Digitale Sitzungen wegen Corona: IT-Verbund Stormarn bremst Reinfeld aus

Nächste Woche sollte die erste öffentliche Sitzung eines Reinfelder Ausschusses in Form einer Videokonferenz stattfinden. Die Mitglieder und Fraktionsvertreter machen Politik, aber bleiben zu Hause. Damit wollte die Stadt in der Corona-Pandemie ein Zeichen setzen. Doch daraus wird vorerst nichts. Die digitale Ausschuss-Variante fällt aus, weil der IT-Verbund Stormarn, der für Reinfeld und andere Kommunen im Kreis die IT-Landschaft betreut, nicht mitspielen will. Eklat bei der Reinfelder Fraktionsvorsitzenden-Runde: Besprochen wurde die ganze Angelegenheit diese Woche bei der Fraktionsvorsitzenden-Runde, zu der auch eine Vertreterin des ITV Stormarn geladen war. „Wir mussten uns von der Dame eine halbe Stunde lang anhören, warum digitale Sitzungen nicht gehen. Eigentlich sind es nur ein paar kleine Klicks, aber der ITV Stormarn möchte es einfach nicht. Das ist die Kernaussage“, bringt es der Vorsitzende der Wählerinitiative WIR, Jens Löper, auf den Punkt. Ihm sei daraufhin in der Sitzung der Kragen geplatzt. Er sei laut geworden, was man sonst gar nicht von ihm kenne. Enttäuscht sei die WIR-Fraktion auch von der Verwaltung, die sich das vom ITV bieten lasse. Seit dem vergangenen Herbst bemüht sich die WIR-Fraktion wegen der Ansteckungsgefahr mit dem gefährlichen Coronavirus um digitale Sitzungen. Löper: „Jetzt auf der Zielgeraden, wenige Tage, bevor es losgehen soll, solch eine negative Nachricht zu bekommen, das ist total daneben. Was in Tornesch, Pinneberg, Kaltenkirchen oder Itzehoe funktioniert und gelebt wird, muss doch der Maßstab dafür sein, dass es hier in Reinfeld auch geht.“ Corona-Tests vor den Gremiensitzungen: Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rolf-Jürgen Hanf, sprach sich dafür aus, Ausschusssitzungen in Präsenz durchzuführen, solange keine digitalen Sitzungen ermöglicht würden. „Es müssen Beschlüsse gefasst und Projekte auf den Weg gebracht werden. Dazu gehört auch der Haushalt 2021, der in den Fraktionen und Gremien beraten werden muss.“ Aus der Verwaltung kam der Vorschlag, die Beteiligten notfalls vor den Sitzungen zu testen. Löper stellt hingegen klar: „Das ist für meine Fraktion definitiv keine Option. Die Corona-Situation ist aktuell viel prekärer als vor einem Jahr.“ ITV-Stormarn will externen Anbieter nicht anbinden: Wie Bürgermeister Roald Wramp erläutert, hat der ITV Stormarn aus Sicht der Datensicherheit Bedenken, den externen Anbieter, der der Stadt die Videokonferenzplattform stellt, über sein Netz anzubinden. Der ITV habe dies abgelehnt. Damit könne Reinfeld zurzeit keine digitalen Sitzungen umsetzen, da die Stadtverwaltung zum Netz des ITV Stormarn gehöre. Landesbeauftragter für Datenschutz hat keine Bedenken: Wramp: „Reinfeld hat Verständnis für diese Bedenken, sieht jedoch zugleich die dringende Notwendigkeit, hier eine Lösung herbeizuführen. Zumal das Videokonferenzsystem, was Reinfeld verwenden möchte, auch an öffentlichen Hochschulen und Fachschulen und sogar für digitale Sitzungen anderer Städte im Land erfolgreich im Einsatz ist.“ Auch aus Sicht der Landesbeauftragten für Datenschutz werde das System positiv bewertet. Insofern erwarte die Stadt einen kurzfristigen Lösungsvorschlag seitens des ITV. Bürgermeister: Reinfeld muss handlungsfähig bleiben: Wramp: „Die bisherige bloße Absage des ITV reicht nicht aus und hat in den Fraktionen der Stadtvertretung zum Teil zu großem Unmut geführt. Seitens der Fraktionen – und dem schließe ich mich ausdrücklich an – wird es als außerordentlich bedeutsam angesehen, dass die Stadt auch in dieser Pandemie politisch handlungsfähig bleibt.“ Dies sei für die Stadt Reinfeld gerade in der jetzigen Situation, in der einerseits die Haushaltsfrage zu klären sei und andererseits eine Reihe großer Bauvorhaben und Investitionen geplant und umgesetzt werden müssten, von entscheidender Bedeutung. Jetzt doch wieder Präsenzsitzungen: Aus diesem Grund hätten sich jetzt jeweils die Vorsitzenden des Bauausschusses und des Hauptausschusses entschieden, ihre am 29. und 31. März anstehenden Sitzungen wieder in Präsenz abzuhalten. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird auch der Finanzausschuss in Folge ebenso in Präsenz tagen. Ein Sitzungstermin befindet sich in Abstimmung“, teilt der Bürgermeister mit. Neben den üblichen Sicherheitsvorkehrungen werde die Verwaltung die Sitzungen mit einem Angebot an Schnelltests vor der Sitzung flankieren. Dr. Stefan Weber, SPD-Ortsvorsitzender, hatte sich schon auf die digitale Premiere bei seinem Stadtentwicklungsausschuss gefreut. Doch dieser fällt jetzt aus. „In der dritten Corona-Welle sind digitale Ausschusssitzungen das Mittel der Wahl“, betont Weber. Wie leistungsfähig ist der ITV Stormarn? Auch der SPD-Ortsvorsitzende ärgert sich über den Dienstleister ITV Stormarn. „Der IT-Verbund Stormarn wird aus öffentlichen Geldern finanziert; dafür erwarten wir eine adäquate Leistung.“ Nächste Woche müsse nach Ansicht Webers eine gute Lösung auf dem Tisch liegen. Falls dieses nicht der Fall sein sollte, werde Reinfeld mit einem Plan B handlungsfähig bleiben. „Gleichzeitig müsste die Leistungsfähigkeit des IT-Verbunds Stormarn gründlich geprüft werden, sodass sich notwendige Konsequenzen ableiten ließen.“ Dass der ITV Stormarn die Anbindung des externen Anbieters abgelehnt, aber keinen Vorschlag zur Lösung des Problems gemacht habe, das hat auch den Unmut des Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Geert Karnick, hervorgerufen. „Von unserem IT-Dienstleister erwarte ich ein proaktives und konstruktives Umgehen mit den Anforderungen aus den Kommunen.“ Bund und Land versagen in der Pandemie: An diesem Beispiel zeige sich leider auch, dass Deutschland nicht in der Lage sei, mit einer Herausforderung wie dieser Pandemie angemessen umzugehen. „Seit einem Jahr hätten auf Bundes-, aber zumindest auf Landesebene zentrale Lösungen für digitalen Schulunterricht und digitalen Sitzungsdienst geschaffen werden können und müssen. Stattdessen werkelt jede Kommune und jeder Schulträger an eigenen Lösungen mit mehr oder weniger befriedigenden Lösungen“, bemängelt Karnick. Reinfeld zahlt mehr als halbe Million Euro jährlich an den ITV: Hintergrund: Der ITV Stormarn hat die gesamte Bereitstellung, Pflege und Administration der IT der Reinfelder Stadtverwaltung als Aufgabe übernommen. Dafür zahlt Reinfeld im Schnitt der Jahre 2019 bis 2021 jährlich rund 545 000 Euro. Der ITV Stormarn war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Nach Auskunft Geert Karnicks soll der ITV nach intensiver und kontroverser Diskussion zugesagt haben, bis Dienstag nächster Woche einen Vorschlag zur Lösung vorzulegen. Von Britta Matzen