Bilanz nach 20 Jahren: Zusammenschluss der Stadtwerke ist Erfolgsstory

Zuerst ging es nur ums nackte Überleben: Mit der Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes änderten sich die Rahmenbedingungen für die Stromanbieter auf allen Produktions- und Absatzebenen. „Für uns ,Kleine’ stand die Frage im Raum: Wie geht es überhaupt weiter?“, sagt Heinz Grothkopp, Ende der 1990er Jahre Geschäftsführer des Eigenbetriebs Möllner Stadtwerke. Der Senator und Ratsherr Horst Kühl (CDU) war Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Möllner Stadtwerke: „Damals hieß es, dass kleine Stadtwerke nicht die geringste Chance hätten, zu überleben. Das wurde auch seitens der Regierungen so vermittelt. Nur große Verbindungen könnten auf Dauer bestehen und somit die Bevölkerung mit Energie und Wasser versorgen.“ Keine Investitionen tätigen, aber Ausschüttungen mitnehmen: „Etliche haben sich einen ,Großen Bruder’ gesucht, wie etwa die Geesthachter mit der Schleswag“, erinnert sich Grothkopp, der die VS bis Ende 2018 leitete, ehe er in den Ruhestand ging. Auch die Möllner führten Gespräche mit dem Konzern sowie mit einer Vattenfall-Tochter. Doch die ernüchternde Erkenntnis aus diesen Verhandlungen, so Grothkopp: „Die Großen wollten sich nicht an Investitionen vor Ort beteiligen, dafür aber stramme Ausschüttungen mitnehmen.“ Also überlegte er sich mit Gleichgesinnten, Kommunalpolitikern und Kollegen aus der Umgebung, welche Möglichkeiten es noch gab. „Wir Möllner hatten bereits mit der Ratzeburg-Möllner-Verkehrsgesellschaft RMVG, später RMVB, eine Kooperation mit unserer nördlichen Nachbarstadt – und auf dieser Ebene ein enges Verhältnis.“ Zum 1. Januar 2001 starteten die Vereinigten Stadtwerke mit 179 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von jährlich 120 Millionen D-Mark. Der Gasabsatz lag bei rund einer Milliarde Kilowattstunden, der Stromabsatz bei rund 200 Millionen kWh, Wasser von circa 4,6 Millionen Kubikmeter. Die Gasnetze aller drei Altstadtwerke grenzten bereits aneinander, sodass über dieses zusammenhängende Netz fast 100 000 Kunden erreicht wurden. Aufgrund der Synergieeffekte sollten zunächst Arbeitsplätze durch natürliche Fluktuation, altersbedingtes Ausscheiden oder Altersteilzeit abgebaut werden. Mittlerweile ist der Mitarbeiterstamm – nicht zuletzt durch die Neugründungen von VS Netz und VS Media über die Jahre auf mittlerweile 278 angewachsen. Angesichts der Neubauvorhaben in Ratzeburg (Gesellschaftersitz) sowie zum zweiten Hauptsitz in Bad Oldesloe kann man mit einem weiteren Mitarbeiterwachstum rechnen. 2006 wurde die 100-prozentige Tochtergesellschaft VS Netz gegründet, 2009 die VS Media. Vor allem Letztere entwickelte sich rasant. Ex-Chef Heinz Grothkopp gibt zu, er habe sich mit der neuen Sparte „anfangs schwergetan. Ich war der Meinung, wir müssten uns aufs Kerngeschäft konzentrieren und dürften uns nicht verzetteln“. Doch hier irrte er. Die VS Media startete hervorragend durch, hat mittlerweile 4100 Kilometer Glasfasernetze aufgebaut und sorgt in ihrer Versorgungsregion für eine Anschlussquote von 68 Prozent. Zum Vergleich: Die bundesweite Durchschnittsquote liegt aktuell bei drei Prozent! 2019 gründete die VS gemeinsam mit dem e-werk Sachsenwald die gemeinsame Tochter Media Sachsenwald GmbH. Weitere Handlungsfelder ist der Bau von Biogas-Blockheizkraftwerken sowie von E-Ladesäulen. Allerdings tat sich die Ratzeburger Politik damals sehr schwer. Zunächst scheiterten die Gespräche. Als Mölln aber mit den Oldesloer Stadtwerken die Idee neu aufnahm und man sich einigte, bewegten sich die Ratzeburger doch – und es kam zum 1. Januar 2001 zur Gründung der gemeinsamen Tochtergesellschaft, der Vereinigten Stadtwerke GmbH. Anfangs Vorbehalte in Bad Oldesloe und Ratzeburg: Die damals handelnden Personen waren die Geschäftsführer Grothkopp (Mölln), Gerhard Hacker (Bad Oldesloe) und Karl-Borwin Tiedt (Ratzeburg) sowie die Bürgermeister Wolfgang Engelmann (Mölln), Dr. Philipp Wrieden (Bad Oldesloe) und Michael Ziethen (Ratzeburg). Den ersten Aufsichtsrat besetzten Dieter Wrage (Mölln, Vorsitz), Friedrich-Carl Wodarz (Bad Oldesloe) und Hans-Jürgen Berndorff (Ratzeburg). Maßgeblich beteiligt an der Gründung der Vereinigten Stadtwerke auf Stormarner Seite war damals Friedrich-Carl Wodarz aus Bad Oldesloe. Der SPD-Politiker gehörte über etliche Jahre der Oldesloer Stadtverordnetenversammlung an und vertrat die Sozialdemokraten für zwei Wahlperioden im Kieler Landtag. „Es hieß damals, dass von 100 Stadtwerken nur eines überleben würde.“ Also hieß es verkaufen oder Partner suchen. „Wir mussten größer werden“, so der heute 78-Jährige. Die Idee in der Kreisstadt dazu habe der damalige Stadtwerke-Chef Gerhard Hacker gehabt. In Ostholstein blitzten die Oldesloer zunächst ab, anschließend begannen die Verhandlungen mit den Stadtwerken Mölln und Ratzeburg. „Herr Hacker machte Vorschläge, wie die neue Gesellschaft aussehen könnte. Mir oblag es, politische Mehrheiten zu beschaffen“, erinnert sich Wodarz, damals Vorsitzender des Stadtwerkeausschusses. Kein leichtes Unterfangen, denn ausgerechnet der damalige Bürgermeister Philipp Wrieden und Teile der CDU waren gegen die Pläne. „Das war eine aufregende Zeit. Man hat es ja nicht immer als Politiker, dass man so wesentliche und weitreichende Entscheidungen trifft.“ Auch Horst Kühl erinnert sich an die schwierige Findungsphase: „Anfängliche Widerstände gab es in Ratzeburg und Bad Oldesloe. Motor der Gründung und auch für die spätere reibungslose Zusammenarbeit waren die Möllner Stadtwerke und ihr Geschäftsführer Heinz Grothkopp.“ VS zu 100 Prozent kommunal: In dem Zusammenhang sei aber heute festzustellen, „dass die Zusammenarbeit mit allen Vertretern der Städte in den Gremien der Vereinigten Stadtwerke hervorragend funktioniert“. Der größte Erfolg des Stadtwerke Verbundes sei, dass die VS „zu 100 Prozent kommunal sind. Es gibt keinen Konzern, der Gesellschaftsanteile in den Ursprungsstadtwerken oder bei den Vereinigten Stadtwerken hält. Hinzu kommt, dass die VS durch die Geschäftsführungspolitik von erst Heinz Grothkopp und jetzt den neuen Chefs Marius Lembicz und Olaf Pötzing auch wirtschaftliche Erfolge hat, die der Gesellschaft, den zu versorgenden Bürgern als auch den Städten zugutekommen.“ Heinz Grothkopp ist ebenfalls zufrieden damit, wie alles gelaufen ist: „Es hat gut gepasst. Die Gedanken von damals haben sich bewahrheitet. Effizienz und Professionalisierung haben wir durch die Spezialisierung im Verbund erzielt.“ Als einzelnes Stadtwerk hätte man sich beispielsweise eine Controlling-Abteilung gar nicht leisten können. „Wir hätten outsourcen können, aber damit auch Kernkompetenz aufgegeben. Wir wären nicht mehr Herr des Geschehens gewesen.“ „Eine echte Erfolgsgeschichte“: So habe man sich zu einer vernünftigen Größe zusammengeschlossen und sei entsprechend gesund gewachsen. Für die Zukunft sei ihm nicht bange: „Die VS haben eine gute Grundlage geschaffen, um sich am Markt weiterzuentwickeln.“ Rückblickend spricht auch Wodarz, der nach der Fusion in den Aufsichtsrat der Vereinigten Stadtwerke einzog, von einem absolut richtigen Schritt. Die Kunden seien den Stadtwerken stets treu geblieben, bekämen weiter Strom, Gas und Wasser von ihrem lokalen Versorger. Heutzutage habe die Gesellschaft ihr Angebot nochmals erweitert und auch ihr Geschäftsgebiet flächendeckend ausgedehnt. Wodarz: „Eine echte Erfolgsgeschichte“. Lesen Sie auch Startschuss für neue Formenzentrale der Stadtwerke Neuer Möllner Bahnhof lockt mit Kaffee, Kiosk und Kundencenter Stadtwerke planen neue Firmenzentrale in Ratzeburg Von Joachim Strunk und Markus Carstens