Coronavirus in Stormarn: Die Chronik einer rasanten Ausbreitung

Das Coronavirus breitet sich auch im Kreis Stormarn immer weiter aus – inzwischen in der dritten Woche. Begonnen hatte alles an einem Sonntag in Großhansdorf. Weil sich eine Frau mit Symptomen gemeldet hatte, wurden unter anderem zwei Kitas geschlossen – für einen den Montag, dann kam schon die Entwarnung. Bei einer anderen Person bestätigte sich zwei Tage später jedoch der Verdacht. Den ersten Corona-Fall in Stormarn registrierte die Kreisverwaltung in Ammersbek. Einige Tage vorher hatte es den ersten Fall in Schleswig-Holstein gegeben; in Henstedt-Ulzburg im Kreis Segeberg. Schon an dem Freitag waren Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken in Apotheken Mangelware, Organisationen wie das DRK Stormarn und auch Behörden trafen erste Vorbereitungen für die bevorstehende Pandemie. Zunächst blieb es bei dem einen Fall, doch am folgenden Wochenende schnellte auch in Stormarn die Zahl auf insgesamt sieben Fälle hoch. Die Kreisverwaltung um Landrat Henning Görtz war da längst im Krisenmodus, arbeitete auch am Wochenende. Verschiebbare Aufgaben und Anfragen wurden vertagt. Auch die Krankenhäuser bereiteten sich langsam auf einen eventuellen Ansturm von Infizierten vor, zum Beispiel wurden nicht notwendige Operationen verschoben. Die Lungenklinik in Großhansdorf war schon voll im Corona-Modus, wie der Ärztliche Direktor Klaus Rabe den LN sagte. Besuchsverbot herrscht jetzt schon länger. Während langsam erste Veranstaltungen wegen des Coronavirus’ abgesagt werden und dann das E-Mail-Postfach der LN immer voller wird mit Absagen, geht es auch in den Behörden Schlag auf Schlag. Der Kreis Stormarn erlässt eine erste sogenannte Allgemeinverfügung für Reiserückkehrer. Wer aus einem Risikogebiet kommt, darf bestimmte Einrichtungen für 14 Tage nicht betreten. Und dann kommen die Tage, in denen die Fallzahlen ansteigen, immer mehr Hiobsbotschaften aus dem Ausland kommen sowie Land und Kreis daraufhin immer weitere und tiefgehendere Einschränkungen für die Bürger verfügen. Meldepflicht für Veranstaltungen: Nachdem Sozialminister Heiner Garg empfohlen hat, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern auf ihre zwingende Erfordernis hin zu überprüfen, verordnet der Kreis am Donnerstag, 12. März, eine Meldepflicht von öffentlich zugänglichen Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen und hohe Auflagen. Während der Fun-Parc in Trittau vorsorglich seine Veranstaltungen absagt, will das Seh-Sie weiter öffnen. Die Flirt-Single-Party am Freitagabend wird jedoch der vorerst letzte Tanz für die Feierwütigen, denn schon am Sonnabend wird auch das verboten. Tags zuvor hatte das Land bereits verkündet, Schulen und Kitas für fünf Wochen zu schließen. Die angebotene Notfallbetreuung für Eltern in systemrelevanten Berufen ab Montag wird dann kaum in Anspruch angenommen. Aus Angst vor Ansteckungen kündigen am Freitag, 13. März, auch erste Verwaltungen an, ihre Gebäude für den Publikumsverkehr zu schließen. Verschiebbare Anliegen müssen warten. Kreis schließt Bars und Kneipen: Mit einer Allgemeinverfügung ergänzt der Kreis am Sonntag, 15. März, eine Verordnung des Landes. Bars, Kneipen, Clubs, Kinos, Museen, Fitnessstudios, Schwimmbäder und auch Volkshochschulen müssen schließen. Auch Sportveranstaltungen und Zusammenkünfte in Vereinen werden untersagt. In Restaurants gilt ab sofort ein Mindestabstand, der schon tags darauf wieder kassiert wird. Denn die Gaststätten sollen ganz schließen, Tagestouristen ganz wegbleiben. Die Betreiber setzen fortan auf Außer-Haus-Verkauf und Lieferservices. Einzelhändler, die ihre Geschäfte schließen müssen, setzen auf Online-Handel und liefern sogar selbst aus. Hamburg mit hoher Durchseuchung: Im bundesweiten Vergleich hat Hamburg im Verhältnis der gemeldeten Corona-Fälle zu der Bevölkerungszahl die größte gemeldete Durchseuchung. Auf 100 000 Einwohner kommen 36,1 Fälle. In Schleswig-Holstein sind es zum gleichen Zeitpunkt 11,1 Fälle. Wegen der intensiven Pendlerbewegungen zwischen dem Kreis und Hamburg könnte das Virus ohne die angeordneten Maßnahmen verstärkt verbreitet werden. Die Verwaltungen empfangen Bürger nur nach telefonischer Anmeldung, da werden auch fast überall die Sitzungen der Kommunalpolitiker abgesagt. Da keine Schule ist, braucht es auch keinen umfangreichen Busverkehr. Der Kreis verfügt eine starke Einschränkung des ÖPNV, die Busse fahren nach Ferienfahrplan. Die Busfahrer werden gesondert geschützt, auch Supermarkt-Kassierer sitzen bald hinter Glasscheiben und tragen Gummihandschuhe. Bei der Abfallwirtschaft kommt es krankheitsbedingt zu Einschränkungen, die Biomülltonnen sollen erste eine Woche später geleert werden. Wegen der Kontakteinschränkungen schließen alle Recyclinghöfe. Kreis verbietet Privatfeiern: Dann gibt es noch einen obendrauf: Private Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern, Grillabende oder ähnliche Veranstaltungen sowie Ansammlungen von mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum werden am Freitag, 20. März, mit sofortiger Wirkung vom Kreis untersagt. Am Tag zuvor hatte der Kreis bereits das Sonntags-Verkaufsverbot für Supermärkte aufgehoben. Menschen decken sich nicht nur mit Toilettenpapier ein, sondern suchen auch vermehrt Hofläden auf. Die Landwirte haben derweil die Sorge, nicht genug Erntehelfer zu finden aufgrund der mittlerweile weltweiten Reisebeschränkungen. Die Stormarner Tafeln machen alle dicht, denn die Helfer sind zumeist älter und gehören somit zur Risikogruppe. Appelle von Landrat und Bürgermeistern sowie Rettungskräften scheinen zu fruchten. „Stay at home“, Bleibt zu Hause, lautet der Aufruf an die Bevölkerung, die sich weitgehend an die völlig ungewohnten Vorschriften hält und meist entspannt bleibt. Wie zur Bestätigung schießen die Fallzahlen in die Höhe; der Kreis zählt am Montag, 30. März, 120 nachweislich Infizierte, davon werden zwölf im Krankenhaus behandelt. Sieben gelten bereits wieder als Genesen. In der Kreisverwaltung arbeiten vor allem Gesundheitsamt und Rettungsleitstelle unter Hochdruck. Beide Abteilungen registrieren immer noch viele Anrufer, die eigentlich die 116 117 wählen sollen. Hilfe organisiert sich: Aber es gibt auch weitere unschöne Nebeneffekte: In Nordstormarn werden als Folge der Schließung der Recyclinghöfe vermehrt illegale Müllentsorgungen festgestellt. Derweil klagt der Zweckverband Obere Bille in Trittau am 27. März über verstopfte Abflussrohre, weil sich Menschen wegen des Mangels an Klopapier offenbar mit Alternativen behelfen. Als die Kontakt- und Abstandsverordnung nochmals enger gefasst wird – nur noch zwei Personen dürfen zusammen unterwegs sein – gibt es kaum große Proteste der Bürger. Stattdessen machen Leute Musik auf ihren Balkonen, überall schießen Hilfsangebote wie Pilze aus dem Boden. Unter organisiert die Bad Oldesloer Wirtschaftsvereinigung einen gemeinsamen Internetauftritt für den Einzelhandel. Und auch die Lübecker Nachrichten gehen mit ihrer eigenen Hilfsplattformen ln-online.de/supportyourlocals an den Start. Am Dienstag, 7. April, ist im Kreis Stormarn bereits ein dritter Mann an Corona gestorben. Wie der Sprecher des Kreises, Michael Drenkhahn, mitteilt, handelt es sich um einen Mann in der Altersgruppe über 60. Er ist demnach der jüngste Corona-Tote im Kreis. In der Woche waren bereits zwei Männer an ihrer Infektion gestorben: ein Mann in der Altersgruppe über 70, der zweite Verstorbene war älter als 80. Insgesamt stieg auch die Zahl der Infektionen bis zum 8. April auf 215 Fälle an. Spendezaun in Reinfeld: Stormarns Bäcker sind in Corona-Zeiten zwar noch weiter gefragt, aber auch sie müssen mittlerweile empfindliche Verluste hinnehmen – Snacks und Kuchen in der Woche vor Ostern kaum noch. Während der Ostertage gibt es eine schöne Geste der Solidarität in Reinfeld. Dort wird eine Spenden- und Gabenzaun am Marktplatz eingerichtet. Er soll Bedürftigen helfen, die durch die Corona-Krise in Not geraten sind. Schock am Ostermontag: Im Wohnpark Rohlfshagen in Rümpel im Kreis Stormarn wurde bei 72 Bewohnern und Mitarbeitenden eine Infektion mit dem Coronavirus bestätigt. Bereits am Donnerstag hat das Gesundheitsamt des Kreises nach Rücksprache mit der Heimleitung die Einrichtung unter Quarantäne gestellt, nachdem bestätigt war, dass sich eine Mitarbeiterin mit dem Virus infiziert hatte und zudem zwei Bewohner über Fieber klagten. Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Hier bekommen Betriebe im Norden Hilfe Corona löst Digital-Boom an Schleswig-Holsteins Schulen aus Coronavirus: So kooperieren die Lübecker Forscher Lübecks Bürgermeister beantwortet die Fragen der Bürger Wann soll der Schulunterricht wieder beginnen? 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