Zahlen gehen ständig nach oben“, berichtet er. Die Jagd auf Wildschweine sei derzeit von höchster Priorität, um die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern. Im Übrigen seien so gut wie keine Verkehrsunfälle mit wechselnden Tieren mehr zu verzeichnen. Tiere sind heiß auf Streusalz: Der Hegeringleiter, der die Gewohnheiten der Wildtiere auf seinen Streifzügen ausgiebig studiert hat, weiß indes wie kein anderer, was die Wildschweine in Richtung Heimstraße gelotst haben könnte. Ein Grund sei sicherlich der andauernde Regen, der die Tiere vom Brenner Moor in höher liegende Gebiete habe ausweichen lassen. „Das ist eigentlich jedes Jahr um diese Zeit so. Die Wildschweine finden dort nicht mehr genug Futter und machen sich auf die Suche nach tierischem Eiweiß und Mineralien. Dazu brechen sie die Grasnarbe auf“, erklärt Tobias Vandeck. Das sei auch im Winter an der B 404 und der A 21 gut zu erkennen. Die Tiere durchpflügten dort die Straßenränder nach Streusalz. 214 Mitglieder zählt der Oldesloer Hegering derzeit. Laut dem Vorsitzenden Tobias Vandeck gehören ihm nicht nur Jäger und Jagdpächter, sondern auch Falkner und andere Personen an, die im weitesten Sinne mit der Natur des Waldes zu tun haben. Der Hegering umfasst 12 500 Hektar und ist in 42 Jagdbezirke rund um die Kreisstadt aufgeteilt. Vorwiegend ist dort Reh-, Dam- und Schwarzwild zu finden. Jedoch gibt es auch Feldhasen, Stockenten und Fasane. Landschaftlich wird der Hegering durch die Wälder wie den Kneeden, aber auch die Gebiete entlang der Trave mit ausgedehnten Niederungsbereichen wie dem Benner Moor und der Beste geprägt. Nach der Ernte ist das Zuhause weg: Laut Vandeck sorgt nicht zuletzt Faktor Mensch aus verschiedenen Gründen dafür, dass die Wildschweine ihre „Komfortzone“ verlassen. „Sie nutzen ja landwirtschaftliche Flächen oft als Deckung. Und wenn wie jetzt die großen Maschinen die letzten Maisfelder ernten, dann ist innerhalb von Stunden alles kahl. Etwas übertrieben gesagt: ihr Zuhause ist weg. Wir Jäger nennen das den Ernteschock des Wildes“, erklärt er. Dies habe zur Folge, dass sich größere Gruppen auf Wanderschaft befänden, um neue Gebiete zu finden, die ihnen den nötigen Schutz böten. Das werde sich in ein paar Wochen wieder legen. Die Tiere zögen sich dann erfahrungsgemäß in die Wälder zurück und verteilten sich wieder. Die Wälder seien voll mit Eicheln in diesem Jahr. Hoher Freizeitdruck beunruhigt die Wildtiere: Dass auch Corona das Verhalten der Wildtiere beeinflusst, mag sich auf Anhieb nicht so leicht erschließen. Vandeck hat dafür aber triftige Beweise. Seit dem Lockdown im Frühjahr habe sich das Freizeitverhalten der Leute stark verändert, sagt er. Jeder, der früher im Fitness-Studio oder der Sporthalle trainiert habe, begebe sich jetzt in die Natur. „Seit Corona ist der Freizeitdruck ja enorm gewachsen. Die Leute laufen, egal zu welchen Tages- und Nachtzeiten, durch die Natur, sie grillen auf Feldwegen, campen hinter Waldstücken, weil bei vielen der Urlaub ausfällt. Reiter sind mit Leuchtwesten auch abends unterwegs. Ich habe Verständnis dafür und bitte, das nicht falsch zu verstehen. Aber das beunruhigt die Wildtiere auch, gerade am Stadtrand. Sie versuchen dann auszuweichen“, sagt Vandeck. Auf den Tag berechnet, hätten die Tiere am Brenner Moor nur wenige Stunden am Tag ihre Ruhe. „Der erste Radfahrer fährt schon um vier, fünf Uhr durch. Der letzte Spaziergänger verlässt das Moor gegen 23 Uhr.“ Schwarzkittel bekommen Wind und fliehen: Was die Gefahr angeht, die von den Wildschweinen ausgeht, so gibt Vandeck aber im Großen und Ganzen Entwarnung. Richtig aggressiv gebärdeten sich die Schwarzkittel lediglich im Frühjahr, wenn sie frisch geworfen haben. „Sie versuchen dann ihren Nachwuchs zu verteidigen, wenn Menschen zu dicht kommen. Aber jetzt im Herbst gibt es noch keine Frischlinge“, sagt der Jagdexperte. Brenzlig könne es aber dennoch werden, wenn Spaziergänger in der Dämmerung oder nachts ihre Hunde frei im Biotop umherlaufen ließen. „Dem Menschen geschieht in solchen Situationen nichts. Aber der Vierbeiner wird von den Schweinen als Eindringling wahrgenommen und entsprechend gehen die Tiere zum Gegenangriff über“, erklärt der Hegeringleiter. Doch meist bekomme das Wild von herannahenden Spaziergängern oder Joggern schon lange, bevor sie sich näherten Wind. „Sie fliehen schon Hunderte von Metern vorher“, sagt Vandeck. Von Dorothea von Dahlen

Bad Oldesloe: Wildschwein-Invasion aud dem Brenner Moor - Anwohner besorgt