Bargteheide: Stadt und Stadtkind werden 50 Jahre alt

Tanja Christlieb und die Stadt Bargteheide sind gewissermaßen Zwillinge: Beide wurden vor 50 Jahren geboren. Als Tanja Christlieb im September 1970 ihren ersten Schrei tat, besaß Bargteheide gerade seit wenigen Monaten das Stadtrecht. Das war Bargteheide mit damals 7682 Einwohnern am 15. Mai von der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung verliehen worden. Bürgermeister Karl Eduard Claussen hatte die Stadtwerdung in seiner Amtszeit wesentlich voran getrieben. „Weil ich damals so schnell auf die Welt gekommen bin, dass die Fahrt ins Krankenhaus nicht mehr klappte und ich eine Hausgeburt war, hat mein Vater den Bürgermeister darüber informiert“, erzählt Tanja Christlieb. Der kam daraufhin mit einem Strampler und Blumen ins Haus, und Baby Tanja wurde inoffizielles Patenkind der Stadt Bargteheide und fortan das „Stadtkind“. In den Folgejahren wurde immer zu runden Geburtstagen der Stadt auch das Stadtkind bedacht und vom Bürgermeister begrüßt. Bruchlandung beim Rundflug: 1970 war das Amtsgericht nach Bargteheide gezogen, es gab seit zwei Jahren ein Freibad und die Musikalische Früherziehung ging an den Start. Als Schulzentrum, Wirtschaftszentrum in der Region, Kirchspielort und wachsende Gemeinde mit Eisenbahnanschluss sah Bargteheide sich als reif für das Stadtrecht. Aus Anlass der Stadtwerdung gingen Hunderte Bargteheider in die Luft, die einen der Rundflüge über Bargteheide mitmachen wollten. Provisorischer Flugplatz für mehrere einmotorige Sportmaschinen war eine Weide hinter dem Schützenplatz. Damals soll auch eine Bruchlandung für Aufregung gesorgt haben, bei der aber niemand zu Schaden kam. Während Baby Tanja mit der Rassel spielte, wurde dem Bürgermeister die Amtskette übergeben, die der Ring Bargteheider Kaufleute und die Bargteheider Gewerbetreibenden gestiftet hatten. 1980 bekam Bargteheide auch eine Bühne. Die verdankt ihr Bestehen Günther Hartmann, der das Haus nach einem Brand seines Lichtspielhauses wieder aufbaute. Am 16. Februar 1980 entstand mit dem Anbau des Bühnenhauses aus einem Provisorium ein „richtiges“ Theater, und das bekam am 3. Juli 1980 den Namen „Kleines Theater“. Tanja Christlieb hatte 1980 den Besuch der Emil-Nolde-Schule abgeschlossen und feierte ihren zehnten Geburtstag. „Zum zehnten Geburtstag habe ich von der Stadt einen Gutschein für Reitstunden bekommen, und später war ich regelmäßig zu den Feierlichkeiten eingeladen, wenn wieder ein runder Geburtstag des Stadtrechts anstand“, erinnert sich die Bargteheiderin. Sie habe seitdem jeden Bürgermeister kennen gelernt und sei sicher die einzige, die von allen Verwaltungschefs ein Küsschen rechts und ein Küsschen links erhalten habe. Weltmeisterin im Dauermassieren: Im Guinness-Buch der Rekorde landete Tanja Christlieb aber mit einem anderen Rekord. „Ich habe damals einen Weltrekord im Dauermassieren aufgestellt“, sagt sie. Mit 76 Stunden ununterbrochen Hand anlegen bei einem Verbrauch von drei Litern Öl brach sie den bisherigen Rekord eines Österreichers von 68 Stunden. „Dabei habe ich drei Kilo abgenommen“, blickt Tanja Christlieb zurück, die damals ihre Ausbildung zur Masseurin in Bad Bevensen machte. 1990 wurde der Bargteheider Seniorenbeirat gegründet, und David Kross – mittlerweile als Schauspieler international erfolgreich – wurde in Bargteheide geboren. Tanja Christlieb, die ihrer Stadt nach Hochzeit und Familiengründung einige Jahre untreu geworden war, zog 1991 nach Stormarn zurück, entdeckte ihre Liebe zum Bogenschießen und verband sie mit der Liebe zum Mittelalter. Als „Geschichte zum Anfassen“ ist sie nicht nur das Gesicht der Stadtwerdung, sondern auch als Wikinger-Dame beim Reenactment aktiv. „Ich stelle auf Märkten eine Wikingerin aus dem 9. Jahrhundert dar“, schildert sie ihre Rolle. Dabei trägt sie Kleider, die sie nach Mustern aus Haithabu selber genäht hat, und zeigt das Bogenschießen. Ihr Hobby führt sie zurück in die historische Vergangenheit, Bargteheide schritt derweil weiter in die Zukunft. Tanja Christlieb eröffnete ein eigenes Massagestudio, und in der Stadt Bargteheide wurde gebaut und gebaut. „Ich weiß noch, dass man anfangs in Gummistiefeln zum Einkaufen ging“, denkt Tanja Christlieb zurück, „später wurde die Stadt dann schnell städtisch und es wurde sehr viel neu gebaut.“ Bargteheider Buckel: Im Jahr 2000 wurden das Jugendarbeitsteam gegründet und der Grundstein der Städtepartnerschaft mit Zmigrod gelegt, und 2010 stand Tanja Christlieb zum Tag der „40 Jahre Stadtwerdung“ mal wieder vor einem Bürgermeister. Bald darauf begann der Bau der Westumgehung, die Bargteheide durch den „Bargteheider Buckel“ überregional bekannt machte. Die ungewöhnlich hohe Erhebung der neuen Straße an der Einmündung in die Alte Landstraße musste schließlich teilweise wieder abgetragen werden. Derzeit wartet die Stadt darauf, dass auch der dritte und letzte Teilabschnitt der Umgehungsstraße umgesetzt werden kann. „Ich liebe Bargteheide“, sagt die Mutter dreier Kinder, „ich bin eine Kleinstadtpflanze. Hier ist es für Kinder ideal, man kann alles mit dem Rad erledigen, ich kenne mich aus und fühle mich wohl.“ Ihr Wunsch für die Zukunft ist, dass die Stadt nicht allzu sehr weiterwachsen soll. „18 000 Einwohner sind eine gute Größe“, findet sie. 50-Jahr-Feier wird nachgeholt: 2020 sollte das 50-jährige Stadtjubiläum mit den mittlerweile 16 775 Einwohnern groß gefeiert werden, und Tanja Christlieb hatte für ihren Auftritt als Stadtkind schon ein Gedicht geschrieben, als die Corona-Pandemie dem Ganzen einen Riegel vorschob. Nun werden die Feierlichkeiten auf das nächste Jahr verschoben. Dann wird das Stadtkind vom sechsten Bürgermeister seit 1970 begrüßt, die mit Birte Kruse-Gobrecht erstmals eine Bürgermeisterin ist. 1962–1971: Karl Eduard Claussen 1971–1984: Erich Reincke 1985–1996: Frank Pries 1996–2008: Werner Mitsch 2008–2016: Henning Görtz seit 2016: Birte Kruse-Gobrecht Von Bettina Albrod

Bargteheide - Zusammen 50 Jahre alt geworden: Bargteheide und das „Stadtkind“