Corona: Oldesloer Familie wartete in Quarantäne vergeblich auf Informationen

Was ist zu tun, wenn ein Familienvater positiv auf das Corona-Virus getestet wurde? Dass sich auch Frau und Kinder automatisch mit in Quarantäne begeben müssen, damit sie ihr Umfeld nicht ebenfalls anstecken, leuchtet ein, und alles scheint geregelt. Soweit der Plan. Doch wie das Beispiel einer Oldesloer Familie zeigt, ergeben sich in der Praxis oft unvorhergesehene Komplikationen, was die Betroffenen regelrecht verzweifeln lässt. Familie in Quarantäne nach positivem PCR-Test: Seit mehr als einer Woche hüten nun Antje Gebhardt und ihre Lieben zur Sicherheit das Haus. Als ihr Ehemann am Dienstag der letzten Oktoberwoche plötzlich Fieber bekam, musste er sich beim Hausarzt einem PCR-Test unterziehen. Von da an war klar: Keiner aus der vierköpfigen Familie durfte jetzt wieder zur Arbeit oder in die Schule gehen. „Mein Mann bekam natürlich eine Krankschreibung. Da weder ich noch meine beiden Kinder Symptome zeigten, hat der Arzt uns keine Bescheinigung ausgestellt und uns auch nicht getestet“, erzählt Antje Gebhardt. Dafür sei er nicht zuständig, alles Weitere übernehme das Gesundheitsamt des Kreises. Drei Tage Warten aufs Testergebnis: Doch da geriet alles ins Stocken, denn die Behörde war offenbar schon von diesem Zeitpunkt an aufgrund steigender Infektionszahlen völlig überlastet. Die Warterei aufs Testergebnis war zermürbend, berichtet Antje Gebhardt. Drei Tage voller Sorgen vergingen, bis die Diagnose kam: SARS-CoV-2 positiv. Mithilfe der Corona-App hätte das relativ schnell vom Labor aus übermittelt werden können. Doch fatalerweise funktioniert diese Anwendungssoftware auf den Handys der Gebhardts nicht richtig. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Bescheinigung über Quarantäne bleibt aus: „Wir bekamen aber auch nach dieser Mitteilung noch keine offizielle Weisung, wie wir anderen uns jetzt verhalten sollten. Außerdem haben wir immer noch keine Quarantänebescheinigung. Die braucht mein Arbeitgeber dringend“, erzählt die Oldesloerin. Als Lehrerin an einer Grundschule in Lübeck fühlte sie aber eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Schülern. Deshalb unterrichtet sie ihre Klasse nun per Homeschooling. Auch ihre eigenen Töchter, Julia und Jördis, die die Ida-Ehre-Schule in Bad Oldesloe besuchen, bleiben sicherheitshalber daheim. Und doch treibt Antje Gebhardt die Sorge um, sie hätte vielleicht anders handeln sollen, um etwa ihre Schüler nicht unnötig zu beunruhigen. „Hätte ich vielleicht gleich selbst zum Testzentrum nach Borstel fahren und dort auf eigene Kosten einen Test machen lassen sollen? Ein negativer Befund hätte an der Schule weitgehend für Entwarnung gesorgt“, äußert sie ihre Gedanken. Zum Glück wurde kein Verwandter angesteckt: Aus Zeitungsberichten wusste Antje Gebhardt aber, dass es in einer solchen Situation wichtig ist, Verwandte, Bekannte und andere Personen, die Kontakt zur Familie hatten, über die erhöhte Ansteckungsgefahr zu informieren, damit gegebenenfalls die Infektionskette unterbrochen werden kann. „Das war uns sehr wichtig. Zum Glück hat sich niemand bei meinem Mann angesteckt“, sagt die Lehrerin. Die sehr aufwendige Arbeit, alle Kontaktpersonen der Corona-Patienten zu verständigen, ist wie berichtet eigentlich Aufgabe des Gesundheitsamtes. Je mehr positiv Getestete es jedoch gibt, desto schleppender kommt die Recherche voran und das, obgleich schon Bundeswehrpersonal zur Verstärkung hinzugezogen wurde. Gesundheitsamt hoffnungslos überlastet: Das bestätigt auch Dr. Edith Ulferts, Leiterin Fachbereich Soziales und Gesundheit beim Kreis Stormarn. Aufgrund der pandemischen Entwicklung und der rasant ansteigenden Fallzahlen sei auch das hiesige Gesundheitsamt überlastet, erklärt sie auf Nachfrage. Aus diesem Grunde sei nicht nur zusätzliches Personal eingestellt und die Bundeswehr um Hilfe gebeten worden, es würden zudem weitere Arbeitskräfte eingestellt. Auf den konkreten Einzelfall von Familie Gebhardt wollte Dr. Edith Ulferts indes aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht eingehen. In verallgemeinerter Form erklärte sie jedoch, dass auch Partner eines infizierten Patienten in derselben Wohnung zu Hause bleiben müssen. „Der Nichtinfizierte sollte sich idealerweise beim Arbeitgeber melden und mitteilen, dass der Quarantänebescheid nachgereicht wird“, rät die Fachbereichsleiterin. Handele es sich um Lehrpersonal, so würden die Schüler als „Kontaktperson einer Kontaktperson“ eingestuft und müssten sich folglich nicht in Quarantäne begeben. Lehrerin lässt sich auf eigene Faust testen: Mit anderen Worten, Antje Gebhardt hat sich völlig korrekt verhalten. Aus Sicht der Behörde müssten sie und ihre Kinder sich nur testen lassen, wenn sie selbst Beschwerden haben, die auf eine mögliche Corona-Infektion hindeuten könnten. Die Lehrerin bekam im Übrigen nach der LN-Anfrage ans Gesundheitsamt einen Anruf von der Behörde. „Man will uns jetzt einen Quarantänebescheid schicken“, schrieb die Oldesloerin erleichtert. Doch ganz durch ist sie mit dem Thema dann noch nicht. „Bevor ich wieder unterrichte, will ich sicher sein, dass ich niemanden anstecke. Deshalb werde ich mit meinen Töchtern auf jeden Fall noch einen Test machen.“ Von Dorothea von Dahlen