Corona-Krise lässt Nachfrage nach Hunden explodieren

Fröhlich wuseln die drei flauschigen Terrier um ihre Besitzerin Petra Richter herum. Als die Züchterin die Pforte zum verschneiten Garten in Pronstorf öffnet, toben die drei erstmal durch den Schnee. Petra Richter züchtet die Rasse mit dem klangvollen Namen „Irish Soft Coated Wheaten Terrier“ seit rund 30 Jahren und ist zugleich beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) dritte Vorsitzende für den Norden. Sie erlebt gerade am eigenen Leib, wie die Nachfrage nach Hunden während der Corona-Krise angewachsen ist. „Die Nachfrage ist immens, das habe ich so noch nie erlebt“, erzählt Richter. Zugleich würden gegenwärtig viele Züchter weniger züchten, sodass das Angebot geringer sei. Leider seien es oft Menschen, die während des Lockdowns unüberlegt nach einem Hund suchen. „Wenn ich schon höre, dass die Leute sagen, dass sie gerade jetzt Zeit für einen Hund haben, ist für mich Schluss. Wir hoffen ja schließlich alle, dass das mit dem Lockdown bald vorbei ist.“ Menschen weinen am Telefon: Nadine Blödorn, die in Seth die besonders beliebten Golden Retriever züchtet, berichtet sogar von dramatischen Szenen. Das Interesse sei so groß, dass sie sich schon seit dem ersten Lockdown im März nicht mehr vor Anfragen retten kann. Täglich bekommt sie bis zu zehn Mails und Anrufe. „Die Menschen rufen sogar aus den Niederlanden oder Dänemark an, weil sie dort keinen Welpen kriegen. Es gibt Leute, die weinen vor Verzweiflung am Telefon und bieten das Doppelte an Geld.“ Es sei jetzt die Aufgabe für den Züchter, sich gut auszusuchen, welche Familie ein Tier bekommt. Blödorn selbst geht auf Nummer sicher: „Ich gebe unsere Welpen nur an Menschen, die schon einen Hund von uns hatten oder an Familien, bei denen der Hund verstorben ist, damit sicher ist, dass das Tier nicht nach Corona ins Tierheim gegeben wird.“ Familien, die mit dem Homeoffice argumentieren und zum ersten Mal einen Hund haben wollen, würden bei den Züchtern derzeit fast immer scheitern. Seriöse Züchter haben nichts gegen einen Besuch einige Wochen vor der Abgabe. Im Gegenteil: Sie möchten auch die Käufer sehr gern persönlich kennenlernen, um sicherzugehen, dass die Tiere in gute Hände kommen. Natürlich müssen dabei in diesen Zeiten die Corona-Auflagen beachtet werden. Man sollte grundsätzlich darauf achten, ob die Tiere gesund aussehen und aktiv sind. Welpen dürfen erst im Alter von neun Wochen, also nach der vollendeten achten Lebenswoche, vom Muttertier getrennt werden. In diesem Alter sollten sie bereits die ersten Impfungen erhalten haben. Diese müssen in einem Impfausweis dokumentiert sein. Handelt es sich bei dem Impfausweis um einen ausländischen Ausweis oder stammen die Eintragungen von Tierärzten aus dem Ausland, sollte man sehr gut hinsehen, denn dann müssen die Hunde mindestens 15 Wochen alt und im Alter von zwölf Wochen gegen Tollwut geimpft worden sein, sonst können sie nur illegal nach Deutschland gebracht worden sein. Verkäufe auf der Straße sind meist ein sicheres Zeichen für einen illegalen Hundehandel. Viele illegale Händler machen Druck, wenn sich ein potenzieller Welpenkäufer für den Hund meldet und sagen, es gebe noch weitere Interessenten, die den Hund in jedem Fall kaufen würden, sodass keine Zeit zum Überlegen bleibe. Wer sofort einen Welpen angeboten bekommt, ohne dass der Züchter Fragen hat, sollte lieber Abstand von dem Angebot nehmen. Mindestens das Muttertier sollte im Haus und zu sehen sein. Der Hund sollte gepflegt und in gutem Ernährungszustand sein. An dem hängenden Gesäuge erkennt man, dass es wirklich das Muttertier ist. Bei einem Besuch kann man darauf achten, dass die Tiere bei der Familie und nicht in einem Schuppen oder Zwinger aufwachsen. Sind im Haus Hundenäpfe und Körbchen vorhanden, kann man davon ausgehen, dass dort auch wirklich dauerhaft Hunde leben. Wenn es rassebedingte Krankheiten gibt, ist die Frage zu stellen, ob die Elterntiere daraufhin untersucht wurden und ob es dafür Unterlagen gibt. Zudem sollten alle Welpen zum Auszug geimpft und gechipt sein und den blauen EU-Ausweis haben. Seriöse Züchter sind auch nach dem Verkauf der Welpen bereit, noch mit Rat zur Seite zu stehen. Es kann sein, dass ein Züchter zwei Rassen hat, die zueinander passen wie Golden Retriever und Labrador Retriever. Werden aber mehr als zwei Rassen gezüchtet, vielleicht sogar gerade alle Moderassen, die gar nicht zueinander passen, sollten Käufer gewarnt sein. Auch bei geretteten Tieren aus dem Ausland rät Tierärztin Dr. Kaja Lohse, vorsichtig zu sein: „Eine gute Tierschutzorganisation zeichnet sich dadurch aus, dass die Tests auf die sogenannten Reisekrankheiten im Vorfeld gemacht werden. Auf dem Testergebnis aus dem Labor ist dann auch die Mikrochipnummer des Tieres festgehalten, sodass das Tier und das Testergebnis sicher zugeordnet werden können.“ Zudem würde eine faire Organisation die neuen Besitzer immer darauf hinweisen, dass die Tests nach einem halben Jahr wiederholt werden sollten und dass bei Hunden, die auf der Straße gelebt haben, immer das Risiko besteht, dass später noch Krankheiten oder Verletzungen auftreten, die hohe Kosten verursachen können. Illegaler Handel nimmt zu: Die hohe Nachfrage und das geringe Angebot ruft vermehrt Kriminelle auf den Plan, die sogenannte Welpen-Mafia. So haben zum Beispiel die Veterinäre des Kreises Herzogtum Lauenburg jetzt häufiger mit illegalem Welpenhandel zu tun, der über Händler aus Hamburg organisiert wird. „Dort sind die Betroffenen inzwischen in den Fokus der Behörden geraten, sodass Angebote vermehrt in den Hamburg Randkreisen auftauchen“, berichtet Kreissprecher Tobias Frohnert. In jüngster Zeit seien häufig Welpen vor Mehrfamilienhäusern verkauft worden. Frohnert: „Die Verkäufer geben an, in dem Haus zu wohnen, aber wegen Corona niemanden in die Wohnung lassen zu wollen. Der Käufer wird zu einer Adresse bestellt und ruft an, wenn er eingetroffen ist. Dann kommen die Verkäufer mit dem Welpen auf dem Arm aus dem Treppenhaus, Hund und Geld werden ausgetauscht, der Verkäufer verschwindet und der Käufer bleibt mit einem viel zu jungen, häufig kranken, oft sogar todkranken Hund zurück.“ Eine weitere typische Masche sei es, wenn der Verkäufer nach dem Anruf „zufällig“ gerade mit dem Hund spazieren war und um die Ecke der angeblichen Wohnadresse kommt. „Dann sollten Hundekäufer misstrauisch werden“, sagt Frohnert. Schwer kranke Tiere: Die Lübecker Tierärztin Dr. Kaja Lohse kennt die Folgen des Kaufs von illegalen Welpen. „Sie werden häufig zu jung abgegeben, haben meist keinen Impfschutz und sind hochrisikogefährdet, insbesondere für eine schwere Viruserkrankung“, sagt Lohse. Oft würden die Tiere aus dem Ausland auch ohne Tollwutimpfung kommen. Auch das hat schwerwiegende Folgen, wie Frohnert berichtet. „In diesen Fällen müssen die Tiere auf Kosten der neuen Tierhalter in einem Tierheim oft wochenlang in Quarantäne gesetzt werden. Für junge Hunde kann so eine Quarantäne zu diesem Zeitpunkt ihrer Entwicklung traumatisch sein. Auf die Tierhalter kommen zudem erhebliche Mehrkosten zu.“ Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Noch keine vermehrten Abgaben: Dass voreilig gekaufte Hunden derzeit vermehr an das Tierheim abgegeben werden, erlebt Gaston Prüsmann, Vorsitzender vom Tierschutz Mölln-Ratzeburg, bislang nicht. „Wir haben nicht mehr oder weniger als sonst“, sagt er. Wer sich seriös ein Tier anschaffen wolle, könne natürlich immer auch ins Tierheim kommen. „Wir haben ja im Prinzip alles, es muss aber individuell vor Ort geklärt werden, welches Tier zu wem passt.“ Heike Reher vom Tierschutz Bad Oldesloe spürt die höhere Nachfrage schon. „Wir haben vermehrt Anfragen auch aus weiter entfernten Gebieten wie Flensburg oder Itzehoe“, sagt Reher. Sie warnt davor, nach Welpen in den Kleinanzeigen zu suchen und fahndet dort selbst regelmäßig nach Betrügern. „Ich gucke jeden Abend, ob hier im Umkreis solche zwielichtigen Anzeigen aufgegeben wurden und melde diese sonst unserer Veterinärärztin.“ Reher empfiehlt, sich auch nach Tieren aus dem Tierschutz zu erkundigen, die aus dem Ausland geholt werden. Betrug auch mit ausländischen Straßenhunden: Doch auch bei Hunden aus dem Tierschutz mahnt Tierärztin Lohse zur Vorsicht. Der Markt sei so leer, dass einige „so genannte Tierschutzvereine mit importierten Tieren aus Rumänien oder Russland handeln“. Das seien angeblich alles Straßenhunde aus Tötungsstationen, die dann mit emotionalen Beschreibungen wie „Fellnase sucht seinen Traummenschen“ vermittelt werden sollten. Lohse: „Das ist ein Riesenmarkt und das merken wir hier am meisten. Da kommen dann oft schwerst kranke Tiere in der Praxis an.“ Deshalb sollten Menschen, die so ein Tier aufnehmen wollen, unbedingt darauf achten, dass sie mit einer seriösen Organisation zusammenarbeiten und die Tiere zum Beispiel vorher auf die gefährlichen so genannten Reisekrankheiten hin untersucht worden sind (siehe Infotext). Hund kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld: Wer sich wirklich einen Hund anschaffen wolle, solle zudem nicht nur bedenken, dass so ein Tier auch nach dem Lockdown viel Zeit in Anspruch nimmt, es kostet auch viel Geld. „Oft unterschätzen die Leute die Folgekosten. Auch bei jüngeren Hunden können schnell hohe Kosten entstehen“, sagt Lohse, zum Beispiel wenn man am Wochenende mit dem Tier zum Notdienst muss. Sie empfiehlt deshalb eine Krankenversicherung für den Hund. „Wem die 50 Euro im Monat zu viel sind, der hat dann vermutlich auch nicht genug Geld, wenn es zu einem Notfall kommt.“ Von Sven Wehde