Brand in Stubbendorf: So feiern die Hofbewohner Weihnachten

Kurz vor Weihnachten haben Michael Matthies und seine drei Mitbewohner bei einem Großfeuer ihr Dach über dem Kopf verloren. Der Stubbendorfer Pferdehof, auf dem sie zur Miete wohnten, brannte lichterloh, bis auf einen Scheunenteil wurde alles zerstört. Die zwei Frauen und zwei Männer konnten sich in Sicherheit bringen. Auch die Tiere – zehn Pferde, vier Hunde und zwei Katzen – konnten gerettet werden. Doch der Neustart ist für die Betroffenen schwer. Die vergangenen Wochen haben die Brandopfer unter anderem damit zugebracht, ihre Papiere neu zu beantragen: Geburtsurkunde, Personalausweis, Führerschein. „Bei uns kommt noch dazu, dass wir die Equidenpässe, die Dokumente von den Pferden, brauchen“, fügt Annette K. hinzu. „Das kostet viel Zeit und Geld“, ergänzt Matthies. Doch in den Ämtern in Reinfeld und Lübeck seien die Mitarbeiter sehr nett gewesen, hätten kurze Wege ermöglicht. Die Versicherungsunterlagen fehlten den Hofbewohnern noch komplett. „Aber die Gesundheitskarten haben wir zum Glück schon. So können wir zumindest zum Arzt gehen, wenn was sein sollte.“ Annette und ihre Tochter Katharina K. kümmern sich von morgens bis abends um ihre Vierbeiner. „Die Ängste sind bei all unseren Tieren noch sehr groß. Sie haben ja ebenfalls ihr Zuhause verloren.“ Hinzu kommt, dass die Pferde und Hunde, die in ihrer Obhut sind, besondere Pflegefälle sind – zahnlos, blind oder mit Sehnen- und Seelenschaden. Welle der Hilfsbereitschaft: Auf dem Gelände des abgebrannten Pferdehofs sind inzwischen Bauarbeiter angerückt und haben mit den Aufräumarbeiten begonnen. „Sie müssen unter Vollschutz arbeiten, weil einige Asbestplatten darunter sind“, weiß Michael Matthies. Jedes einzelne Schuttteil müsse per Hand sortiert werden. Trotz allem können die Hofbewohner nach vorn blicken. Nach einem privaten Spendenaufruf im Internet rollte eine Welle der Hilfsbereitschaft an. Aufgerufen hatte dazu Claudia Burgdorf, eine Kollegin von Michael Matthies. „Er ist wirklich einer der nettesten und hilfsbereitesten Menschen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe. Deswegen berührt mich sein Schicksal umso mehr“, schilderte die Bad Malenterin, die ihrem Kollegen und seinen Mitbewohnern in dieser Notsituation unter die Arme griff. „Auf dem Spendenkonto sind tatsächlich 3965 Euro eingegangen. Zuzüglich 1000 Euro von Inner Wheel. Das hat uns alle wirklich umgehauen“, sagt Burgdorf. „Wir sind immens dankbar dafür. Damit haben wir nicht gerechnet. Es war so eine große Hilfe, wir standen ja wirklich ohne einen Pfennig Bargeld da“, sagen die Pferdehofbewohner. Ohne die Spenden hätten sie vieles nicht schaffen können. So haben sie für Pony „Gina“ Stall und Paddock gebaut. „Wir haben Zäune und ein Weidezelt plus Unterlegplatten für den Stall von den Spenden gekauft“, erzählt Annette K. Für Tierfutter, warme Stiefel, Thermounterwäsche und eine gefütterte Arbeitsjacke habe das Geld auch noch gereicht. Als Nächstes wollen sie eine Weide für Hengst „Byron“ herrichten, der jetzt in Hörweite der Abrissarbeiten steht und keine Möglichkeit hat, sich vom Baulärm zurückzuziehen. „Weil er ein Hengst ist und bestimmte Auflagen gelten, müssen wir die vorhandenen Zäune auf der Weide komplett gegen Starkstrom austauschen. Das heißt: Alle Mann an die Arbeit und alles sicher machen.“ Maurermeister verschenkt Ford Transit: Auch viele Sachspenden sind eingegangen. Eine besonders großzügige Gabe kam vom Vater einer Nachbarin, der Maurermeister ist. „Er hat uns seinen Lieferwagen geschenkt. Als er früher in einer Notlage war, hat er wohl auch mal ein Auto geschenkt bekommen. Nun kam er zu mir und überreichte mir den Schlüssel für den Ford Transit mit den Worten: ,Ich glaube, den kannst du jetzt besser gebrauchen als ich.’“ So viel Hilfsbereitschaft – das habe sie alle sprachlos gemacht. „Das war eine ganz große Geste“, sagt Annette K., für die der Transporter Gold wert ist. „Wenn man die Nachrichten verfolgt, zweifelt man manchmal an der Menschlichkeit. Aber was wir erlebt haben! Es ist so viel Hilfsbereitschaft da“, sagt Michael Matthies. Eine besondere Freude habe ihnen auch eine Gruppe von 27 Damen aus einem Nachbarort mit einer Adventskiste gemacht. „Da sind selbst gemachte, liebevoll eingepackte Geschenke wie bei einem Adventskalender drin. Da freuen wir uns jeden Abend darüber. Das ist etwas, was einen wieder aufbaut.“ Umzug im Neuen Jahr: Auch was das Wohnen betrifft, gibt es Licht am Horizont. Annette und Katharina K. bekommen Anfang des Jahres zwei kleine Wohnungen in Reinfeld. „Bei mir sieht es so aus, dass ich von März an wieder in Lübeck wohne. Eine Bekannte stellt mir erst einmal ihre Ferienwohnung zur Verfügung“, sagt Michael Matthies. Der vierte Mitbewohner sei übergangsweise bei seinem Vater untergekommen, für ihn suchten sie noch. Am liebsten hätten sie zwar eine Wohnung für alle vier zusammen gehabt. „Aber das war nicht möglich. Es ist auf dem Wohnraummarkt so schwer. Wir haben alles versucht“, sagt Annette K. Es müsse auch etwas in der Nähe sein, da die Frauen sich um die Pferde kümmern müssten. Die Festtage verbringen die beiden Frauen und Michael Matthies noch zusammen in der Zarpener Wohnung, die ihnen das Amt vorübergehend zur Verfügung gestellt hat. „Aber Besinnlichkeit – das ist für uns schier unmöglich. Deshalb verdrängen wir Weihnachten noch. Wir haben auch ganz andere Sachen im Kopf“, gesteht Matthies. Eine Kleinigkeit ist trotzdem geplant: Heiligabend wollen sie zusammen essen. Mit den beschränkten Mitteln, die möglich sind, will Annette K. Rinderrouladen mit Klößen und Rotkohl zubereiten. „Meine Tochter wünscht sich jedes Jahr Rouladen. Das ist bei uns Tradition.“ Christbaumkugeln aus den Trümmern geholt: Vielleicht wird es sogar einen kleinen Baum geben. „Weil wir Weihnachtskugeln haben – herausgefischt aus den Trümmern. Das soll jetzt nicht so klingen, als wenn wir uns keine neuen Kugeln kaufen können, die kosten ja nicht so viel. Nein, wir haben Weihnachtskugeln aus der Wohnung von Michael Matthies gerettet“, berichtet Annette K. Teilweise stammten die noch von seinen Eltern und Großeltern. Er hatte sie im ersten Stock in einer Abseite aufbewahrt. Und einige dieser zarten, glänzenden Baumanhänger sind mitten im Schutt unversehrt wieder aufgetaucht. Ein Lichtblick – und irgendwie auch ein Zeichen, dass das Leben weitergehe. „Die Farbzusammenstellung ist zwar sehr abenteuerlich. Aber aus diesen Resten wollen wir was machen.“ Und was wünschen sich die Hofbewohner zu Weihnachten? „Keiner von uns wünscht sich etwas Materielles“, sagt die 26-jährige Katharina K. „Wir wünschen uns einen milden Winter, damit wir nicht mit Minusgraden und Schnee zu kämpfen haben. Wenn uns die provisorischen Wasserleitungen, die hier offen rumliegen, einfrieren, dann haben wir ein Problem“, ergänzt Katharinas Mutter. Ein Pferd brauche 60 bis 80 Liter Wasser am Tag, da könne man nicht einfach mal den Nachbarn bitten, zwei Wochen mit Wasser auszuhelfen. „Und zur Ruhe kommen“, das ist das, was sich Michael Matthies wünscht. Von Britta Matzen