Corona: Infizierter aus Stormarn schildert Erlebnisse mit Gesundheitsamt

Der Lütjenseer Wolfgang Godowsky hatte am 16. Dezember von Freunden erfahren, dass sie positiv auf Corona getestet worden waren. Weil auch er, seine Frau und sein Schwiegersohn Erkältungssymptome hatten, ließen sie sich ebenfalls testen, auch sie waren positiv. Godowsky hat über die Quarantäne Protokoll geführt: Zum einen sei er vom Stormarner Gesundheitsamt sehr gut betreut worden, zum anderen habe es aber einige Missstände im Prozedere gegeben, sagt der 72-Jährige. Sein Protokoll nennt er „Behördenerlebnisse eines Covid-19-Infizierten“: Das Corona-Protokoll: „ Am 20. Dezember teilt die Hausärztin uns telefonisch das positive Testergebnis mit. Ich melde dem Kreisgesundheitsamt Stormarn online unsere Corona-Infektionen und als Kontaktpersonen 1. Grades die erkrankten Freunde, meine Tochter und deren zwei Kinder.“ Als Pferdezüchter beantragt der Lütjenseer außerdem eine Ausnahmegenehmigung zur Pferdeversorgung, die gefahrlos möglich sei. „ Am 22.Dezember Eingangsbestätigung vom Corona-Ermittlungs-Team (CET), eine Ausnahmegenehmigung wird abgelehnt, ein Telefonat wird angekündigt. Am 23. Dezember Anruf einer Mitarbeiterin des CET, die mein Befinden, Krankheitssymptome und soziale Kontakte erfragt. Wegen fehlender Informationen über die Infektionen meiner Familienmitglieder sucht sie erfolglos in einem physischen Ordner nach den Meldungen. Ich melde dem Gesundheitsamt erneut per handschriftlich ausgefüllter und eingescannter pdf-Liste meine Kontaktpersonen! Am 24. Dezember Anruf eines Arztes des Covid 19-Monitoring der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KV), er sei beauftragt, sich wegen meiner Erkrankung nach meinem Befinden zu erkundigen, die Infektionen meiner Familienmitglieder seien ihm nicht bekannt, außerdem bediene er ein altes Programm. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Am 25. Dezember erneuter Anruf des o.g. Arztes der KV, er sei verpflichtet, mich täglich zu kontaktieren, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen, obwohl ich inzwischen weitestgehend symptomlos bin. Am selben Tag nachmittags: Anruf einer anderen Ärztin des Covid-19-Monitoring mit dem Auftrag, Patienten mit Verdacht auf starke Erkrankung anzurufen; erkundigt sich nach Zeitpunkt der ersten Symptome, der beginnenden Symptomlosigkeit und nimmt zur Kenntnis, dass ich die Telefonsorge bei meiner erreichten Symptomlosigkeit nicht für erforderlich halte. Am 26. Dezember erhält meine Tochter einen Anruf von einem Bundeswehr-Soldaten im Auftrag des Gesundheitsamtes, der meinen Schwiegersohn interviewen solle; von dem Namen meiner Tochter und Infektion der Familienmitglieder sei ihm nichts bekannt. Er erfragt erneut Symptome und Kontaktdaten, die dem Gesundheitsamt längst bekannt sein müssten, trägt sie handschriftlich in ein Formular ein, das dann zur digitalen Einpflege ins Programm ans Gesundheitsamt weitergeleitet würde. Wenig später erneuter Anruf des Soldaten nach Rücksprache mit einer verantwortlichen Ärztin, dass das voraussichtliche Ende der Quarantäne der 28.12. sei, aber ein Bescheid des Gesundheitsamtes abgewartet werden müsse. Ein dritter Anruf, diesmal auf der Telefonnummer meines Schwiegersohnes, dass nach neuerlicher Rücksprache mit der Gesundheitsamts-Ärztin bei Symptomenlosigkeit die Quarantäne meines Schwiegersohnes und seiner Familie definitiv am 28.12. ende, mit einem schriftlichen Bescheid sei vorerst wegen Arbeitsüberlastung nicht zu rechnen. Täglich mehrere Anrufe aus dem Gesundheitsamt: Am 28. Dezember drei weitere Anrufe einer Dame des Gesundheitsamtes auf dem Telefon meines Schwiegersohnes, die erneut nach Symptomen und Kontakten fragt, um die Quarantänezeit berechnen zu können; auf die Entgegnung, dass das auch am Tag zuvor von einem Soldaten erfragt worden sei und die Quarantänezeit abgelaufen sei, gibt sie sich als Bundeswehrsoldatin zu erkennen, fragt nach dem Namen des Kollegen und bekennt, das der neben ihr sitze, das Programm aber nicht beherrscht werde und täglich neue Anweisungen kämen. Ein vierter Anruf einer Gesundheitsamts-Ärztin erlaubt die Beendigung der Quarantäne für meinen Schwiegersohn und meine Tochter. Am selben Tag empfange ich per E-Mail vom „Team Corona Kontaktpersonen“ eine „Liste Kontaktpersonen Covid 19“ mit der Bitte, sie schnellstmöglich auszufüllen und zurückzusenden! Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Das sind die Corona-Regeln ab Dezember Private Treffen: Diese Regeln gelten im Dezember in Schleswig-Holstein Sport draußen und drinnen: Das ist in SH erlaubt Hier informieren wir kostenlos über Corona-Regeln: Diese Corona-Regeln haben die Bundesländer für Weihnachten und Silvester erlassen Am 29. Dezember werde ich telefonisch vom Gesundheitsamt aus der Quarantäne entlassen, von einer Infektion meiner Frau sei der Behörde nichts bekannt, sie werde als K1-Person geführt, deren häusliche Isolation erst am 1.01.21 ende. Eine sofort von uns per Handy übermittelte Kopie des Laborbescheides der nachgewiesenen Infektion (der nachweislich vom Labor ans Gesundheitsamt übermittelt worden war), könne wegen fehlender Werte nicht anerkannt werden, der Fall werde wegen Feierabends erst morgen weiterbearbeitet. Am selben Tag wird die Quarantäne unseres befreundeten Ehepaars ohne weiteres telefonisch beendet. Darüber hinaus kann ich meine Infektion in der Corona Warn App nicht eintragen, weil ich als Privatpatient weder einen QR-Code noch eine TAN erhalten kann.“ Software-Umstellung sorgte für Probleme: Godowskys haben die Krankheit gut überstanden. „Mein Eindruck ist, dass die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes mit einer kurz vor Weihnachten in der Hochphase der Pandemie neu eingeführten Software arbeiten mussten, wobei die Daten zum Teil analog erhoben werden mussten und wegen Arbeitsüberlastung aus den Listen nicht oder falsch in die Software übertragen wurden“, erklärt Godowsky. Da diese Aufgaben offensichtlich unkoordiniert von vielen Personen parallel erledigt worden seien, seien viele personelle Ressourcen überproportional gebunden gewesen, was die Strukturen offenbar überlastet habe. Christiane Clobes, Leiterin des Stormarner Gesundheitsamtes, kennt die Probleme; sie resultierten aus einer Übergangsphase bei der notwendigen Systemumstellung. „Es gab einen Softwarewechsel im Gesundheitsamt, so dass alle Werte künftig direkt auch an das Robert-Koch-Institut gemeldet werden können“, erläutert sie den Hintergrund. Die neue Software habe unbedingt eingeführt werden müssen, um auf dem aktuellen Stand arbeiten zu können. Vorher habe das Amt eine eigene Datenbank aufgebaut, die nun mit dem neuen System zusammengeführt werden musste. Laborbefunde kamen per Fax ans Gesundheitsamt: „Bis dahin haben wir wie viele Ämter noch analog gearbeitet. Laborbefunde kamen beispielsweise als Fax ans Gesundheitsamt und mussten per Hand in die Dateien eingepflegt werden.“ Bei der Umstellung der Software sei es zu Überschneidungen des alten und des neuen Systems gekommen. Das habe man aber in Kauf genommen, um künftig besser arbeiten zu können. „Sachzwänge und absehbare Synergien haben den Wechsel unumgänglich gemacht.“ Die Betroffenen hätten die parallelen Systeme miterlebt, was zu Überschneidungen geführt habe, künftig greife das neue digitale System, das alle Gesundheitsämter bundesweit nutzen. Von Bettina Albrod