Corona in Stormarn: "Lage sehr ernst", sagt Landrat Görtz

Seit Anfang November herrscht der Lockdown light, doch die Corona-Zahlen gehen nicht runter. Im Gegenteil: In Stormarn schießen sie gerade durch die Decke. Am Mittwoch waren es 75 Neuinfektionen, am Donnerstag noch mal 74 und am Freitag 59, insgesamt in den vergangenen sieben Tagen 295. Der Inzidenzwert stieg damit auf 120,6 neu infizierte Personen innerhalb einer Woche – gerechnet auf 100 000 Einwohner. Immer mehr Covid-19-Kranke werden in Kliniken (Stand Freitag: 47) behandelt, Hunderte Stormarner befinden sich zudem in häuslicher Quarantäne. Zu den 404 Infizierten kommen jeweils einige Kontaktpersonen. Seit Beginn der Pandemie wurden im Kreis 2193 Covid-19-Fälle gezählt. „Das ist eine hochgradig besorgniserregende Entwicklung“, sagte Stormarns Landrat Dr. Henning Görtz am Freitag den LN. „Die Lage ist sehr ernst. Wir kommen bald an Kapazitätsgrenzen im Gesundheitsamt und im Rettungsdienst.“ Bei der Verfolgung der Kontakte sei man einen Tag im Verzug – trotz der Unterstützung durch die Bundeswehr und trotz zusätzlicher Schichten am Wochenende. Kontrolle der Quarantäne: Nicht zuletzt deshalb will der Kreis nun noch stärker die Quarantäne kontrollieren. „Wir werden jetzt auch an den Haustüren klingeln“, sagt Görtz. In Zusammenarbeit mit den Kommunen sollen zudem die geltenden Regeln wie Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Abstand halten noch mehr überwacht werden, „notfalls mit privaten Sicherheitsdiensten“, wie der Landrat betont. Wie in ganz Schleswig-Holstein soll es auch in Stormarn ein generelles Alkoholverbot im öffentlichen Raum geben. Im privaten Rahmen werden außerdem die Kontakte weiter eingeschränkt. Statt zehn dürfen ab sofort nur noch maximal fünf Personen aus zwei Haushalten zusammenkommen. Das hat der Kreis in einer neuen Allgemeinverfügung festgelegt, die er noch am Freitag veröffentlichte. Für Familien gilt eine maximale Zahl von zehn Personen. „Es wird niemand vereinsamen, kleine Treffen zu Weihnachten und Silvester sind möglich“, sagte Landrat Görtz. „Dieses Jahr wird es jedoch keine großen Feiern geben.“ Für Kreise mit einem Inzidenzwert von 70 oder darüber gelten außerdem seit Freitag ein Betretungsverbot an Schulen für Personen, die nichts direkt mit dem Schulbetrieb zu tun haben, sowie in Kitas eine Maskenpflicht für alle Erwachsenen. Landesweit soll unterdessen ab der 8. Klasse kein Präsenzunterricht mehr stattfinden. Die Geschäfte sollen dagegen zunächst offen bleiben. Infektionen in Altenheimen: Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kommt es weiterhin zu Corona-Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen. In drei Einrichtungen gibt es laut Görtz zusammen mehr als 30 Infektionen sowohl unter Bewohnern als auch unter Beschäftigten. In weiteren vier Heimen gebe es jeweils Einzelfälle. „Die Lage in den Pflegeheimen ist unter Kontrolle“, so Görtz. Von einer angespannten Situation spricht Professor Klaus Rabe, Ärztlicher Direktor der Lungenklinik in Großhansdorf. „Die Lage spitzt sich deutlich zu, für das Personal ist es viel anstrengender als im Frühjahr.“ Zahlen nennt Rabe nicht, aber bei den Kapazitäten der Intensivplätze komme das Krankenhaus bald an seine Grenzen. „Wir haben Winterzeit und daher auch die normalen Lungenkrankheiten.“ Professor Rabe: „Wir haben Zeitdruck“: Deshalb bestehe auch ein großer Zeitdruck für weitere Beschränkungen, so Rabe, der auch zum Corona-Expertengremium der Landesregierung gehört. „Es gibt zu viele Bewegungen, zu viele Kontakte“, so der Ärztliche Direktor. Er rechnet damit, dass es zunächst „noch schlechter wird, bevor es besser wird“. Nichtsdestotrotz seien Patienten in Schleswig-Holstein gut aufgehoben. So arbeite die Lungenklinik gut mit der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe und dem St.-Adolf-Stift in Reinbek sowie auch den Uni-Kliniken in Hamburg und Lübeck zusammen. Im Reinbeker Krankenhaus läuft der Betrieb auch noch weitgehend normal, Operationen wurden noch nicht abgesagt. Allerdings rechnet die Klinik mit einer weiteren Zunahme der Covid-19-Patienten. Derzeit befinden sich zehn Personen auf der Isolier-, eine auf der Intensivstation. Die Isolierstation solle daher erweitert werden. Vor einer Woche waren es nach Angaben von Klinik-Sprecherin Andrea Schulz-Colberg zwei bis drei Corona-Patienten. Nur ein Corona-Patient in Bad Oldesloe: Deutlich entspannter ist die Lage im nördlichsten Krankenhaus des Kreises Stormarn, der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe. „Nach zwischenzeitlich bis zu acht Patienten im Oktober und November wird zurzeit nur ein Corona-Patient in unserem Haus auf der Isolierstation behandelt“, erklärt Geschäftsführerin Sigrun Senska. „Insgesamt verfügen wir über fünf Betten auf der Isolierstation, die bei Bedarf aufgestockt werden können, sowie sechs Intensivbetten.“ Zum Vergleich: In Reinbek waren es seit dem 1. Oktober 70 Covid-19 Patienten im Alter zwischen 32 und 96 Jahren. Davon wurden zehn Patienten auf der Intensivstation behandelt, zum größten Teil mussten sie auch beatmet werden. Die meisten Corona-Patienten hatten nach Angaben der Asklepios-Klinik die klassischen Symptome wie Fieber, Husten und Atembeschwerden. „Wir monitoren stetig den Verlauf und besprechen uns mit den Kliniken im sogenannten Cluster Süd-Ost“, so Sigrun Senska weiter. „Wir beobachten stetig das Infektionsgeschehen und passen unsere Maßnahmen den Gegebenheiten an. Denn wir müssen vermeiden, dass wir ähnliche prekäre Zustände wie in anderen Kliniken in Regionen mit sehr hohem Infektionsgeschehen erhalten, in denen die Krankenhäuser überlastet sind.“ Von Markus Carstens